Rabinowitch, der einer russischen Emigrantenfamilie entstammt, lernte in seinem Elternhaus historische Figuren kennen wie den letzten Ministerpräsidenten der Provisorischen Regierung, Alexander Kerenski, und den Führer der Menschewiki, Irakli Zereteli, die beide der bolschewistischen Partei feindselig gegenüberstanden.
Wie kein anderer geht Alexander Rabinowitch seitdem der Frage nach: Was war die russische Revolution wirklich - Putsch oder siegreiche Massenerhebung? Drei umfangreiche wissenschaftliche Werke widmete er dieser Frage. Sein Klassiker "The Bolsheviks Come to Power" (1976) gilt in der Fachwelt als Standardwerk.
In Berlin stellt Alexander Rabinowitch sein neues Buch vor, das vor wenigen Wochen vom Mehring Verlag herausgebracht wurde: "Die Sowjetmacht - Das erste Jahr". Es ist das Ergebnis einer sich über mehr als vier Jahrzehnte erstreckenden Forschung, die seit 1991 die Archive der ehemaligen sowjetischen Partei und Regierung und seit 1993 auch die des KGB einschloss.
Seit Jahrzehnten arbeitet er systematisch und unermüdlich in Archiven. Jedes Detail seiner Darstellung ist belegt durch überprüfbare Dokumente wie Sitzungsprotokolle, persönliche Notizen oder Aussagen von Zeitzeugen oder Akteuren des Geschehens, Zeitungsberichte, Briefe usw. Seine Leidenschaft als Historiker besteht darin, die dramatischen Ereignisse im revolutionären Petrograd der Jahre 1917/18 so detailgenau und wirklichkeitsnah wie möglich darzustellen. Sein Credo lautet: "Herausfinden wie es wirklich war".
Sein reichhaltiges dokumentarisches Belegmaterial und seine daraus abgeleiteten Thesen untergraben die hierzulande vorherrschenden Interpretationskonzepte, wonach die Oktoberrevolution nichts weiter war als der Putsch einer kleinen revolutionären Verschwörerbande unter der Führung von Lenin und Trotzki. Im Vorwort seines jüngsten Buches heißt es:
"Ich kam zu dem Ergebnis, dass die Oktoberrevolution in Petrograd weniger eine militärische Operation war, sondern eher ein allmählicher Prozess auf dem Boden einer in der Bevölkerung tief verwurzelten politischen Kultur sowie einer weit verbreiteten Unzufriedenheit mit den Ergebnissen der Februarrevolution, kombiniert mit der unwiderstehlichen Anziehungskraft der Versprechen der Bolschewik - sofortiger Friede, Brot, Land für die Bauern und Basisdemokratie durch Mehrparteiensowjets. Diese Interpretation warf allerdings ebenso viele Fragen auf, wie sie beantwortete. Wenn der Erfolg der bolschewistischen Partei 1917, soviel schien klar, wenigstens zum Teil ihrem offenen, relativ demokratischen und dezentralisierten Charakter und Handeln zu verdanken war, wie war dann zu erklären, dass sich diese Partei so schnell in eine der am stärksten zentralisierten und autoritärsten politischen Organisationen der Neuzeit verwandelte?"
Der Mehring Verlag freut sich, dem deutschen Publikum die Gelegenheit bieten zu können, Prof. Alexander Rabinowitch persönlich zu hören und mit ihm zu diskutieren. Er spricht auf Veranstaltungen in Berlin, präsentiert die Ergebnisse seiner jüngsten Forschung, beantwortet Fragen und stellt sich den Argumenten seiner Kritiker.
Vorlesung an der Humboldt-Universität zu Berlin,
Hörsaal 7 Invalidenstraße 42 (neben Naturkundemuseum)
Donnerstag, 14. Oktober 2010, 19:00 Uhr
Weitere Informationen erhalten Sie auf www.sowjetmacht.de und www.mehring-verlag.de