"Geduld und langer Atem sind immer wieder Eigenschaften, die in der Politik gefragt sind. Bereits in meiner Zeit als Finanzminister habe ich abenteuerlichen Einspar- und Einnahmevorstellungen eine Absage erteilt und auf die Notwendigkeit einschneidender Veränderungen der Verwaltungsstrukturen verwiesen. Dies aufgreifend haben die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag vom 16.04.2005 festgelegt, die Verwaltungen des Landes und der Kommunen grundlegend zu modernisieren.
Ein Teil dieses Prozesses - die Reform des kreisangehörigen Bereiches - ist weitestgehend abgeschlossen: Die Anzahl der Verwaltungen konnte auf der Ebene der Ämter und Gemeinden um 74 vermindert werden. Erste - ich betone: unabhängige - Untersuchungen zeigen, dass das Einsparpotential von 200.000 Euro je wegfallender Verwaltung, wie vom Landesrechnungshof prognostiziert, nicht nur erreicht sondern übertroffen wird. Im Ergebnis werden cirka 15 Millionen Euro an Verwaltungskosten gespart und können für andere Zwecke verwendet werden. Unsere Kommunalpolitikerinnen und -politiker haben dieses überzeugende Ergebnis mit Kreativität und Weitsicht erreicht. Der Gesetzgeber hat den Mandatsträgern vor Ort vertraut und ihnen Handlungsspielräume eingeräumt. Wir haben aber auch eindeutige Mindestvorgaben gemacht und eine Frist für die freiwillige Phase gesetzt. Der Erfolg lässt sich schon daraus ersehen, dass plötzlich fast alle schon immer dafür gewesen waren.
Die Reform im kreisangehörigen Bereich schafft neue finanzielle Handlungsspielräume, doch ist die Situation ja nicht so rosig, dass wir dabei stehen bleiben dürften. Die geschilderten Ergebnisse unserer bisherigen Arbeit lassen erahnen, was weiter möglich ist. Es wäre eine leichtfertige Verschwendung von Steuergeldern, diese Chance weit von uns zu weisen. Weitere Veränderungen sind dringend nötig.
Die Koalition hat daher auch die Struktur der Kreise und kreisfreien Städte auf den Prüfstand gestellt und sich darauf verständigt, diese Aufgabe in der laufenden Legislaturperiode anzugehen und ich meine zu Recht. Zu dem festen Zeitplan komme ich noch.
Die von der Landesregierung zu diesem Thema eingeholten Gutachten gelangen - für mich nicht überraschend - einheitlich zu dem Ergebnis, dass die Kreise und kreisfreien Städte in Schleswig-Holstein keineswegs optimal aufgestellt sind, wie einige es uns glauben machen wollen. Alle Gutachter sprechen sich dafür aus, auch diese Ebene zu reformieren und erwarten dadurch erhebliche Einsparungen.
Und bitte gestatten Sie mir die Anmerkung, dass das Innenministerium bereits im Rahmen seiner überschlägigen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung im April diesen Jahres zu dem Ergebnis gekommen war, dass eine Kreisreform Mittel für mehr Kindergärten oder eine bessere Schulausstattung frei setzen wird. Diese Berechnung wurde von den Gutachtern auf Nachfrage bestätigt.
Die finanzielle Situation des Landes und der Kommunen ist alles andere als rosig. Je günstiger die Verwaltung der Kreise desto geringer die Kreisumlage. Dies ist sicher nicht das einzige Kriterium, aber ein wichtiges. Je weniger wir für eine Verwaltung ausgeben, wobei sie immer noch gut funktionieren muss, desto mehr Mittel haben wir für politische Entscheidungen. Auch das ist eine Stärkung des Ehrenamtes.
Wir müssen allerdings ein wenig mehr berücksichtigen als mancher sich das am grünen Tisch ausdenkt. Dies hat das Urteil vom Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern bestätigt. Dennoch freue ich mich, dass zumindest der grundsätzliche Weg die Unterstützung des Präsidenten der Industrie- und Handelskammer zu Kiel, findet.
Wie soll es nun weiter gehen? Bevor ich Ihnen die weiteren Schritte der Reform schildere, möchte ich drei Leitgedanken vor die Klammer ziehen:
Erstens: Auch den Kreisen und kreisfreien Städten wird in einer freiwilligen Phase ermöglicht, aufeinander zuzugehen und einvernehmliche Fusionen zu verabreden. Das Land ist hier zunächst gefragt, einen Rahmen vorzugeben. Erst später stellt sich die Frage, ob und welche weiteren gesetzlichen Schritte nötig sind. Wir werden damit den erfolgreichen Weg, den wir bei der Reform im kreisangehörigen Bereich beschritten haben, weitergehen.
Zweitens: Mit der kommunalen Seite wird ein intensiver Dialog darüber geführt, wie die künftigen Strukturen aussehen sollen und wie sie erreicht werden können. Dies gilt auch und gerade über die Frage, wie das Ehrenamt gestärkt werden kann. Das Innenministerium steht den Vorschlägen der Kommunen offen gegenüber und wird stets beratend mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Drittens: Es gibt keine vorzeitige Festlegung auf ein bestimmtes Modell, sondern der Prozess wird solange ergebnisoffen geführt, wie es möglich und geboten ist. Vorgaben werden erst und soweit gemacht, wie es unerlässlich ist. Das bedeutet auch, dass wir nicht vorzeitig Modelle ausschließen und Beruhigungspillen verteilen sollten. Bei allem Charme, die die Modelle von Herrn Hesse haben, auch die Vorstellungen der anderen Gutachter verdienen sorgfältig betrachtet zu werden.
Lassen sie mich aber schon hier deutlich sagen: Freiwilligkeitsphase und Dialog und Ergebnisoffenheit heißt nicht, dass wir eine Reform auf den Sankt Nimmerleinstag verschieben.
Wir haben nämlich am 18.12.2006 einen transparenten und festen Zeitplan beschlossen, der im April noch einmal bestätigt wurde: Die Landesregierung wird im Dezember diesen Jahres auf Vorschlag des Innenministers Leitlinien zur Verwaltungsstruktur- und Funktionalreform beschließen. Und um es gleich vorweg zu nehmen, damit wird keine Entscheidung für ein bestimmtes Modell getroffen.
Die Leitlinien werden die Ergebnisse meiner Besuche in den Kreisen und kreisfreien Städte, die ich im November abschließe, aufnehmen und werden auch auf die Vorschläge eingehen, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Lenkungsgruppe und die kommunale Seite - hoffentlich - vorlegen wird.
Darüber hinaus werden die Leitlinien die Gutachten und die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern berücksichtigen. Die Leitlinien werden skizzieren, welche Inhalte das Gesamtkonzept enthalten wird. Bevor die Leitlinien vom Kabinett beschlossen werden, wird es eine erste Reformklausur mit der kommunalen Seite geben, in dem die Gutachter Rede und Antwort stehen und für Fragen zur Verfügung stehen. Auch wird hier bereits Gelegenheit bestehen, den weiteren Verlauf des Prozesses zu erörtern.
Darüber hinaus plane ich, die Struktur der Leitlinien vor der Beschlussfassung des Kabinetts mit Vertreterinnen und Vertretern der Kreise und kreisfreien Städte sowie der kommunalen Landesverbände auf einer zweiten Reformklausur intensiv zu erörtern. Diese beiden Beispiele wie auch die Phase der Begutachtung zeigen, dass wir es mit der Einbindung der kommunalen Seite sehr ernst meinen.
Im Sommer 2008 soll als maßgebende Grundlage der Reform das Gesamtkonzept verabschiedet werden. Es wird Antworten darauf geben, welche Aufgaben vom Land auf die Kommunen übergehen werden, wie die interkommunale Funktionalreform aussehen wird und wie die "Große Kreisstadt", so möchte ich sie nennen, rechtlich ausgestaltet wird. Des weiteren wird das Gesamtkonzept das mit der Verwaltungsstrukturreform am Ende zu erreichende Ziel beschreiben und zu dessen Umsetzung auch Vorgaben zur künftigen Kreisstruktur enthalten und den Weg dorthin beschreiben. Das Gesamtkonzept ist damit ein wichtiger Baustein in der Freiwilligkeitsphase.
Nach meinen Vorstellungen wird das Gesamtkonzept auch eine Regelung zur Direktwahl der Landräte treffen, Maßnahmen zur Stärkung des Ehrenamtes vorsehen, Vorschläge zur Funktionalreform machen sowie die erforderlichen Änderungen des Finanzausgleichsgesetzes darstellen.
Das Gesamtkonzept wird darauf ausgerichtet sein, den Kriterien der Wirtschaftlichkeit, Professionalität und Bürgernähe zu optimaler Wirkung zu verhelfen. Denn auch die Verwaltung der Kreise und kreisfreien Städte muss sich an diesen Zielen messen lassen.
Die Legislaturperiode ist dann noch lang genug, um auch dem Gesetzgeber zu ermöglichen, die erforderlichen gesetzlichen Regelungen zu beschließen, so dass die im Gesamtkonzept formulierten Ziele bis zum Ende der Legislaturperiode erreicht werden können.
Die Ergebnisse der Gutachten waren eindeutig: Wir müssen etwas Grundlegendes ändern. Dies werden wir auch tun. Ich sage mit Willy Brandt: Wer das Bewahrenswerte bewahren will, muss verändern, was der Erneuerung bedarf."