Im Rahmen der geplanten Reform der Pflegeversicherung soll es ab 2017 statt drei Pflegestufen fünf Pflegegrade geben. Bei der Pflegebegutachtung wird dann nicht mehr zwischen körperlichen und geistigen Einschränkungen unterschieden. Zentrales Kriterium für die Pflegebedürftigkeit wird der Grad der Selbständigkeit der Betroffenen. "Mit dem neuen Begutachtungsverfahren sind wir auf dem richtigen Weg", sagt Dr. Karlheinz Großgarten, stellvertretender Ärztlicher Leiter des MDK Nordrhein. "Bisher wurde vor allem auf Unterstützung bei körperlichen Tätigkeiten geachtet, aber Menschen, die etwa an Demenz erkrankt sind und allgemeine Betreuung benötigen, sind derzeit benachteiligt", so Großgarten.
Das soll sich nun mit der Pflegereform ändern. Die Medizinischen Dienste begrüßen die Weiterentwicklung des Pflegebedürftigkeitsbegriffes und unterstützen die Einführung: "Mit dem neuen Begutachtungsverfahren können wir die Pflegebedürftigen endlich umfassender in den Blick nehmen", betont Dr. Martin Rieger, Ärztlicher Direktor des MDK Westfalen-Lippe. "Künftig werden wir darauf schauen, was die Menschen noch können. Diese erweiterte Perspektive ist ein großer Fortschritt in der Pflegebegutachtung."
Das neue Begutachtungssystem orientiert sich nicht mehr am Zeitaufwand etwa für Körperpflege oder für die Unterstützung beim Essen. Es nimmt dafür aber den Bedarf für eine notwendige Betreuung der Pflegebedürftigen stärker in den Blick. "Das Zählen von Minuten hat damit ein Ende", sagt Dr. Barbara Gansweid, Leiterin der Sozialmedizinischen Expertengruppe Pflege in der MDK-Gemeinschaft. "Unsere ersten Erfahrungen zeigen, dass die neue Form der Begutachtung auch bei den Versicherten besser ankommt."
Hintergrund Modellprojekte
Im April 2014 wurden zwei Modellprojekte zur Erprobung des neuen Begutachtungsverfahrens gestartet. In der ersten Studie geht es um die Alltagstauglichkeit des Verfahrens. In allen Bundesländern werden insgesamt rund 2.000 Begutachtungen nach dem alten und dem neuen Verfahren durchgeführt. In Nordrhein-Westfalen haben dazu MDK-Gutachter über 230 Pflegebedürftige besucht und begutachtet. Darunter waren 30 Kinder.
In der zweiten Studie soll ermittelt werden, welchen Versorgungsaufwand die neuen Pflegegrade in stationären Pflegeeinrichtungen auslösen. Begutachtet werden nochmals rund 2.000 Pflegebedürftige aus etwa 40 Pflegeheimen in verschiedenen Bundesländern. Davon sind sieben in Nordrhein-Westfalen. Die Ergebnisse aus beiden Studien sollen Anfang 2015 vorliegen. Auf dieser Grundlage startet das anschließende Gesetzgebungsverfahren. 2017 soll die neue Begutachtungssystematik eingeführt werden.