Was ist das Besondere am Maniokprojekt?
Zum einen zielt das mehrstufige Projekt darauf ab, die Ernährung der Menschen in der Region zu sichern, indem sie Nahrungsmittel – sprich: Maniok – selbst produzieren. Zum anderen wird ihnen damit Zugang zu Arbeitsplätzen ermöglicht und sie werden künftig ein höheres Einkommen generieren, woraus sie wiederum Geld zurücklegen können. Durch die erlangten landwirtschaftlichen Kenntnisse können die Begünstigten außerdem leichter eine Anstellung finden oder sich mit dem Anbau und der Weiterverarbeitung von Maniok selbstständig machen. Um ihnen entsprechende Fähigkeiten zu vermitteln, werden Workshops angeboten, zugleich werden Trainer ausgebildet. Das Projekt legt großen Wert darauf, insbesondere Frauen, Jugendliche und auch Menschen mit Behinderungen (23 Teilnehmende sind von Behinderungen betroffen) wirtschaftlich zu stärken.
Wie kann man sich den Ablauf genau vorstellen?
Zum Aufbau der Wertschöpfungskette gehören der nachhaltige Anbau auf den Farmen, die Produktion, Verarbeitung und Umwandlung von Maniok in Mehl, Chips und andere Lebensmittel sowie die Vermarktung der Erzeugnisse. Um den Zugang zu Finanzdienstleistungen zu erleichtern, werden sogenannte „saving groups“ (Spar-Gruppen) unter den Teilnehmern gebildet. Durch Schulungen, Coachings und praktische Anwendungen vor Ort werden klare institutionelle Strukturen und Systeme geschaffen sowie Workshops für Führungskräfte und im Finanzdienstleistungsmanagement durchgeführt. Außerdem finden Trainings zu staatlichen Finanzierungsprozessen, aber auch Verhandlungsgeschick statt. Die Teilnehmenden erhalten Unterstützung, um aktiv die staatlichen Förderungen zu nutzen.
Wie schreitet unser Maniokprojekt voran?
Das Projekt verzeichnet einen enormen Erfolg. Die Schulung der Teilnehmenden in den Bereichen Maniok-Wertschöpfungskette, Unternehmertum und soziale Verantwortung wird konstant fortgesetzt. Die Gesamtzahl der geschulten Teilnehmerinnen und Teilnehmer liegt derzeit bei 1.679 – und damit deutlich über unserem eigentlich gesetzten Zielwert (1.250). Das entspricht einer Quote von 134 Prozent. Unsere Schulungen wie auch die Verfügbarkeit von zertifiziertem Saatgut haben es den Landwirten ermöglicht, sehr viel Maniok anzubauen. Einige Begünstigte engagieren sich inzwischen vollständig in der Maniok-Agrarwirtschaft, während andere kleine Unternehmen betreiben. Die meisten Teilnehmenden haben bereits eine Beschäftigung gefunden. Das Empowerment der Zielgruppen ist sehr gut gelungen, was mich besonders freut.
Sind alle Projektstandorte auf dem gleichen Stand oder unterscheiden sie sich in ihren Entwicklungen?
Wir haben an drei Standorten sogenannte „Ressourcen-Center“ aufgebaut, an denen die Schulungen stattfinden: in Awach, Awasi und in Ahero. Im größten Center in Ahero werden im Vergleich zu den anderen deutlich mehr Teilnehmende geschult. An allen drei Standorten befinden sich auch Anlagen zur Weiterverarbeitung von Maniok, zudem gibt es Wassersysteme vor Ort. Die Bauern erhalten dadurch stets Zugang zu sauberem Trinkwasser, was dort nicht selbstverständlich ist.
Im Hauptressource-Center in Ahero hat unsere Partnerorganisation sogar einen Fischteich angelegt, um den Bauern zu zeigen, wie man mit Fischen eine wichtige Proteinquelle für die Ernährungssicherung schaffen kann. LandsAid durfte zudem die Etablierung einer kleinen Bäckerei zur Weiterverarbeitung von Maniok unterstützen – konkret wurden ein Ofen und eine Knetmaschine angeschafft. Das CIVS-Team vor Ort hat Tage damit verbracht, geeignete Rezepte zur Weiterverarbeitung von Maniokmehl zu entwickeln. Es ist ihm meisterlich gelungen Brot, Brötchen, Mandazi (eine Art kenianische Donuts) oder Chips herzustellen. Zur Eröffnung gab es sogar einen toll dekorierten LandsAid-Kuchen aus Maniokmehl.
An insgesamt fünf Standorten haben wir Modellfarmen errichtet, anhand derer gezeigt wird, wie Maniok, auch in verschiedene Sorten, angebaut wird. Den begünstigten Bäuerinnen und Bauern wird beigebracht, wie Farmmanagement funktioniert, etwa in der Kombination von Maniok mit Bohnen, Erdnüssen und Mais, oder mit Obst, zum Beispiel Avocado, Orangen oder Papaya. Die Arbeit auf den Modellfarmen fördert zunächst die Solidarität unter den Bauern. Danach können diese das Gelernte auf ihrer eigenen Farm anwenden.
Hast Du alle fünf Modellfarmen besucht?
Ja, ich habe alle fünf Standorte besucht – und zusätzlich Einzelfarmen, auf denen im Anschluss an die Schulungen Maniok angebaut wird. Da waren auch weit entlegene dabei, wie die Farm in Waradho, die in extrem trockenem, steinigem Berggelände angesiedelt ist. Auf dieser Bergfarm hat der Landwirt neben Mais nun zum ersten Mal Maniok angebaut. Zuvor konnte er die Farm nur begrenzt – zum Beispiel für die Haltung von Vieh – nutzen, da es dort wirklich sehr trocken und steinig ist. Fünf Monate lang war hier der Regen ausgeblieben. Der angebaute Mais hat diese Dürre nicht verkraftet, er ist leider nicht mehr zu ernten. Die „Jackpot-Pflanze“ Maniok jedoch wächst auch noch in dieser unwirtlichen Lage und der Bauer konnte sogar einen Teil der Ernte verkaufen und damit seine Familie unterstützen.
Wie werden die Modellfarmen genutzt und wie entwickeln sie sich?
Jeder unserer fünf Projektstandorte mit Modellfarmen wird genutzt wie bisher – weiterhin wird hier fleißig Maniok geerntet und verarbeitet. Von unserer Partnerorganisation CIVS angestellte Maniok-Experten, sogenannte „Farm Extension Officers“, besuchen die Farmen an allen Projektstandorten, um deren Fortschritte zu begleiten. Die Maniokpflanzen befinden sich in ganz unterschiedlichen Wachstumsstadien, da die Pflanzung jeweils zeitlich versetzt erfolgte. Auch die Ernte findet aus diesem Grund jeweils zu unterschiedlichen Zeiten statt.
Was genau machen diese „Maniok-Experten“ bei ihren Farmbesuchen?
Sie sind stetiger Ansprechpartner für die Farmer, bieten ihnen technische Hilfe an, inspizieren die Ernten und besprechen den Status der einzelnen Farmen. Die Landwirte schätzen den persönlichen Besuch der Experten auf ihren Farmen sehr, da sie ihnen stets konstruktive Lösungen anbieten. Auch das Feedback der Maniok -Experten ist positiv: Den Farmen gehe es gut und das zertifizierte Saatgut sei für alle Projektgebiete angemessen ausgewählt, berichten sie.
Was passiert mit eventuellen Überschüssen bei der Maniok-Ernte?
Stets werden die Bäuerinnen und Bauern ermutigt, zunächst sicherzustellen, dass die Ernährungssicherheit im eigenen Haushalt erreicht wird, bevor sie die überschüssigen Produkte verkaufen. Diese kauft dann zum Beispiel das Team von CIVS an, um sie wiederum in der Anlage in Ahero durch Trocknen, Schälen, Hacken, Schnetzeln und Mahlen weiterzuverarbeiten. Die verarbeiteten Produkte werden in Säcken gelagert, erste Bestände sind bereits erfolgreich abverkauft. Wir konnten zum Beispiel einen guten Markt für Maniok-Chips und Maniok-Mehl finden und freuen uns sehr darüber. Auch das Hauptgericht in Kenia, Ugali, kann nun aus Maniokmehl hergestellt werden. Diese Mehrwertprodukte verbessern den Marketingprozess: Sie werden von den Kunden sehr geschätzt. Zudem bildet die Ausbildung zum „Maniok-Bäcker“ gute Berufsperspektiven, gerade für junge Leute.
Gibt es schon Bauern, die sich mit diesem Konzept selbstständig gemacht haben?
Die Zahl der Begünstigten, die angestellt oder selbstständig in der Maniok-Produktion tätig sind, liegt derzeit bei 809 (zum Vergleich: Ende Februar waren es noch 533). Ein großer Prozentsatz davon sind Jugendliche, die sich Arbeitsplätze in lokalen Privatsektoren, Institutionen und Organisationen gesichert haben. 36 der ausgebildeten Begünstigten (Ende Februar waren es noch 17) haben kleine Unternehmen eröffnet und erwirtschaften nun ihr eigenes Einkommen. Eine unter ihnen ist eine Frau mit Behinderungen beim Sprechen und Hören. Alle Unternehmen laufen gut und wachsen. Die Begünstigten sparen ihr Geld bei der Gemeinschaftsbank und haben die Möglichkeit, auf Kredite zuzugreifen.
Inwieweit spürt man am Projektstandort die aktuell wirtschaftlich angespannte Situation?
Die Inflation mit damit verbundenen Preissteigerungen ist überall spürbar. Auch Kenia ist ein Land, das von Weizenlieferungen aus der Ukraine abhängt. Unser Projekt zum Maniokanbau und zur Weiterverarbeitung des geernteten Manioks hat vielen Leuten geholfen, sich von Weizen unabhängiger zu machen. Dies birgt ein Riesenpotential für die Zukunft.
Spürt man die Auswirkungen des Klimawandels? Inwieweit wirkt er sich auf das Projekt aus?
Die Auswirkungen des Klimawandels sind extrem stark spürbar. Schon seit fünf Monaten hat es in der Projektregion nicht geregnet. In Nyakatch ist es besonders schlimm. Dort gibt es kein Ressource-Center und auch kein Wassersystem. Die Menschen müssen sehr weit laufen, um ihr Wasser von verschmutzen Flüssen zu holen oder sauberes Trinkwasser kaufen.