Pflanzen haben eine ganz besondere Bedeutung für uns Menschen. Wir verwenden sie als Nahrung, Werkstoff, Heilmittel, Energie- und Sauerstofflieferant oder Schmuck. Alltäglich sind wir von Pflanzen und pflanzlichen Stoffen umgeben und auch abhängig. Sie sind begehrte Fotomotive und auf zahlreichen Gemälden berühmter Künstler verewigt. Bei besonderen Anlässen verschönern sie unser Leben als Blumendekoration. Wir fühlen uns wohl, wenn wir von Pflanzen umgeben sind – oftmals ohne es überhaupt zu merken.
Die Welt der Pflanzen kennen lernen
Die neue LWL-Sonderausstellung versucht auf über 1.000 Quadratmetern die Bedeutung von Pflanzen für unser tägliches Leben zu erklären. „Ziel der Ausstellung ist es, mit ihren über 1.000 Objekten einige der unzähligen Aspekte über Pflanzen anschaulich und leicht verständlich vorzustellen. Wir ermöglichen Einblicke in die oftmals verborgene Welt der Pflanzen“, sagt Dipl.-Landschaftsökologin Katharina Crazius. Sie hat zusammen mit Dr. Bernd Tenbergen das Konzept für die Ausstellung entwickelt. Die Idee zur Ausstellung entstand unter anderem aus dem Wissen, dass das LWL-Museum für Naturkunde die größte botanische Sammlung Nordrhein-Westfalens besitzt.
Auf eine tiefgehende, rein wissenschaftliche Darstellung hat das Team vom Naturkundemuseum jedoch bewusst verzichtet. Statt dessen betrachtet die Ausstellung die vielfältigen ökologischen Wechselbeziehungen zwischen Menschen, Tieren und. Crazius: „Neben biologischen Themen finden kulturgeschichtliche und regionale Aspekte eine besondere Beachtung. So lässt sich Wissenswertes über die Welt der Heilpflanzen und wichtigen Kulturpflanzen erfahren. Abstecher in die Stammesgeschichte der Pflanzen sowie ein Blick in die Innenwelt einer Pflanzenzelle ergänzen die Ausstellung.“ Auch werden Themen wie tierische Pflanzenfresser und aktuelle Entwicklungen in der Land- und Forstwirtschaft angesprochen. „Die Gedankenwelt unserer Vorfahren war reich versehen mit Mythen und Anekdoten. Einblicke in die Symbolik und Mythologie der Pflanzen runden das Gesamtbild der Ausstellung ab“, ergänzt Tenbergen.
Drei Ausstellungsbereiche zu Menschen, Pflanzen, Geschichten
Dr. Tenbergen erklärt, wie die Ausstellung aufgebaut ist: „Drei verschiedene Ausstellungsbereiche geben Einblicke in den Facettenreichtum und die Vielfalt botanischer Themen. Sie erzählen von den Pflanzen selbst, von den Geschichten um sie herum und von dem Bezug zum Menschen.“
Die Ausstellung beginnt mit der Biologie der Pflanzen. Sie erklärt den Aufbau und die Fortpflanzung von Pflanzen. Anhand der Fotosynthese zeigt die Schau, warum ein Leben auf der Erde ohne Pflanzen nicht möglich ist.
Im zweiten Abschnitt geht es um die Frage: Was machen wir Menschen aus Pflanzen? Nutzpflanzen, wie etwa Getreide, Obst, Gemüse und Ölpflanzen oder nachwachsende Rohstoffe und die medizinisch wirksamen Inhaltsstoffe der Pflanzen werden angesprochen. Die Ausstellung zeigt auch, wie Menschen die Pflanzen als Holz-, Faser- und Gummilieferant nutzen.
Im dritten Ausstellungsteil dreht sich alles um das Thema: Pflanzen schreiben Geschichte(n). Weltweit haben Botaniker bis heute etwa 400.000 Pflanzenarten entdeckt. Alle tragen einen Namen nach einem von Carl von Linné (1707 – 1778) entwickelten System. Dieses Jahr ist das 300. Geburtsjahr Linnés. Sein Wirken hat Spuren in Westfalen hinterlassen. Einige dieser Spuren finden sich im Herbarium, der botanischen Sammlung des LWL-Museums für Naturkunde, wieder. In der Ausstellung werden die Spuren Linnés weiter verfolgt.
Ungewöhnliches – Stiel-Eiche
Als besonderen Höhepunkt der Pflanzenwelten beschreiben Crazius und Tenbergen einstimmig die Nachbildung der über fünf Meter hohen und 1,20 Meter dicken Stiel-Eiche. Die Eiche entstand nach einer Idee von Crazius und ist im oberen, ersten Ausstellungssaal zu sehen. Der Baum nimmt im Saal die komplette Raumhöhe von über fünf Metern ein. Erkennbar sind der Stamm und ein Teil seiner mit über 10.000 Blättern ausgestatteten Krone. Dass der Baum nicht echt ist, sieht man ihm keineswegs an. Ausgestattet mit echtem Moos und zahlreichen versteckten Tieren, scheint er direkt aus dem Boden des Raumes gewachsen zu sein. Die Original-Eiche steht auf der Kanalinsel in Senden (Kreis Coesfeld). Der Baum wurde abgegossen und im LWL-Museum in mühevoller Kleinarbeit innerhalb von rund sechseinhalb Monaten wieder zum Leben erweckt.
Wertvolles – Xylothek und Artzneyschatz
Die wertvollsten Ausstellungsobjekte sind gleichzeitig auch zwei Kuriositäten: Die über 80 Bände der „Xylothek“ und „Schröders Artzneyschatz“. Bei der Xylothek handelt es sich um eine so genannte Holzbibliothek, eine Zusammenführung von Holzprobe und Herbarium, in Form eines aufschlagbaren Buches. Die Holzbibliothek kommt als Leihgabe aus dem Schloss in Bad Berleburg (Kreis Siegen) und stammt aus dem 18. Jahrhundert. Es handelt sich dabei um die einzige Holzbibliothek dieser Art in Nordrhein-Westfalen. Sie ist erstmals im Naturkundemuseum Münster in ihrer Vollständigkeit zu sehen. Die Bücher sind mit ca. 19,4 x 12,8 cm alle gleich groß und baugleich. Jede Gehölzart hat eine eigene Kassette in Buchform. Auf Moos gebettet finden sich darin die kennzeichnenden Pflanzenteile wie Blätter, Früchte, Blüten und ein Sämling sowie Quer- und Radialschnitte durch einen Ast. Ein Stück Holzkohle, ein Würfel definierten Gewichts zur Bestimmung der Holzdichte, Blütenstaub sowie ein Wurzelstück gehören ebenfalls ins Buch.
Johann Schröder (1600–1664), der aus Salzuflen stammt, verfasste mit dem „Artzneyschatz“ das erste Arzneibuch in deutscher Sprache und schuf damit das wichtigste Standardwerk der deutschen Medizin des 17. Jahrhunderts. 1641 erschien der „Artzneyschatz“ und war über 100 Jahre mit großem Erfolg in Gebrauch. Der Artzneyschatz der sich in fünf Bücher gliedert, umfasst mehr als 1.500 Seiten und enthält 48 Kupfertafeln, davon 44 mit Pflanzendarstellungen. Darin können die unterschiedlichen Strömungen der Pharmazie der damaligen Zeit festgestellt werden. So führte Schröder u. a noch 24 Arzneimittel gegen sogenannte „Zauber-Krankheiten“ auf. Das LWL-Naturkundemuseum zeigt in seiner Ausstellung die sehr seltene Ausgabe von 1709 als Leihgabe aus dem Medizin- und Apothekenhistorischen Museums Rhede (Kreis Borken).
Vergrößertes – Blüten-, Blatt- und Zellmodelle
Kleines und teilweise Unscheinbares einmal riesengroß zeigen, das möchte das LWL-Naturkundemuseum mit seinen Zell-, Blüten- und Blattmodellen. Die Besucher können durch eine Pflanzenzelle in 350.000-facher Vergrößerung hindurchgehen. Alle Zellbestandteile sind beleuchtet. Das von rund einem Zentimeter auf zweieinhalb Meter vergrößerte Modell einer Wiesenschaumkrautblüte, zeigt anschaulich den Aufbau der Blüte einer Samenpflanze. Ein auf rund 1,70 Meter vergrößertes Blatt gewährt über Lupen Einblicke ins Innere.
Stämmiges – Hölzernes Balkendiagramm
Eine der über 30 ungewöhnlichen Inszenierungen der Ausstellung, zeigt verschiedene Holzstämme. Nichts besonderes auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick stellt sich diese Präsentation jedoch als ein hölzernes Balkendiagramm heraus. Die Wälder in Westfalen-Lippe setzen sich aus unterschiedlichen Baumarten zusammen. Die Höhe der ausgestellten einzelnen Baumstämme, wie Fichte, Buche, Eiche, Kiefer oder Lärche usw. zeigen an, wie hoch der jeweilige Flächenanteil einer Baumart ist. Die Stämme stammen aus dem Wolbecker Tiergarten. Mit vier Metern ist der 200 Kilogramm schwere Stamm der Fichte das größte Objekt dieses Balkendiagramms.
Monumentales – Baumriesen
Wie mächtig oder auch skurril Bäume werden können, zeigen vier schwarzweiße Großfotos. Die Fotovorlagen sind bereits über 80 Jahre alt. Sie stellen Baumriesen vor, die heute als Naturdenkmäler geschützt sind. Die Feme-Eiche aus Raesfeld-Erle (Kreis Borken) zählt mit vermutlich über 1.300 Jahren zu den ältesten Baumdenkmälern Deutschlands. Die Hexenbuchen in der Hohen Mark bei Haltern (Kreis Recklinghausen) wachsen besonders krüppelig. Die Marienlinde aus Telgte (Kreis Warendorf) auf dem Foto prachtvoll anzusehen, existiert heute nur noch in Überresten. Und die „Dicke Eiche“ aus Hopsten (Kreis Steinfurt) ist eine der ältesten Bäume des Münsterlandes.
Verrauchtes - Tabak in Westfalen
Die Tabakverarbeitung hat, insbesondere in Westfalen, eine lange Tradition. Die westfälische Tabakindustrie, mit ihrem Schwerpunkt in Bünde, hat sich dabei seit langem auf die Herstellung von Zigarren spezialisiert. Daher zeigt das LWL-Museum in einem kleinen Ausstellungsteil Tabakpflanzen und einige handwerkliche Gegenstände zur Herstellung von Zigarren. Die Leihgaben stammen von der Zigarrenfabrik Schuster aus Bünde (Kreis Herford).
Versteinertes –Stein gewordene Vorfahren Die ältesten Objekte der Ausstellung sind versteinerten Pflanzen. So etwa der Schuppenbaum-Zweig aus Hagen-Vorhalle (Kreis Hagen). Er stammt aus dem Karbon und ist zwischen 350 und 290 Millionen Jahre alt. Ein weiteres Beispiel ist der beblätterte Spross eines Calamophyton aus Lindlar im Rheinland. Der Spross stammt aus dem Devon und ist zwischen 410 und 350 Millionen Jahre alt.
Das LWL-Museum für Naturkunde, an der Sentruper Str. 285, bietet zur neuen Sonderausstellung eine Erwachsenenführung für Gruppen (nach Voranmeldung) an. Außerdem gibt es verschiedene museumspädagogische Angebote. Die Angebote reichen vom Vorschulalter bis zur Klasse 10. Informationen zur Erwachsenenführung und zu den museumspädagogischen Programmen der Ausstellung gibt es unter Telefon 0251 591-05.
Zur Sonderausstellung ist ein gleichnamiges Begleitbuch (155 Seiten, 14,90 Euro, ISBN 978-3-924590-93-2) erschienen. Das Buch ist im Museumsshop erhältlich.
Das LWL-Museum für Naturkunde in der Sentruper Str. 285 hat Dienstag bis Sonntag von 9 bis 18 Uhr geöffnet.
Eintrittspreise:
Erwachsene: 3,50 Euro Minderjährige: 2,00 Euro Familientageskarte: 8,00 Euro Gruppenangebote und sonstige Ermäßigungen auf Anfrage