Vor über 60 Jahren entwickelte Fastenpionier Dr. Erich von Weckbecker sein Vier-Säulen-Konzept zur Prävention und Therapie von akuten und chronischen Zivilisationerkrankungen. Seitdem werden in Bad Brückenau in der, nach seinem Gründer benannten Malteser Klinik u.a. Patienten mit Herz-Kreislauferkrankungen, Magen-Darm-Leiden und Leber-Beschwerden, chronischen Schmerzzuständen, rheumatischen Einschränkungen, aber auch psycho-vegetative Belastungen stationär versorgt.
„Der freiwillige Verzicht auf feste Nahrung – das so genannte Heilfasten – stellt dabei ein erstaunlich wirksames Therapeutikum dar“, so die langjährige Erfahrung von Chefarzt Dr. Rainer Matejka (64). „In unserer Klinik wird inzwischen überwiegend zehn Tage klassisch gefastet. Zusätzlich bieten wir das populäre Intervallfasten '16 zu 8'. Dabei wechseln sich 16 Fasten-Stunden mit acht Stunden gesundem Essen ab.“
Obwohl kaum ein Patient zur reinen Gewichtsreduktion in die Klinik kommt, freuen sich viele Fastende über den positiven Nebeneffekt, während des Klinikaufenthalts ein paar überflüssige Pfunde zu verlieren. „Wer nach der Kur allerdings weitermacht wie zuvor, muss allerdings damit rechnen, dass er rasch wieder zunimmt,“ bremst Dr. Matejka, Spezialist für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren, zu hohe Erwartungen. „Wie bei allen kurzfristigen Diäten droht dann ein Jo-Jo-Effekt, wenn man schnell ins ,alte Fahrwasser‘ zurücktreibt.“
Andererseits stellt der Klinik-Aufenthalt im Generellen und das Heilfasten im Speziellen eine besondere Chance dar, die bisherigen Ernährungs- und Lebensweisen zu überdenken, den Lebensstil zu ändern und so auf Dauer ganzheitlich Gewicht zu reduzieren. Die Umstellung des Stoffwechsels, der „Metabolic switch“, führt dabei nicht nur zum Abschmelzen überflüssiger Pfunde, sondern hat auch einen nachweisbaren positiven Gesundheitseffekt. Drei Fragen dazu an den Experten:
Lieber Herr Dr. Matejka, wie kann mich Heilfasten meinem Wunschgewicht näher bringen?
Richtiges Heilfasten ist viel mehr, als nur der bloße Verzicht auf feste Nahrung. Natürlich entlastet Heilfasten den Körper – zum Beispiel von der anstrengenden Verdauungsarbeit.
Heilfasten entlastet aber auch die Seele. Einerseits durch das Aufbrechen eines durch vielfältige Sachzwänge getakteten Alltags. Andererseits durch die fastenbedingte Änderung des Botenstoffwechsels im Gehirn. Viele Patienten in unserer Klinik haben mir vom „Fasten-High“ berichtet, das oft nach dem fünften Tag einsetzt und den Blick auf „eigenen Dinge und Probleme“ klärt.
So eignet sich Fasten hervorragend als nachhaltiger Wendepunkt in einer bis dato dickmachenden Lebensweise und als starker Impuls für die Änderung der Ernährungs- und Bewegungsgwohnheiten.
Welcher Zusammenhang besteht zwischen Heilfasten und besserer Ernährung?
Ja, in der Malteser Klinik beobachten wir immer wieder, dass ein längerer Nahrungsverzicht wie ein „Geschmacks-Reset“ wirkt: der Wechsel zu einer möglichst naturbelassenen, hochwertigen Ernährung nach mediteranem Vorbild mit viel frischem Gemüse und hochwertigen Fetten wird nach der Fastenzeit nicht als Beschränkung, sondern als bereichernd und genussvoll erlebt.
Das ist für uns Ärzte auch therapeutisch sinnvoll: Gesunde Ernährung kommt nicht nur der Figur zugute, sondern wirkt antirheumatisch, antientzündlich und antidepressiv – alles wichtige Faktoren, um die Patienten zurück in die Bewegung zu bringen und so den Fastenerfolg nachhaltig zu stabilisieren. Für die Ernährung danach kommt es besonders auf die möglichst reduzierte Abendmahlzeit an, weil üppiges Essen am Abend auf eine schlechtere Glucosetoleranz des Körpers trifft. Die Folge, der Körper produkziert mehr Insulin, das dann wie eine Art Masthormon wirkt und verstärkt Fett aufbaut.
Gibt es auch einen direkten Gesundheitseffekt während des Abnehmens?
Ja, wir nennen das den „Metabolic Switch“, der ungefähr zwischen der 13ten bis 16ten Fastenstunde bei jedem von uns einsetzt. Der Körper verbrennt dann statt Kohlenhydraten Fettsäuren, greift auf seine eingelagerten Reserven zurück.
Hinzu kommt: im Rahmen der Fettsäureverbrennung wird auf zellulärer Ebene die Autophagie, eine Art Selbstreinigungsprozess, angeregt. Dabei werden nicht mehr benötigte Stoffwechselreste ausgeschleust und die Zellerneuerung bescheunigt.
Lange Zeit hielt man Fettgewebe bloß für einen langweiligen, biologischen Energiespeicher. Heute wissen wir, dass Fett ein sehr aktives Gewebe ist, in dem dutzende Botenstoffe gebildet werden.
Wer zu viel Fett mit sich herumschleppt, dem droht das „metabolische Syndrom“. Also Bluthochdruck, Gefäßverkalkung, Diabetes und Gicht. Weitgehend unbekannt: Fett nährt mit seinen Botenstoffen auch bösartige Zellen. Übergewichtige und gerade Diabetiker erkranken zwischen 40 und 100 Prozent öfter an Brust- und Dickdarmkrebs.
Lieber Herr Doktor Matejka, vielen Dank für das Gespräch!
Hintergrund: Die Malteser Klinik von Weckbecker wurde im Jahr 1954 eröffnet. Im Herzen der Rhön am Rande der bayerischen Stadt Bad Brückenau wird wissenschaftlich anerkannte Naturheilkunde kombiniert mit moderner Schulmedizin eingesetzt.
Bis heute fühlen sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den traditionellen Werten des Gründers und Namensgeber der Klinik, Dr. med. Erich von Weckbecker (1920–2005) verpflichtet: Geprägt durch eigene Krankheit in Jugend- und Studienzeit und motiviert durch Genesung dank traditioneller Heilmethoden wandte sich der Arzt der Naturheilkunde zu, entwickelte sein bis heute gültiges Vier-Säulen-Konzept für Gesundheit und Lebenslust.
Dr. Rainer Matejka war in den Jahren 1990 bis 1993 als Schüler von Dr. Erich von Weckbecker an der Klinik tätig. 2016 übernahm er die Ärztliche Leitung.