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Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL)

Menschen mit Behinderung erleben die Skulpturausstellung

"Erfahren was dahinter steckt"

(lifePR) (Münster, )
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) bietet im Rahmen der Ausstellung "skulptur projekte münster 07" in Münster spezielle Rundgänge für Menschen mit Behinderungen an. Fünf verschiedene Rundgänge richten sich während der gut 100 Tage (bis 30.9.) an Menschen auch mit geistiger Behinderung. Eine Gruppe aus den Westfalenfleiß-Werkstätten in Münster hat das Angebot getestet.

Die Kinderpuppe sitzt auf einem Stuhl, ein Schirm schützt sie vor der Sonne, daneben liegt ein Buch. "Das sieht nach Urlaub aus", sagt Michael Angly. Er lächelt, während er die Installation der Künstlerin Isa Genzken betrachtet, entwickelt für die

Skulptur-Ausstellung direkt neben der Überwasserkirche in Münster. Einige Minuten später hat der 43-Jährige seine Meinung geändert. "Das ist ganz traurig", sagt er und schaut noch einmal hin. "Die Puppe ist ja ganz dreckig und sieht so alleingelassen aus."

Für Michael Angly ist diese Erkenntnis ein größerer Schritt als man bei dem stämmigen Mann mit der beigen Weste und der schwarzen Jeans vermutet. Er ist lernbehindert, seit er mit zwei Jahren eine Hirnhautentzündung hatte. Bei der unterschiedlichen Wahrnehmung hat ihm eine Führung geholfen, die auch für die erfahrene Kunstvermittlerin Christa Heistermann neu ist:
Zum ersten Mal in der Geschichte der seit 1977 alle zehn Jahre stattfindenden Ausstellung gibt es spezielle Führungen für Menschen mit Behinderung. Angly und seine Kollegen aus dem Werkstattrat von Westfalenfleiß - die gemeinnützige Firma betreibt Werkstätten, Dienstleistungsunternehmen und Wohnstätten für Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen - machen bei der ersten Führung mit.

Zustande gekommen ist das Angebot durch eine Kooperation im LWL. "Behinderte Menschen brauchen zwar Schonräume. Aus diesen Schonräumen sollen sie so oft wie möglich heraustreten können in den öffentlichen Raum - da bietet sich eine Ausstellung an, die öffentlichen Raum und Gegenwartskunst zum Thema hat", so LWL-Direktor Dr. Wolfgang Kirsch. Der LWL und die skulptur projekte entwickelten gemeinsam fünf Rundgänge, die zu ausgewählten Skulpturen in Münsters Innenstadt führen.

"Wir müssen mit den Führungen flexibler sein und auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer stärker eingehen, als wir es zum Beispiel bei einer Schulklasse tun", sagt Christa Heistermann, die schon bei den Skulptur Projekten 1987 Führungen machte. Nach erstem Zögern hat die Gruppe ihre Kunstvermittlerin anscheinend angenommen: Beherzt zieht die 21jährige Anu Lama den schwarzen Einkaufswagen mit goldenem Skulptur-Logo für Christa Heistermann, die damit einen Kassettenrekorder und andere Hilfsmittel transportiert.

Interaktion zwischen Kunstvermittlerin und Besuchern steht bei den behinderten Menschen im Vordergrund: Mit Fragen und Hinweisen ermutigt Christa Heistermann die kleine Gruppe, genau zuzuhören, zu beobachten und nachzufragen. "Glauben Sie nicht, was Sie als erstes sehen. Schauen Sie noch einmal hin", erklärt sie immer wieder. Außerdem setzt sie verschiedene Medien ein, zum Beispiel Musikstücke, die eine bestimmte Atmosphäre schaffen. Zunächst wählt die Gruppe ein fröhliches Kinderlied aus, das zur Arbeit von Isa Genzken passt. Als die Teilnehmer an der Führung aber entdecken, dass mit den Puppen etwas nicht stimmt - die Figuren sehen verwahrlost, teilweise geschlagen aus, ihre Gesichter sind mit Farbe beschmiert - entscheiden sie sich beim zweiten Hören für eine traurig-schräges Lied. "Woran erinnern sie diese Puppen noch", fragt Christa Heistermann. "An misshandelte Kinder", sagt einer und beschreibt exakt die Idee der Künstlerin. Die Gruppe wird still. Kunst kann auch traurig machen.

Solche Erlebnisse sind von den Initiatoren gewollt, die Kunstwerke auch Menschen verständlicher machen wollen, denen sie bisher verschlossen geblieben sind. In der Kunstwelt ist das Angebot in dieser Form "wahrscheinlich einzigartig", wie es Dr. Brigitte Franzen ausdrückt. "Die Führungen für Menschen mit Behinderungen zielen mitten ins Herz der Ausstellung. Denn die Ausstellung ist für alle gedacht", erklärt die Ausstellungskuratorin und Referentin am LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte.

Auch an der nächsten Station weiß Angly, der seit 26 Jahren bei Westfalenfleiß arbeitet, zunächst nicht, woran er ist. "Stupsnäschen entschlummert auf einmal", sagt er leise vor sich hin. Er schüttelt den Kopf, zuckt mit den Schultern. "Was bedeutet das?", fragt er, mehr sich selbst als in die Runde. Die gleiche Frage stellt auch Christa Heistermann, denn alle haben den skurrilen Satz gehört. Er knattert aus einem Lautsprecher, der in der Mitte einer überdimensionierten Blume sitzt, abge-sägte Surfbrettern bilden ihre Blütenblätter.

Bei Marko Lehankas Beitrag zu den skulptur projekten erzählt eine Computerstimme irritierende Geschichten mit Münster-Bezug. Die Gruppe schließt die Augen, um besser zuhören zu können: Busse, Taxis, Passanten, der Presslufthammer auf der Baustelle am Kaufhaus gegenüber. "Das ist eine tolle Sache", sagt Michael Angly, als er die Augen wieder öffnet. "Die Blume ist schön bunt und die Geschichten sind ein bisschen verrückt, aber interessant."

Für Michael Angly hat sich die Tour gelohnt, sagt er. Er kannte zwar auch zuvor schon ein paar ältere Skulpturen, wie "die Kugeln am Aasee oder die Kirschen". Die Arbeiten von Claes Oldenburg und Thomas Schütte sind mittlerweile Wahrzeichen der Stadt, an denen Angly, der in einer eigenen Wohnung in Münster lebt, oft vorbeikommt. Ziel gerichtet zu Skulpturen ist er aber bisher nicht gegangen. Das ändert sich nun, sagt er. "Ja klar, das war doch richtig spannend, wenn man erfährt, was dahinter steckt", erklärt er. "Ich werde das auf jeden Fall den Kollegen in der Werkstatt erzählen. Die sollen sich das ruhig auch mal angucken."

Der LWL unterstützt die besonderen Kunsterlebnisse neben seinem Engagement als Träger der Ausstellung mit bis zu 30.000 Euro. Jeder Gruppenrundgang wird mit 30 Euro subventioniert: Für maximal 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kostet ein Rundgang 60 statt 90 Euro (für Kinder und Jugendliche 30 statt 60 Euro).
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