Die Evolution hat uns auf zwei Beine gestellt und eine Achse konstruiert, um die sich unser ganzes Leben dreht. Die Wirbelsäule und die dazugehörigen Strukturen sind an fast alle Bewegungen beteiligt. Umso schlimmer, wenn eine der Strukturen Probleme bereitet. Als besonders schmerzhaft kann sich ein Wirbelkörperbruch bemerkbar machen. „Das liegt vor allem daran, dass an der Oberfläche der Wirbelkörper eine hochempfindliche Knochenhaut anliegt“, sagt Dr. Reinhard Schneiderhan vom gleichnamigen Wirbelsäulenzentrum in München-Taufkirchen. „Man bezeichnet sie als Periost und sie verursacht deshalb Schmerzen, weil sie mit vielen Nervenenden durchzogen ist.“
Anders als bei einem Bein- oder Armbruch, macht es bei einer Wirbelkörperfraktur aber keinen Sinn eine Schiene oder einen Gips anzulegen, alles ruhig zu stellen und den Heilungsprozess abwarten. Ärztinnen und Ärzte müssen hier anders vorgehen. Wichtig ist zunächst einmal die Diagnose, denn die Medizin unterscheidet zwischen stabilen und instabilen Brüchen.
Bei einem stabilen Bruch haben sich die Bruchfragmente nicht verschoben oder sind aus ihrer normalen Position herausgedrückt. Es liegt keine Instabilität vor und umliegende Strukturen sind nicht gefährdet. „Deshalb ist meist auch kein operativer Eingriff nötig“, sagt Dr. Schneiderhan. „Wir können meist konservativ behandeln, die Schmerzen gezielt bekämpfen und, falls nötig, ein Stützkorsett anlegen.“ Ganz wichtig dann nach Abschluss des Heilungsprozesses ist neben der Physiotherapie auch ein regelmäßiges Muskelaufbautraining. Es gilt die Faustregel: Je stärker die Muskulatur, desto sicherer die Knochenstruktur.
Bei instabilen Brüchen sieht die Situation allerdings ganz anders aus. Es handelt sich um eine ernste Verletzung, bei der die Integrität der Wirbelsäule beeinträchtigt ist und in der Regel auch eine Instabilität vorliegt: „Bruchfragmente haben sich verschoben und die meisten Betroffenen leiden unter sehr starken Schmerzen“, sagt der Experte. „Es können auch neurologische Symptome wie Taubheitsgefühle, Kribbeln sowie Schwäche in Armen und Beinen auftreten.“
In den allermeisten Fällen ist ein operativer Eingriff nötig. Aber wie bei vielen Eingriffen am Rücken, gibt es heute minimal-invasive Verfahren. Zu diesen minimal-invasiven Verfahren gehören die Vertebroplastie und die Kyphoplastie. Die Vertebroplastie setzt direkt an der Ursache an. „Über eine kleine Punktionsnadel spritzen wir flüssiges Knochenzement in den gebrochenen Wirbelkörper“, erklärt Dr. Schneiderhan. „So ist es möglich den Wirbelkörper wieder zu stabilisieren und gleichzeitig die Muskulatur und die Wirbelsäule zu schonen. In den meisten Fällen verschwinden die Schmerzen direkt nach dem Eingriff.“
Die Kyphoplastie kommt zum Einsatz, wenn ein oder mehrere Wirbel deformiert sind. „Bei diesem Eingriff führen wir über eine Punktionsnadel eine Ballon in den Wirbel“, sagt Dr. Schneiderhan. „Dann pressen wir eine spezielle Flüssigkeit unter Druck in das Ballongewebe. Als Folge richtet sich der Wirbel wieder auf. Außerdem spritzen wie Knochenzement in den betroffenen Bereich und stabilisieren den Wirbelkörper. Die starken Schmerzen sind meist direkt nach dem Eingriff weg.“ Bei beiden Eingriffen ist ein kurzer stationärer Aufenthalt nötig. Allerdings ist anschließend eine intensive Rehabilitationsphase ratsam. Es geht vor allem darum Muskeln aufzubauen und die Beweglichkeit wiederherzustellen, damit die Wirbelsäule und die Strukturen drumherum wieder ihre volle Funktionsfähigkeit erreichen.