"In der Öffentlichkeit ist unser Berufsbild noch stark von Folklore geprägt: Archivare tragen alle eine Brille mit Gläsern, dick wie Flaschenböden, haben eine blasse Hautfarbe, weil sie den ganzen Tag in fensterlosen Kellern arbeiten", so Gastgeber Dr. Marcus Stumpf, Leiter des LWL-Archivamtes für Westfalen.
Der Arbeitsalltag in einem Archiv sehe dagegen heute ganz anders aus. Vor allem die rasante Entwicklung elektronischer Medien habe das Berufsbild der Archivarin aus früheren Jahrhunderten erheblich erweitert. Stumpf: "Nicht nur mittelalterliche Urkunden und Akten aus dem 19. Jahrhundert muss der Archivar als Allrounder lesen können, sondern er muss heute elektronische Daten dauerhaft sichern - die wohl bislang größte Herausforderung für den Berufsstand. Moderne Speichermedien wie etwa die CD oder die DVD sind dabei völlig untauglich, da sie nur wenige Jahrzehnte halten." Daher müssten Daten softwareunabhängig in bestimmten Formaten (Fotos z.B. im JPEG 2000-Format) gespeichert und regelmäßig in die jeweils neuen Systemumgebungen überführt werden.
Die Fachtagung nimmt auch Fragen der Qualifizierung und Professionalisierung in den Blick. Reagieren die Ausbildungseinrichtungen hinreichend auf die veränderten Anforderungen an Archivare? Vertreter der Archivschule Marburg und der Fachhochschule Potsdam stellen ihre Konzepte vor, Ausbildungskonzepte der niederländischen Nachbarn sind ebenfalls Thema der Tagung.
Dass bei Fragen der Professionalisierung des Berufsstandes dem Verband deutscher Archivarinnen und Archivaren e.V., dem mit rund 2.100 Mitgliedern und damit größten archivarischen Berufsverband in Europa, eine besondere Bedeutung zukommt, erläutert der Vorsitzende Prof. Dr. Robert Kretzschmar aus Stuttgart.
"Der Kommunalarchivar vereinigt viele Funktionen in einer Person", so Dr. Barbara Rüschoff-Thale, LWL-Kulturdezernentin. "Er ist Dienstleister für die Verwalter, wenn es um die Sicherung elektronischer Daten in der Verwaltung geht. Er ist zugleich Dienstleister für die interessierte Öffentlichkeit, indem das Archiv seine Quellenschätze zur Verfügung stellt. Zudem trägt ein gutes Archiv mit einer breitgefächerten Öffentlichkeitsarbeit dazu bei, dass das Archiv aus der Kulturlandschaft einer Stadt nicht mehr wegzudenken ist."
"Mit der Tagung", betonte Stumpf, der seit März das LWL-Archivamt leitet, "werden auch die Leistungen meines Amtsvorgängers Prof. Dr. Norbert Reimann gewürdigt, der sich in seiner mehr als 20-jährigen Tätigkeit besonders der Professionalisierung der Kommunalarchive gewidmet hat." Im Rahmen eines öffentlichen Abendvortrages skizziert Prof. Dr. Hans-Ulrich Thamer (Westfälische Wilhelms-Universität Münster) die Rolle der Archive in der Gesellschaft.