In diesem Land fühlt sich fast jeder zweite Erwachsene chronisch krank – so das alarmierende Ergebnis einer Erhebung des Instituts für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität Frankfurt (Main), das gerade erst im September 2020 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. „Zählt man zur verringerten Lebenserwartung die Zeit mit gesundheitlichen Einschränkungen hinzu, müssen wir hierzulande Jahr für Jahr rund 25 Millionen verlorene Lebensjahre durch bislang unheilbare Krankheiten beklagen“, so die Autoren der Universitätspublikation.
Tatsächlich ist der Umgang und das Leben mit einer chronischen Erkrankung gleich auf mehreren Ebenen eine Herausforderung – so die Erfahrung von Dr. Rainer Matejka (64). Der Chefarzt der Malteser Klinik von Weckbecker in Bad Brückenau ist seit vielen Jahren durch seine ärztliche Tätigkeit in der Akutmedizin, ganzheitlich orientierten Reha-Kliniken und der eigenen Tagesklinik in Kassel-Wilhelmshöhe regelmäßig mit Patienten konfrontiert, deren anhaltende Krankheitslast nicht bloß Schmerzen verursacht und die individuelle Lebensqualität mindert, sondern auch zu Arbeitsunfähigkeit und Frühberentung, intensiver Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen und einer früheren Sterblichkeit führt.
„Der geflügelte Satz ,Damit müssen Sie leben‘ hilft weder uns Ärzten, noch unseren Patienten bei Rheuma, Gelenkverschleiß, Diabetes, Bluthochdruck, entzündliche Darmerkrankungen, Hauterkrankungen wie Schuppenflechte oder Neurodermitis, Parkinson oder Multiple Sklerose weiter,“ weiß der Ehrenpräsident des Deutschen Naturheilbundes und Vorstandsmitglied der Ärztegesellschaft Heilfasten und Ernährung. „Viele Kollegen träumen von einer Art ,Superpille‘, mit der die diversen Beschwerden auf einen Schlag gelindert werden könnten – und übersehen, dass die Naturheilkunde über so ein Heilmittel seit langem verfügt – ich meine das Fasten!“
Der Facharzt für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren und biologische Medizin hat im vergangenen Jahr ein Buch (”Fasten heilt“ ISBN 3432111630, EAN 9783432111636) veröffentlicht. Darin beschreibt er, welche Selbstheilungskräfte der therapeutische Verzicht auf feste Nahrung im Körper freisetzen kann. Damit es weitergeht, wenn der Arzt nicht weiterweiß – drei Fragen an den Fastenexperten:
Herr Dr. Matejka, chronische Krankheiten überdauern Jahre, oft gar Jahrzehnte. Wann ist der beste Zeitpunkt, es mit Heilfasten zu probieren?
Für mich ist wichtig, dass meine Patienten eine klare, schulmedizinische Diagnose haben, auf die ich als Fastenarzt aufbauen kann. Unklare Herzbeschwerden, diffuse Verdauungsbeschwerden, unerklärliche Gelenkschmerzen zum Beispiel sollten sauber diagnostiziert und ggf. schulmedizinisch erstbehandelt worden sein. Wenn die Leitlinien-gerechte Therapie nicht zum gewünschten Ergebnis führt (aber auch zur Linderung belastender Nebenwirkungen), kann Fasten ein zupackendes, breitwirksames, gut verträgliches Heilverfahren sein.
Was macht Heilfasten so wirksam?
Im Gegensatz zum Hungern wird beim therapeutischen Verzicht auf feste Nahrung dem Körper durch Gemüsebrühen, Obst- oder Gemüsesäften, gezielt geringe Mengen Energie zugeführt, die wichtige Stoffwechselprozesse unterstützen. Heilfasten regt die Autophagozytose – zu deutsch Zellreinigung – an; die Kur wirkt nachgewiesen antientzündlich, stoffwechselentlastend und beruhigend aufs vegetative Nervensystem. Belastungen für den Kreislauf, aber auch für die Seele werden abgebaut. Nachgewiesen positive Effekte gibt es auch für die Leber, die Haut, den Darm. Und nicht zu vergessen: die Seele!
Bei welcher Erkrankung ist Fasten aus Ihrer Sicht nicht hilfreich?
Manifeste Krebserkrankungen sollten nicht mit Heilfasten behandelt werden. Die dahinterstehende Idee vom Aushungern der Tumore bzw. der Tochtergeschwülste (Metastasen) sehen wir Fastenärzte eher kritisch. Die bösartigen Zellen sind wahre Meister darin, sich die zum Wachsen notwendige Energie zu holen. Ausleitende Verfahren wie längeres Heilfasten schwächen in einer solchen Situation eher den Körper. Nach meiner Erfahrung ist es hier besser mit gelegentlichen Entlastungs- oder Intervallfastentagen und gezielten Aufbauinfusionen den Körper im schulmedizinischen Kampf gegen den Krebs (also Operation, Chemotherapie, Bestrahlung) zu unterstützen.
Lieber Herr Doktor Matejka, vielen Dank für das Gespräch!