Herr Professor Hoffmann von der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald hat in seinem Vortrag
„Gesundheitsland M-V: Datenschutz tut gut“ auf den notwendigen Ausgleich der Interessen des Einzelnen und den gesamtgesellschaftlichen Interessen an wissenschaftlicher Forschung hingewiesen. Der Einzelne erwartet, dass seine personenbezogenen Daten geschützt werden.
Die medizinische Forschung benötigt jedoch eine solide Datenbasis, um relevante Fragen beantworten zu können. Die Datenbasis muss bei Längsschnittuntersuchungen zumindest pseudonymisierte Daten enthalten, um Ereignisse dem jeweiligen Individuum zuordnen zu können. Dazu wurden beispielsweise von Forschungsverbünden so genannte Kompetenznetze gebildet, die es ermöglichen, die individuelle Entwicklung von Krankheiten zu beobachten, ohne dabei die Patienten identifizieren zu müssen. Bei regionalen Projekten, die beispielsweise vom Bereich „Community Medicine“ der Universität Greifswald realisiert werden, gibt es auch gegenüber den Kompetenznetzen weniger komplexe und komplizierte datenschutzrechtliche Lösungen, wie gerade das Projekt „Inflammatorische Kardiomyopathie“ zeigt. Um eines kommt man bei solchen Projekten jedoch nicht umhin: Die Daten der Betroffenen dürfen in aller Regel nur mit ihrer Einwilligung personenbezogen oder pseudonymisiert verarbeitet werden. Patienten sind nach allgemeiner Erfahrung eher bereit, ihre Daten der Forschung zur Verfügung zu stellen, wenn ein behandelnder Arzt ihnen den Zweck erläutert.
Frau Dr. Bunge, Mitglied des Bundestages und Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages, hat in ihrem Beitrag die Erwartungen herausgestellt, die Patientinnen und Patienten mit der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte verbinden und gleichzeitig die Risiken benannt, die dadurch entstehen können. Diese Risiken sind gegenwärtig durch eine entsprechende Regelung im Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) gebändigt - § 291a Abs. 8.
So darf vom Inhaber der Karte nicht verlangt werden, dass er sie einer im Gesetz nicht genannten Personengruppe vorlegt – beispielsweise darf ein potenzieller Arbeitgeber eine Einstellung nicht davon abhängig machen, dass der Bewerber den Zugriff auf die Daten der Gesundheitskarte freigibt. Auch dürfen die Inhaber der Karte nicht bevorzugt oder benachteiligt werden, weil sie einen Zugriff auf freiwillig gespeicherte Daten bewirkt oder verweigert haben.
Damit sind gerade die Forderungen der Datenschutzbeauftragten umgesetzt worden. Es bleibt jedoch die Skepsis, ob und wie lange die gesetzliche Regelung Bestand haben wird.
Herr Beyer von der Projektentwicklungsgesellschaft der Gesundheitskarte (gematik) hat auf Grund seiner profunden Kenntnis der Materie die Arbeiten zur Einführung der Gesundheitskarte dargestellt. Es handelt sich in der Tat um ein hochkompliziertes und hochkomplexes Gebilde. Im praktischen Betrieb wird die spannende Frage beantwortet werden müssen, ob jeder Karteninhaber in der Lage ist, seine Daten zu verwalten und die hochdifferenzierten Zugriffsrechte zu vergeben.
Frau Dr. Kotschy, Leiterin der Österreichischen Datenschutzkommission, hat einen interessanten Einblick in die dortige Entwicklung des „Elektronischen Gesundheitsakts“ (ELGA) gegeben.
Dieses Konzept unterscheidet sich von der elektronischen Gesundheitskarte in Deutschland, weil die e-card in Österreich die Aufgabe einer Identitätskarte erfüllt. Sie ist signaturtauglich, mit ihr kann also im Internet unterschrieben werden, und wird daher auch im E-Government-System verwendet.
Die Kurzreferate am Nachmittag gaben einen interessanten Einblick in verschiedene Projekte.
Folgende Projekte wurden vorgestellt:
- Erfahrungen mit der elektronischen Gesundheitskarte in der Testregion Flensburg,
- Einsatz des elektronischen Heilberufsausweises in Krankenhäusern,
- Vernetzung des ambulanten mit dem stationären Bereich am Beispiel des Einweiserportals,
- internetbasierte Lösung zur gemeinsamen Dokumentation von Ereignissen bei einer bestimmten Krankheit durch den Arzt und durch den Patienten,
- Möglichkeiten zur Verbesserung der Krebsdokumentation in Mecklenburg-Vorpommern,
- Forschungsprojekt zur Erhöhung der Teilnahmequote am Mammographie-Screening,
- Telemedizinnetzwerk der Pomerania.
Die Fachtagung wurde mit einer Podiumsdiskussion unter Leitung des Rektors der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Herrn Professor Westermann, abgeschlossen.
Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Mecklenburg-Vorpommern, Karsten Neumann, betonte in seinem Schlusswort die grundsätzliche Bedeutung des Datenschutzes für eine vertrauensvolle Arzt-Patient-Beziehung. „Ärzte dabei zu unterstützen, dass sie ihre Pflicht zur Verschwiegenheit beachten und den Datenschutz einhalten, ist unter anderem eine Beratungsaufgabe der Datenschutzaufsichtsbehörden sowie der Kammern der Heilberufe und Vereinigungen der Ärztinnen und Ärzte. Auf diesem Feld gibt es noch Reserven, insbesondere weil in Mecklenburg-Vorpommern die entsprechenden Angebote des Datenschutzes an die Kammern und Vereinigungen noch nicht aufgegriffen worden sind“, so Neumann. „Zugleich erzwingen die technischen und organisatorischen Entwicklungen gerade im Medizinbereich eine grundsätzliche Fortentwicklung des Datenschutzrechts. Die so genannte „informierte Einwilligung“ der Patienten kann ihre Funktion in immer komplizierter werdenden Prozessen als Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung allein nicht mehr erfüllen. Deshalb müssen Datenschutzstandards zu staatlich überwachten Zulassungskriterien für Technik, Verfahren und Unternehmen entwickelt werden“, so Neumann zum Ende der Fachtagung.