In dem Verfahren vor dem BGH hatte der unterlegene Händler stets die Auffassung vertreten, dass Oracle die Weiterübertragung der Software nicht untersagen könne, da die Urheberrechte von Oracle nach § 69 c UrhG "erschöpft" seien nachdem Oracle die Software per Download in den Verkehr gebracht hat. Das in § 69 c UrhG geregelte sog. "Erschöpfungsprinzip" gilt seinem eindeutigen Wortlaut zufolge aber nur für die Weiterverbreitung von Software auf körperlichen Datenträgern. Das Erschöpfungsprinzip gilt jedoch nicht auch für das sog. Vervielfältigungsrecht, also das Recht, die Software zu installieren und fortan zu nutzen. Dies betonte der vorsitzende Richter des BGH in seiner mündlichen Erläuterung des Vorlagebeschlusses und erklärte zugleich, dass der BGH die Revision von usedSoft zurück gewiesen hätte, wenn es nur um die Anwendung Deutschen Rechts und nicht zugleich um die Auslegung einer EU-Richtlinie gegangen wäre.
"Microsoft begrüßt diese Vorlage zum EuGH", so Dr. Severin Löffler, Senior Director Legal and Corporate Affairs der Microsoft Deutschland GmbH. "Da diese Frage alle Märkte Europas betrifft und die anwendbaren Vorschriften im Urheberrecht, insbesondere das 'Erschöpfungsprinzip', einer EU-Richtlinie entstammt, kann nur der EuGH eine abschließende Entscheidung treffen. Wir erwarten, dass der EuGH der in Deutschland vorherrschenden Auffassung folgt und dem Handel mit gebrauchter Software enge Grenzen setzt. Insbesondere der Handel mit angeblich gebrauchten Vervielfältigungsrechten sollte dabei klar von der Zustimmung des Rechteinhabers abhängig gemacht werden. Dafür spricht auch das am 14. März 2010 in Kraft getretene Welturheberrechtsabkommen, kurz WCT: Die Unterzeichner des Welturheberrechtsabkommens, zu denen auch die EU und die Bundesrepublik Deutschland gehören, haben in einer gemeinsamen Erklärung zu Artikel 6 WCT unmissverständlich klargestellt, dass sich das 'Erschöpfungsprinzip' nur auf die Verbreitung fixierter Werkstücke, so genannte 'fixed copies', bezieht, die als körperliche Gegenstände, also als 'tangible objects', in den Verkehr gebracht werden können. Der Handel mit bloßen Nutzungsrechten ist damit ohne Zustimmung des Rechteinhabers unzulässig."
Die Risiken beim Erwerb gebrauchter Software bestehen fort
"Die Vorlageentscheidung ändert auch nichts an dem seit Jahrzehnten geltenden Grundsatz, dass jeder, der eine vermeintlich gebrauchte Lizenz erwirbt, en detail darlegen und beweisen muss, wann diese erstmals vergeben wurde und wann sie wie über welche weiteren Lizenznehmer bis zum jetzigen, vermeintlichen Inhaber gelangt ist", ergänzt Dr. Severin Löffler. Von diesem Grundsatz, den der BGH u.a. im Jahr 1994 aufgestellt hat, ist der BGH nicht abgerückt. Dementsprechend hat das OLG Frankfurt einen Kunden der Fa. usedSoft verurteilt, weil dieser nicht nachweisen konnte, wann Microsoft die angeblich gebrauchten Nutzungsrechte wem zu welchen Konditionen eingeräumt hat und wann sie wie weiter übertragen wurden (Entscheidung vom 18.05.2010, Az.: 11 U 69/09). Der von Microsoft in Anspruch genommene Kunde konnte nur selbst gebrannte Datenträger, eine selbst gedruckte Lizenzurkunde und eine notarielle Bestätigung vorlegen. All dies reichte zum Beleg der bloß behaupteten Lizenzen nicht aus. So führt das OLG Frankfurt in seiner Entscheidung vom 18. Mai 2010 aus.
Konsequenterweise wurde usedSoft der Vertrieb von selbst gebrannten Datenträgern, selbst gedruckten Lizenzurkunden und die Übergabe von notariellen Bestätigungen zum angeblichen Beleg für die Rechtswirksamkeit in einem zweiten Verfahren per einstweiliger Verfügung untersagt. Diese von einem anderen Softwarehersteller beim Landgericht Frankfurt erwirkte Verfügung (Az.: 2/6 O 556/09) wurde im Juni 2010 vom OLG Frankfurt (Az.: 11 U 13/10) bestätigt. Diese einstweilige Verfügung betrifft unmittelbar zwar nur die Software des klagenden Softwareherstellers, ist aber auch auf Microsoft Software anwendbar.
Folgen für Nutzer gebrauchter Software
Die seit geraumer Zeit geführte Diskussion über die rechtliche (Un-)zulässigkeit verleitete manche Unternehmen dazu, sich auf Händler einzulassen, die angeblich gebrauchte Softwarelizenzen anboten, ohne zu erklären, um welche Lizenzen es genau geht und woher sie stammen. Die Kunden können so ihre Nutzungsberechtigung nicht nachweisen. Wie der geschilderte Fall des OLG Frankfurt zeigt, haften für dann geltend gemachte Ansprüche des Softwareherstellers neben dem Unternehmen auch die Geschäftsführer und Vorstände persönlich, wenn der Erwerb der gebrauchten Lizenzen in ihren Verantwortungsbereich fiel. Immer wieder hatte Microsoft in der Vergangenheit auf das rechtliche Risiko hingewiesen, das Käufer gebrauchter Software eingehen, wenn sie sich an Händler wenden, die nicht mit den Rechteinhabern zusammenarbeiten.