Eigentlich war es ja auch nur als Überbrückung gedacht. Also haben e es sich Millionen von Berufstätigen auf dem Sofa, am Esstisch oder gar im Bett so eingerichtet, dass sie von dort aus arbeiten konnten. „Was sich auf den ersten Blick ganz bequem anhört ist eine furchtbare Strapaze für den Rücken“, sagt Dr. Schneiderhan vom gleichnamigen Medizinischen Versorgungszentrum in München-Taufkirchen. „Heute ist unsere Praxis voll mit Menschen, die unter einem Schmerzgedächtnis leiden, weil sich ihren Rückenprobleme chronifiziert haben. In diesen Fällen ist dann eine besondere Behandlungsstrategie nötig.“
So kommt es zum Schmerzgedächtnis
Unser Gehirn besteht aus drei Pfund intelligentem Nervengewebe. Es ist in der Lage jede Erfahrung abzuspeichern. Je bedrohlicher die Erfahrung, desto mehr Spuren hinterlässt das in unserem körpereigenen Computer. Schmerzen gehören dabei zu den besonders bedrohlichen Erfahrungen. „Je länger diese andauern, desto größer die Pfade, die sie im Gehirn hinterlassen“, sagt der Experte. Wenn sie nicht verschwinden und länger als drei Monate andauern, kann es zum Schmerzgedächtnis kommen. Dann ist der Schmerz nicht mehr nützliches Warnsignal, weil er auf eine gesundheitliche Gefahr hindeutet, sondern ein eigenständiges Krankheitsbild.“
Denn starke und wiederholte Schmerzen verstärken die Schmerzreaktion auf allen Ebenen. Sie verändern die Produktion chemischer Botenstoffe und aktivieren Bahnen von bislang nicht in Betrieb genommenen Nervenzellen. Die Nervenzellen reagieren hypersensibel und quälen die Menschen, obwohl die ursprüngliche Ursache längst behoben ist. Die gereizten Nerven beruhigen sich einfach nicht mehr und feuern immer weiter.
Tapferkeit ist nicht ratsam
Deshalb ist es wenig sinnvoll tapfer zu sein und den Helden zu spielen. Besser ist es sich frühzeitig in Behandlung zu geben. Glücklicherweise kann die moderne Medizin aber auch jenen helfen, die bereits ein Schmerzgedächtnis entwickelt haben. „Während bei leichten Schmerzen oft noch frei verkäufliche Schmerzmittel helfen können, sind bei einem Schmerzgedächtnis stärkere Mittel nötig“, sagt Dr. Schneiderhan. „In den allermeisten Fällen helfen dann nur noch Opioide. Zusätzlich können wir bei Bedarf auch Antidepressiva und Antiepileptika einsetzen. Ebenso wie Opioide, können sie die Schmerzweiterleitung verhindern. Auch Infiltrationen-, Psycho-, Physio- und Ergotherapie können helfen, den Teufelskreis zu durchbrechen.“
Da ständige Schmerzen auch einen großen Stressfaktor darstellen, kann die Psychotherapie ein weiterer Therapiebaustein sein. Denn Betroffene müssen bis zum Erfolg der Behandlung lernen, mit den Schmerzen umzugehen. Als besonders erfolgreich gilt die so genannte kognitive Verhaltenstherapie. Sie kann dazu beitragen das Schmerzgedächtnis zu löschen.
Minimal-invasiver Eingriff
Sollten alle Maßnahmen nicht zum gewünschten Erfolg führen, steht als letzte Alternative ein Schmerzschrittmacher zur Verfügung. Bei dieser Hightech-Methode geht es darum, die Nervenfunktion zu blockieren. „Vereinfacht ausgedrückt kann man einen Schmerzschrittmacher als Störsender bezeichnen“, sagt Dr. Schneiderhan. „Er verhindert die Weiterleitung der Schmerzsignale an das Gehirn und ist so in der Lage die Schmerzimpulse auszulöschen.“
Vor der Installation des Hightech-Geräts muss sich jeder Patient einer gründlichen Untersuchung unterziehen. Dazu gehören auch Schmerzfragebögen und ausführliche Gespräche, um den Schmerz möglichst genau bewerten zu können. Wichtig ist zudem, dass auch ein Psychologe oder Psychotherapeut hinzugezogen wir. Nur so kann sichergestellt werden, dass der Schmerz nicht psychosomatisch bedingt ist.“
Der minimal-invasive Eingriff dauert etwa 30 Minuten. „Wir führen Elektroden unter Bildkontrolle in den Wirbelkanal und platzieren sie möglichst genau in dem Bereich, wo die Schmerzimpulse zum Gehirn geschickt werden“, sagt der Experte. „Mit Hilfe neuester Nano- und Hochfrequenztechnologie können wir die Schmerzsignale an das Gehirn dann unterbinden.“ Nach Einsetzen der Elektroden muss das System zwei bis drei Wochen lang unter verschiedenen Umständen getestet werden. Erst wenn die Schmerzreduktion bei über 50 Prozent liegt, wird auch der Schrittmacher implantiert. Meist in der Nähe der Wirbelsäule im oberen Bereich des Gesäßes. „Auch wenn 50 Prozent nicht nach besonders viel klingt, für die Betroffenen hat es deutlich positiven Effekt bezüglich ihrer Lebensqualität. Viele benötigen dann keine zusätzlichen Medikamente mehr. Die gesetzlichen Kassen übernehmen die Kosten für den Eingriff. Bis auf wenige Ausnahmen bleibt der Schmerzschrittmacher dann dauerhaft im Körper.
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