Während des "Schauraums", dem Fest der Museen und Galerien in Münster, ist das Gemälde in der Studiogalerie des LWL-Landesmuseums zu sehen. Vor genau 100 Jahren besuchte der Kaiser die damalige Provinzialhauptstadt Münster vom 29. August bis zum 1. September 1907.
"Ein Höhepunkt der demonstrativ prunkvoll inszenierten ,Kaisertage' Ende August 1907 war am Abend des 30. Augusts eine ,Paradetafel' im fast fertigen Neubau des Landesmuseums, dem sich ein höchstpersönlicher Rundgang der Majestät anschloss", erklärt LWL-Museumsdirektor Dr. Hermann Arnhold. Vor den noch leeren Wänden des Neubaus - von einem "Prominenten-Preview" in der Sammlung kann deshalb rückblickend nicht die Rede sein - lobte der Kaiser als selbsternannter oberster Schirmherr von Kunst und Kulturschaffen am darauffolgenden Tag den imposanten Neubau Westfalens.
Die Rede von Wilhelm II. im Lichthof des zukünftigen Landesmuseums beschwor ideologisch zielsicher mit "Goldenen Kaiserworten" die versöhnende Vorbildrolle Westfalens beim Ausgleich zwischen Katholiken und Protestanten, Arbeitern und Industriellen, Bauerntum und Technik.
"Der Appell gipfelte in der verwegenen Perspektive, Westfalen nicht nur als Muster für den zukünftigen ,Granitblock' des Deutschen Volkes zu propagieren, sondern in dem Zitat des ,Dichterwortes' (von Emanuel Geibel): ,An deutschem Wesen wird einmal noch die Welt genesen.'", weiß Dr. Jürgen Krause, Referent am LWL-Landesmuseum. "Diese zwiespältige, vielbeachtete ,Versöhnungsrede' des Kaisers dürfte innenpolitisch bis in die Anhängerschaft der SPD hinein Wir-kung gezeigt haben, während sie vom Ausland her betrachtet in das Arsenal großsprecherischer, latent aggressiver Rhetorik der jungen Weltmacht Deutschland eingereiht werden musste."
Der Kölner Maler Albert Sticht war auf offizielle Porträts spezialisiert. Sticht schuf das Gemälde Wilhelms II im Jahr 1913, dem letzten Friedensjahr vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. "1913 feierten die ,Untertanen' allerorten das 25jährige Regierungsjubiläum des ,Friedenskaisers'. Die mutwilligen Stichbeschädigungen stammen wohl vom Ende des Zweiten Weltkrieges und belegen als drastische ,Zeitzeugen' die widersprüchliche Wirkungsgeschichte des letzten deutschen Kaisers", berichtet Krause.
Nach diesem prestigeträchtigen "historischen" Vorlauf eröffnete das damalige "Landesmuseum der Provinz Westfalen" seine Sammlungen am 17. März 1908. Das heutige LWL-Landesmuseum möchte mit der kurzzeitigen Präsentation des Portraits Wilhelms II. schon einen vorgezogenen Auf-takt zum kommenden Jubiläumsjahr des Hauses markieren. Im Verlauf des Jahres 2008 wird sich dann ein vielfältiges Programm entfalten, das nicht nur 100 Jahre Geschichte des Museums rückblickend lebendig machen soll, sondern auch Neugier auf den kommenden Neubau zwischen Domplatz und Aegidiimarkt in Münster wecken wird.