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Die Glucosamin-Entscheidung des BGH - Das Ende des deutschen Sonderwegs?

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(lifePR) (München, )
Mit Spannung wurde die Entscheidung des BGH zur Frage erwartet, ob der Einsatz von Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat in Nahrungsergänzungsmitteln zulässig ist oder gegen geltendes deutsches Zusatzstoffrecht verstößt. Der BGH hat sich mit recht kurzer und nüchterner Begründung für Ersteres entschieden.

Gegenstand des Rechtsstreits war der Vertrieb von zwei Nahrungsergänzungsmitteln eines großen Pharmakonzerns, die Glucosaminsulfat und Chondrotinsulfat in Dosierungen von 600 mg und 1200 mg Glucosaminsulfat sowie 75 mg Chondroitinsulfat enthalten. Ein Unternehmen, welches Produkte mit diesen Stoffen in höherer Dosierung als Arzneimittel vertreibt, war der Ansicht, dass es sich bei den streitgegenständlichen Präparaten um ernährungsphysiologischen Zwecken dienende Lebensmittel-Zusatzstoffe handelte. Da diese Stoffe nach der Verkehrsauffassung nicht überwiegend wegen ihres Nährwerts verwendet würden, dürften sie ebenso wie aus technologischen Gründen zugesetzte Zusatzstoffe nicht ohne entsprechende Zulassung in Verkehr gebracht werden. Dies ergebe sich aus einer Regelung im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (§ 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 LFGB). Danach sind Stoffe, die einem Lebensmittel zu ernährungsphysiologischen Zwecken zugesetzt werden, den technologischen Zusatzstoffen gleichgestellt, sofern es sich nicht um charakteristische Zutaten des Produkts handelt oder um Stoffe, die natürlicher Herkunft oder den natürlichen chemisch gleich sind und nach allgemeiner Verkehrsauffassung überwiegend wegen ihres Nähr-, Geruchs- oder Geschmackswertes oder als Genussmittel verwendet werden. Mangels Eingreifen dieser Ausnahmen und mangels einer solchen Zulassung sei der Vertrieb daher rechts- und wettbewerbswidrig.

Das beklagte Unternehmen ist dem entgegengetreten. Nach seiner Ansicht handelt es sich bei den Stoffen Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat um charakteristische Zutaten des Mittels Orthoexpert Gelenknahrung. Zumindest aber sei das im deutschen Recht bestehende präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt für aus anderen als technologischen Gründen zugesetzte Lebensmittel-Zusatzstoffe mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar.

Der BGH und auch die beiden Vorinstanzen gaben dem beklagten Unternehmen Recht. Die Berufungsinstanz, das Oberlandesgericht Hamburg, hatte noch so seine Schwierigkeiten, eine plausible Begründung dafür zu finden, warum hier nicht das deutsche Zusatzstoffverbot greift. Es hatte offengelassen, ob Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat zulassungspflichtige Zusatzstoffe i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 LFGB seien. Die Klage sei jedenfalls schon deshalb unbegründet, weil eine vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) durchgeführte Risikobewertung dieser Stoffe ergeben habe, dass bei gesunden und nicht schwangeren Erwachsenen mit keinen ernstzunehmenden gesundheitlichen Risiken zu rechnen sei und der bei bestimmten Personengruppen nicht ausschließbaren Gefahr gesundheitlicher Risiken durch entsprechende Warnhinweise auf dem Etikett entgegengewirkt werden könne. Mit dieser Risikobewertung sei den allgemeinen Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit gemäß (EG) Nr. 178/2002 (EG-Basisverordnung) Genüge getan. Die dort in Artikel 14 getroffene Regelung sei unmittelbar geltendes Recht und verdränge daher das nach dem deutschen Recht bestehende Zusatzstoffverbot.

Der BGH ist der Auffassung des OLG Hamburg gefolgt, allerdings nur im Ergebnis. So kommt der BGH zu der Endscheidung, dass die einschlägige Regelung in § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 LFGB gegen höherrangiges europäisches Recht verstößt und zwar auch dann, wenn wie hier ein reiner Inlandssachverhalt vorliegt. Zur Europarechtswidrigkeit der deutschen Regelung führt der BGH aus:

"Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union läuft es dem Gemeinschaftsrecht allerdings grundsätzlich nicht zuwider, dass ein Mitgliedstaat verbietet, Lebensmittel ohne vorherige Genehmigung in Verkehr zu bringen, wenn ihnen Nährstoffe wie beispielsweise andere als die durch die gemeinschaftsrechtliche Regelung als Zusatz zugelassenen Vitamine oder Mineralstoffe hinzugefügt worden sind. ... Im Hinblick auf den von den Mitgliedstaaten auch bei der Ausübung ihres Ermessens im Bereich des Gesundheitsschutzes einzuhaltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss eine solche Regelung jedoch ein leicht zugängliches und innerhalb eines angemessenen Zeitraums abzuschließendes Verfahren vorsehen, das es den Wirtschaftsteilnehmern ermöglicht, die Aufnahme des Nährstoffs in die nationale Liste der zugelassenen Stoffe zu erreichen. Dabei muss vorgesehen sein, dass der Aufnahmeantrag nur dann abgelehnt werden darf, wenn eine eingehende einzelfallbezogene Prüfung, bei der die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigt werden, ergibt, dass der Stoff tatsächlich ein Risiko für die Gesundheit der Bevölkerung birgt. Außerdem muss eine ablehnende Entscheidung im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens angefochten werden können."


Der BGH stellt sodann fest, dass diese Voraussetzungen bei dem in § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 LFGB normierten Verbot nicht vorliegen. Zwar gelten danach für bestimmte Stoffe Ausnahmen, die damit nicht der nach dieser Bestimmung bestehenden Zulassungspflicht unterliegen. Für diejenigen Stoffe, für welche diese Ausnahmen nicht eingreifen, gelte jedoch weiterhin die Zusatzstoff-Zulassungsverordnung vom 22. Dezember 1981 und nach dieser Verordnung seien die Stoffe Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat weder allgemein noch für bestimmte Lebensmittel oder bestimmte Verwendungszwecke zugelassen. Eine von diesem Verbot gesetzliche vorgesehene Ausnahmemöglichkeit existiere zwar, jedoch habe der Gesetzgeber hiervon keinen Gebrauch gemacht.

Im Ergebnis darf das beklagte Unternehmen seine Produkte also vorerst weiter vertreiben. Doch ob das deutsche Zusatzstoffverbot für ernährungsphysiologische Zusatzstoffe damit wirklich am Ende ist, bleibt abzuwarten. Immerhin hält der BGH ein solches präventives Verbot auch bei ernährungsphysiologischen Zusatzstoffen für zulässig, wenn den betroffenen Unternehmen die Möglichkeit gegeben wird, in einem leicht zugänglichen und innerhalb eines angemessenen Zeitraums abzuschließenden Verfahren eine Zulassung zu erhalten. Der Gesetzgeber wird sich nun sicher hierzu seine Gedanken machen müssen. Auch wird er seinen Vorstoß zum LFGB-Änderungsgesetz überdenken müssen, wonach angereicherte Lebensmittel, insbesondere Energy Drinks, diätetische Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel durch eine Änderung des § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 LFGB entgegen der bisherigen Rechtslage nicht mehr zu den Lebensmitteln zählen sollen. Der Reaktion des Gesetzgebers auf die BGH-Entscheidung darf man jedenfalls mit Spannung entgegensehen.

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