Hintergrund für diese Entscheidung sind die jüngsten wissenschaftlichen Berechnungen des Internationalen Rates für Meeresforschung (ICES): Demnach ist der Nordsee Kabeljau-Bestand, der zuletzt als gesund galt, unter seine nachhaltige Mindestbestandsgröße gesunken und liegt nun mit 81.224 Tonnen deutlich unter seinem Zielwert für eine gesunde Bestandsgröße (150.000 Tonnen).
„Der MSC Umweltstandard schließt die Befischung von Beständen, die keine nachhaltige Größe haben und in ihrer Regeneration beeinträchtigt sind, aus. Dies ist nach neuesten wissenschaftlichen Berechnungen beim Kabeljau in der Nordsee leider der Fall”, so Stefanie Kirse, Leiterin des MSC in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Diese Suspendierung ist zwar ein schwerer Schlag für die Industrie, aber sie ist auch ein Beleg dafür, dass unser Umweltstandard greift und der Schutz der Bestände oberste Priorität hat.”
Kabeljau gehört in Deutschland zu den zehn beliebtesten Speisefischen. Der hier erhältliche Kabeljau stammt aus der Nordsee, aber auch aus anderen Meeren, etwa aus isländischen Gewässern oder der Barentssee. Ob der Kabeljau im Kühlregal aus nachhaltiger Fischerei und einem gesunden Bestand kommt, können VerbraucherInnen am blauen MSC-Siegel erkennen. Der Kabeljau aus der Nordsee wird das Siegel für alle Fänge ab dem 24. Oktober nicht mehr tragen.
Die Folgen des Klimawandels im Meer
Die Ursachen für den Rückgang des Kabeljaubestands sind noch nicht vollumfassend geklärt – doch Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Erwärmung der Nordsee und die damit verbundene schwache Nachwuchsproduktion eine wichtige Rolle spielen.
In jüngster Vergangenheit waren schon andere heimische Fischarten in ähnlicher Weise von den Folgen der Meereserwärmung betroffen, etwa der Heringsbestand in der westlichen Ostsee.
„Die Meere sind ein dynamisches und sich ständig veränderndes Ökosystem. Die Veränderungen im System beschleunigen sich jedoch durch den Klimawandel erheblich. Das wird uns beim Ringen um eine weltweit nachhaltige Fischerei vor enorme Herausforderungen stellen”, so Hans Nieuwenhuis, Klimaexperte und Nordeuropa-Direktor des MSC.
Zwei Dinge sind daher für die Zukunft entscheidend: „Wir müssen genauer verstehen, welche Auswirkungen der Klimawandel auf das Leben im Meer und auf die Fischerei hat. Und wir müssen die Fangaktivitäten von Fischern weltweit mehr denn je kontrollieren, um auch unter erschwerten Umweltbedingungen eine Überfischung von Beständen effektiv zu verhindern”, so Nieuwenhuis.
Nordsee Kabeljau: eine Historie mit Höhen und Tiefen
Die Geschichte des Nordsee Kabeljaus ist eine von Höhen und Tiefen. In den 1970er Jahren lag seine Bestandsgröße bei 270.000 Tonnen – bis zum Jahr 2006 war sie auf alarmierende 44.000 Tonnen gesunken. In den folgenden zehn Jahren konnte sich der beliebte Speisefisch dann dank umfangreicher fischereilicher Schutzmaßnahmen sukzessive wieder erholen: 2017 erreichte er eine wissenschaftlich nachhaltige Bestandsgröße von 152.207 Tonnen und die Kabeljaufischer wurden MSC-zertifiziert. Für 2018 prognostizierten die Wissenschaftler damals ein weiteres Wachstum auf 180.990 Tonnen – doch wie wir heute wissen, ist dieses Wachstum trotz nachhaltiger Befischung nicht eingetreten.
„Mehr denn je brauchen wir jetzt Koordination und Zusammenarbeit zwischen Fischereien, NGOs, Herstellern und Handel, um wirksame Maßnahmen zur Erholung des Kabeljaubestands einzuführen”, so Stefanie Kirse.