Der unüberhörbare Hilferuf
Das Auge führt den Menschen in die Welt - das Ohr bringt die Welt in den Menschen. Es gilt als das wichtigste Sinnesorgan, da es bereits vor der Geburt funktioniert und bis zum letzten Atemzug den sinnlichen Klang in sinnhafte Wahrnehmung verwandelt. Angesichts der dramatischen Ausbreitung des Tinnitus aurium - lat. für "Ohrenklingeln" - könnte man hier die unüberhörbare Antwort der gestressten Seele auf allgegenwärtigen Lärm, auf den Verlust von Geborgenheit und Sinnlichkeit, auf die überzogenen Leistungsanforderungen der technisierten Welt vermuten.
Ohrgeräusche sind zwar nur ein Symptom, können den Menschen aber auf Dauer durchaus krank machen. Der Arzt und Fachautor Dr. med. Eberhard J. Wormer erzählt die Geschichte des Tinnitus so umfassend wie aktuell. Mit ausführlichen Informationen über die Funktionsweise des Gehörs, über Wesen, Ursachen, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten von Ohrgeräuschen erhalten Betroffene praktische Hilfe zur Bewältigung des Tinnitus-Problems.
Vom Propheten bis zum Popstar - Prominente Leidensgenossen
Tinnitus hat es schon immer gegeben. Das belegen zahlreiche Beschreibungen von Ohrgeräuschen in literarischen, künstlerischen, medizinischen und wissenschaftlichen Werken der vergangenen Jahrhunderte. Bereits die babylonischen Keilinschriften und ägyptischen Papyri erwähnen den rätselhaften Ohrenklang, der als Zeichen seherischer Begabung galt. Die antiken Ärzte bezogen die verschiedenen Symptome auf eine reizbare Empfindlichkeit des Gehörsinns und auf Gehirnkrankheiten, die sie mit abenteuerlichen Methoden zu behandeln suchten.
Empfindsame Dichter und Denker, wie z. B. Rousseau oder E. T. A. Hoffmann, schilderten Merkmale, die noch heute für die Diagnostik maßgeblich sind: plötzliches Auftreten, unterschiedliche Geräuschphänomene, beunruhigend wahrgenommene Lautstärke, Hörminderung, Schwerhörigkeit - bis hin zu Suizidgedanken. Schlimm erging es Musikern und Komponisten, die den Tinnitus als akustisches Inferno erlebten. Die berühmtesten Opfer waren Beethoven und Schumann, in jüngerer Zeit u. a. Pete Townshend und Eric Clapton. Gemeinsam ist allen, dass nur die Betroffenen selbst den Tinnitus wahrnehmen und sich der Leidensdruck dadurch noch erhöht.
Tinnitus-Retraining - Gehirn und Gehör umprogrammieren
Was ist da los im Kopf? Woher kommen die Ohrgeräusche? Wie entsteht ein Tinnitus? Bekommt man ihn wieder weg oder muss man damit leben? Gibt es wirksame Mittel gegen chronische Ohrgeräusche? Obwohl keine spezifische Therapie bekannt ist, kann man doch selbst eine ganze Menge tun, um das unbekannte Leiden in den Griff zu bekommen: "Je mehr Aufmerksamkeit Ohrgeräusche bekommen, umso größer ist die Gefahr, dass sie sich als 'Tinnitus-Gedächtnis' im Kopf dauerhaft einnisten. Aus diesem Grund besteht die erfolgreichste Anti-Tinnitus-Strategie darin, sich gewissermaßen an die Ohrgeräusche 'zu gewöhnen'. […] Viele Betroffene profitieren davon, dass sie mit Geduld und Zuversicht ihr Gehirn so 'umprogrammiert' haben, dass der Tinnitus keine Rolle mehr spielt - oder sogar verschwindet."
Dr. Wormer ist davon überzeugt, dass eine erfolgreiche Tinnitus-Therapie den ganzen Menschen mit einbeziehen muss: Körper, Psyche und Seele. Ein erfolgreiches Konzept in diesem Sinn kann etwa die Tinnitus-Retraining-Therapie sein: Dabei versucht man, mit dem Ohrgeräusch verbundene Strukturen im Großhirn zu verändern. Ein erster Schritt dazu ist das Verständnis von Hörprozessen im Ohr und im Gehirn – die Versachlichung des "Dämons" Tinnitus.
Buch-Tipp:
Dr. med. Eberhard J. Wormer: Tinnitus. Wie Ohrgeräusche entstehen und wie man sich davon befreit. Mankau Verlag, 1. Aufl. Mai 2015, Klappenbroschur, zweifarbig, 16,5 x 22,4 cm, 190 Seiten, 14,95 Euro (D) / 15,40 Euro (A), ISBN 978-3-86374-218-8.
Link-Empfehlungen:
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