Mehr als 800.000 Menschenleben hat die Opioid-Krise in den USA schon gekostet. Und obwohl mittlerweile der gesundheitliche Notstand ausgerufen wurde, sterben nach wie vor 300 Menschen täglich durch eine Überdosis. Auch in Deutschland bekommen viele Menschen die starken Schmerzmittel verschrieben. Etwa nach schweren Operationen, bei Krebserkrankungen und chronischen Rückenschmerzen. Da stellt sich natürlich die Frage: Ist eine Situation wie in den USA auch hierzulande möglich?
„Ganz auszuschließen ist das zwar nicht, aber deutlich weniger wahrscheinlich“, sagt Dr. Reinhard Schneiderhan, Facharzt für spezielle Schmerzmedizin am gleichnamigen Wirbelsäulenzentrum in München-Taufkirchen. „In Deutschland sind die Verschreibungsvorschriften für Opioide viel strenger als in den USA. Ärzte müssen sich an strenge Leitlinien halten, bevor sie Opioide verschreiben dürfen. Hinzu kommt, dass der Zugang zu nicht abhängig machenden Schmerztherapien wie etwa Physiotherapie oder auch Akupunktur hierzulande besser ist.“
Als 1999 das Mittel OxyContin mit dem Wirkstoff Fentanyl in den USA zugelassen wurde, entsandte das herstellende Unternehmen Heerscharen von Pharmavertretern zu den Ärzten. Gleichzeitig startete eine hochaggressive Marketingkampagne und allzu viele Ärzte waren bereit das schnell süchtig machende Mittel in immer höheren Dosen zu verschreiben. Gleichzeitig wurden die Risiken verharmlost. Und als das Patent schließlich auslief, wechselten etliche Süchtigen zu Heroin oder besorgten sich das Fentanyl auf dem Schwarzmarkt oder über illegale Quellen im Internet.
„Eine derartige Entwicklung ist in Deutschland glücklicherweise nicht möglich“, sagt Dr. Schneiderhan. „Wir dürfen die so genannten Opioid-Analgetika nur auf speziellen Betäubungsmittelrezepten verschreiben und diese Vordrucke werden von der Bundesopiumstelle an den jeweiligen Arzt personenbezogen ausgegeben.“
Allerdings hat sich auch hierzulande die Zahl der Opioid-Verordnungen in den letzten 25 Jahren fast verdreifacht. Das liegt u.a. daran, dass auch immer mehr Menschen in Deutschland unter chronischen Schmerzen, insbesondere im Bereich der Wirbelsäule leiden. „Deshalb ist es ganz wichtig, sich in erfahrene Hände zu begeben, um die bestmögliche Schmerztherapie zu erhalten“, sagt Dr. Schneiderhan. „Bevor man beispielsweise bei chronischen Rückenschmerzen Opioide verschreibt, ist es wichtig auch an wirksame und zur Verfügung stehende Alternativen zu denken.“
Nur ein Beispiel: Bei Rückenschmerzen beispielsweise gibt es den so genannten Schmerzschrittmacher. Dabei handelt es sich vereinfacht ausgedrückt um einen Störsender. Er verhindert die Weiterleitung der Schmerzsignale an das Gehirn und ist so in der Lage die Schmerzimpulse auszulöschen. Der Schmerzschrittmacher wird in einem minimal-invasive Eingriff eingesetzt. Das dauert etwa 30 Minuten. „Wir führen Elektroden unter Bildkontrolle in den Wirbelkanal und platzieren sie möglichst genau in dem Bereich, wo die Schmerzimpulse zum Gehirn geschickt werden“, erklärt Dr. Schneiderhan. „Mit Hilfe neuester Nano- und Hochfrequenztechnologie können wir die Schmerzsignale an das Gehirn dann unterbinden. Die meisten Patienten benötigen nach dem Eingriff keine Schmerzmittel mehr.“