70 Prozent der Umbaukosten hat das Land NRW, 30 Prozent der Landschaftsverband getragen. Ziel des neuen Landesmuseum ist es, eine weitere Facette des reichen westfälischen Kulturerbes und dessen europäische Bezüge sichtbar zu machen, so LWL-Direktor Dr. Wolfgang Kirsch am Freitag (18.5.) in Lichtenau-Dalheim. Kirsch: „Klosterkultur hat Westfalen über mehr als 1200 Jahre geprägt und damit viel länger als andere Gesellschaftsformen. Es ist an der Zeit, dass sich ein Landesmuseum diesem reichen kulturellen Erbe widmet. Und das ist in Europa einmalig.“
Das LWL-Landesmuseum startet mit einer Sonderausstellung zur barocken Blütezeit westfälischer Klöster und einer Festwoche mit Konzerten, Gartenfest und einer Museumsnacht. Auf fast 1.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche werden mehr als 200 Exponate gezeigt. Sie stammen aus den Schatzkammern der regionalen Klöster und Kirchen, aus Museen und von privaten Leihgebern.
Klosterkultur prägt seit 1200 Jahren
„Der reiche Fundus klösterlicher Kulturgeschichte ist beinahe in Vergessenheit geraten“, erläuterte Kirsch. „In Westfalen gab es im Mittelalter 500 Klöster, sie waren bis zur Säkularisation wichtige Kulturträger gerade auch im ländlichen Raum. Sie haben großartige Architektur hinterlassen, haben Kunst und Musik gefördert, waren Bildungseinrichtung und Sozialraum, widmeten sich der Krankenpflege und der Seelsorge, Sie waren Arbeitgeber und Wirtschaftsbetrieb. Sie verstanden sich als Netzwerk, das sich bis an die Ränder Europas erstreckte. Und vor allem waren sie Orte des Glaubens und der Gottessuche.“
Museum als Lesehilfe
„Die Spuren dieses reichen kulturellen Erbes sind überall sichtbar, nur hat man fast verlernt, diese Spuren zu lesen. Genau das will das neue LWL-Landesmuseum ändern: Es will Lesehilfe sein für die Erschließung dieser Fülle klösterlicher Geschichte, die in Westfalen beinahe an jedem Ort zu entdecken ist“, so Kirsch weiter. Museen in Klöstern konzentrierten sich meist auf die Geschichte des eigenen Ordenshauses. In Dalheim nehme man das europäische Gesamtphänomen mit all seinen Facetten am Beispiel Westfalens in den Blick.
“Wir wollen die Frage beantworten, was Kloster eigentlich ist, wie es funktioniert und welche gesellschaftliche Wirkung dieses Phänomen bis heute hat“, sagte Museumsdirektor Prof. Dr. Matthias Wemhoff. Eine reine Musealisierung des Themas „Kloster“ sei dabei nicht zu befürchten. Das neue Museum verstehe sich als Partner der heute aktiven Ordensgemeinschaften.
Für LWL-Kulturdezernent Prof. Dr. Karl Teppe geht ein Traum in Erfüllung: „Dieser besondere Ort mit seiner bewegten Vergangenheit ist wie geschaffen dafür, eine so wertvolles Stück westfälischer Landesgeschichte zu pflegen und für die Zukunft zu bewahren.“
Sonderausstellung mit barockem Glanz
Das LWL-Landesmuseum eröffnet mit zwei Ausstellungen: einer Sonderausstellung zur barocken Blütezeit westfälischer Klöster und dem ersten Teil der Dauerausstellung, der sich der Umnutzung von Klosteranlagen nach der Säkularisation 1803 widmet.
Das ehemalige Chorherrenstift Dalheim ist dabei nicht nur Ausstellungsort sondern selbst Exponat. An ihm kann man alle Epochen seiner Baugeschichte ablesen.
Prior Bartholdus Schonlau, der sich in seinen 23 Amtsjahren rühmte, eine ebensolche Anzahl an Gebäuden errichtet zu haben, verlieh der Klosteranlage ihr bis heute dominierendes, barockes Gesicht. Er führte das Chorherrenstift nach den Wirren des 30-jährigen Krieges zu seiner Blüte.
Die Säkularisation machte Kloster Dalheim zum Gutsbetrieb. Auch diese Spuren sind sichtbar. Barocker Hochaltar, Sakramentenhäuschen und spätgotischer Lettner wurden zerschlagen, der barocke Gästetrakt im 19. Jahrhundert zur Kornbühne umfunktioniert.
In den mit Rücksicht auf die Patina modernisierten Ausstellungsräumen im barocken Westflügel finden auf 980 Quadratmetern 240 Exponate Platz. So gehen die restaurierte Räucherkammer, an deren Decke noch die Haken für Schinken und Wurst zu sehen sind, eine Verbindung mit der Ausstellungsarchitektur ein. Mit Gold und Silber reich bestickte Messgewänder, mit Edelsteinen besetztes liturgisches Gerät, filigrane Prozessionsfiguren und Reliquiare, Fragmente des monumentalen, barocken Hochalters der Dalheimer Klosterkirche und das 13-teilge, silberne Toilettengeschirr einer Äbtissin geben Auskunft darüber, dass auch Klöster zum Ort glanzvoller Repräsentation wurden.
In der Dauerausstellung zeugen die Maschineneinbauten und Graffitispuren noch heute von der landwirtschaftlichen Nachnutzung des Klosters. Diese Spuren wurden in die Ausstellungsgestaltung miteinbezogen und sollen Räume und Wände für sich selbst sprechen lassen.
Stiftung als Träger
Eine Stiftung machte den Weg frei für die Einrichtung des Museums. Aus den Erträgen der Stiftung Kloster Dalheim wird der Betrieb des neuen LWL-Landesmuseums finanziert. Das Stiftungskapital von zwölf Millionen Euro stammt zu gleichen Teilen vom LWL, dem Kreis Paderborn und von privaten Stiftern. „Hier haben sich öffentliche Entscheidungsträger gemeinsam mit Vertretern der regionalen Wirtschaft und gestützt durch privates Engagement für dieses innovative und europaweit einmalige Projekt eingesetzt“, sagte Kirsch.
Die Stiftung entwickele sich erfreulich. Man rechne bereits in Kürze mit der Komplettierung des Stiftungskapitals von zur Zeit 11,25 Millionen Euro auf die erforderlichen zwölf Millionen Euro und liege damit voll im Zeitplan.
Barocke Festwoche
In Anlehnung an die im Barock üblichen Festoktaven, die in Klöstern zu großen Anlässen begangen wurden, begrüßt auch Kloster Dalheim seine Gäste mit einer ganzen Woche voller Barock. Mit einem großen Gartenfest am Pfingstmontag lädt das LWL-Landesmuseum für Klosterkultur die Bevölkerung ein, die Eröffnung zu feiern: Zeremonienmeister und Hofgäste bevölkern das Gelände und lustwandeln gemeinsam mit den Besuchern zwischen Ehrenhof, Garten und Klosterteich, um sich von barocken Tänzen, Hirtenmusik und Spielen mitreißen zu lassen. Klostermühle, Schmiede, Bäckerei und Klosterbrauerei sind geöffnet.
In den Abendstunden des 2. Juni ist Kloster Dalheim bis in seinen verborgensten Winkel hell wach. Sonder- und Dauerausstellung sind bis Mitternacht geöffnet. Vor Ort bringen bedeutende Persönlichkeiten des Dalheimer Barock und der Domänenzeit Licht ins Dunkel ihrer Geschichte. Die Museumsnacht findet ihren Abschluss mit einem barocken Feuerwerk an der Ruine St. Petri, Dalheims ältester Spur geistlichen Lebens.
Die hochkarätigen Konzerte lassen verschiedene Facetten barocker Musik erklingen.
Mit Pauken und Trompeten eröffnet das Bläserensemble der Akademie für Alte Musik Berlin am 22. Mai die musikalische Festwoche. Die weltberühmte Gambistin Hille Perl spielt am 2. Juni mit Los Otros barocke Tanzmusik im Schafstall. Der Sänger Kai Wessel lässt seine für das barocke Zeitalter unerlässliche Stimme des Countertenors in der Klosterkirche erklingen. Gemeinsam mit dem aufstrebenden Barockensemble CordArte sind zu Pfingsten (28. Mai) Kantaten von Buxtehude, Krieger und Erlebach zu hören. Mit einer musikalischen Rückbesinnung auf seine mittelalterlichen Ursprünge startet Kloster Dalheim beim Abschlusskonzert (3. Juni) in seine Zukunft als Museum. Das ensemble amarcord, bestehend aus sechs ehemaligen „Thomanern“, lässt in der Klosterkirche die Missa Incessament von Pierre de la Rue (1452-1518) erklingen: Musik aus der Gründungszeit Kloster Dalheims. Mit de la Rues Kompositionen und dem spätgotischen Klangraum der Dalheimer Klosterkirche werden in diesem Konzert zwei Zeitgenossen zusammenfinden. Das musikalische Festprogramm wird von der Kulturstiftung Westfalen-Lippe unterstützt.
Dalheimer Kataloge
Zur Ausstellung erscheinen die ersten beiden Bände der Dalheimer Kataloge:
Matthias Wemhoff (Hrsg.): Barocke Blütezeit. Die Kultur der Klöster in Westfalen. Reihe: Dalheimer Kataloge, Band 1. Regensburg: Schnell+Steiner ,1. Auflage 2007 (ISBN: 978-3-7954-1962-2). Hardcover, 494 Seiten, ca. 210 meist farbige Abbildungen, zahlreiche Karten und Pläne, 29,20€.
Matthias Wemhoff (Hrsg.): Säkularisation und Neubeginn. Die Kultur der Klöster in Westfalen. Reihe: Dalheimer Kataloge, Band 2. Regensburg: Schnell+Steiner, 1. Auflage 2007 (ISBN: 978-3-7954-1963-9). Hardcover, 339 Seiten, ca. 80 meist farbige Abb., 24,90€.
Zusammen kosten beide Kataloge 46€.
Öffnungszeiten Ab 23. Mai: dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr. Montags außer an Feiertagen geschlossen. Ganzjährig geöffnet, außer 24., 25., 31. Dezember.
Eintrittspreise Erwachsene 3,90€, Gruppen (ab 16 Personen) 3,10€ (je Person), Kinder/ Jugendliche 1€, ermäßigt 2,50€, Familientageskarte 8€.