„Die meisten Gewalttaten werden nicht in der Öffentlichkeit, sondern zuhause in der Familie verübt. Um das zu verhindern und die Opfer besser zu schützen, müssen Polizei, Justiz, Frauenhäuser, Beratungseinrichtungen und Jugendhilfe eng zusammenarbeiten“, sagte Erdsiek-Rave. Grundlage des Aktionsplans sei das bundesweit einmalige Kooperations- und Interventionskonzept (KIK) mit einem flächendeckenden Netzwerk.
Die Ministerin betonte, dass mindestens jede vierte Frau bereits körperliche oder seelische Misshandlungen durch ihren Partner erfahren habe. Mehr als die Hälfte von ihnen erlitten körperliche Verletzungen, von Prellungen und blauen Flecken bis hin zu Knochenbrüchen und Gesichtsverletzungen. „Diese Frauen leiden oft an Depressionen oder Essstörungen. Hinzu kommen soziale Folgen wie Trennung, Scheidung oder auch der Verlust des Arbeitsplatzes“, sagte Erdsiek-Rave.
„Was häufig unterschätzt wird: Auch Kinder, die in einer solchen Umgebung aufwachsen, sind in hohem Maße gefährdet. Sie werden entweder selbst verletzt oder sind auf Grund ihrer Erlebnisse traumatisiert.“ Gerade betroffene Jungen lösten häufig Konflikte ebenfalls mit Gewalt, auch in ihren späteren eigenen Paarbeziehungen. Mädchen verstrickten sich als Erwachsene häufig wieder in eine Beziehung, in der sie Opfer von Gewalttätigkeiten des Partners werden.
Um dem entgegenzuwirken, müssten Interventionen daher die ganze Familie einbeziehen. „Erforderlich sind Schutz und Unterstützung der Mütter, spezifische Angebote für Kinder, aber auch für Männer, damit diese lernen, Konflikte gewaltfrei zu lösen“, sagte die Frauenministerin. Dafür sei es notwendig, dass sich die verschiedenen Behörden und Einrichtungen, die an der Bekämpfung häuslicher Gewalt mitwirken, intensiv miteinander verknüpfen.
So wurden in allen Kreisen und kreisfreien Städten Koordinierungsstellen eingerichtet, welche die Zusammenarbeit von Polizei, Justiz, Frauenhäusern, Beratungseinrichtungen und Jugendhilfe abstimmen. Eine Landeskoordinatorin im Frauenministerium ist für die Abstimmungsprozesse auf überregionaler Ebene zuständig. Zudem sind die rechtlichen Ministerium für Bildung und Frauen des Landes Schleswig-Holstein und sozialen Rahmenbedingungen für eine lückenlose und umfassende Hilfe geschaffen worden. Dazu gehören insbesondere:
- die Befugnis der Polizei, einen gewalttätigen Partner der Wohnung zu verweisen und den Namen des Opfers an eine Beratungsstelle zu übermitteln,
- der Erlass des Generalstaatsanwaltes „Handreichung zur Bearbeitung von Ermittlungsverfahren wegen Gewalt in der Familie“ mit entsprechenden Vorgaben für die vier Staatsanwaltschaften des Landes. Bei ihnen sind Sonderdezernate für Gewalt in der Familie eingerichtet,
- die neu aufgelegten Tätertrainingsprogramme, bei denen Gewalttäter lernen, auf Gewalt zu verzichten und verantwortlich zu handeln,
- die aktive Beratung für Opfer innerhalb von 24 Stunden nach einem Polizeieinsatz,
- eine telefonische Helpline (0700 999 11 444) für Krisenintervention,
- die Verankerung des Themas häusliche Gewalt in beiden Phasen der Lehrerausbildung, in der Polizeiausbildung, im Medizinstudium und in der Fortbildung der Justiz.
Land und Kommunen unterstützen Frauenhäuser, Frauenberatungsstellen und Tätertrainingsangebote mit rund 7,1 Millionen Euro jährlich.
Frauenministerin Erdsiek-Rave betonte, dass der Aktionsplan gegen häusliche Gewalt kontinuierlich überprüft und fortgeschrieben werde. „Vor allem den Schutz von Migrantinnen wollen wir weiter verbessern“, sagte die Ministerin.
Sie nähmen die Hilfe von Beratungsstellen bislang eher selten in Anspruch, obwohl sie teilweise – auch vor dem Hintergrund von Zwangsheirat und so genannten Ehrenmorden -besonders massiver Form von Gewalt ausgesetzt seien. Um dem zu begegnen, werde die Landesregierung einen runden Tisch einrichten, der weitere Vorschläge zum Schutz von Migrantinnen erarbeiten soll. Zudem sollen Stalking-Opfer noch bessert geschützt werden. Die beharrliche Nachstellung von Frauen und Männern stehe oft in Zusammenhang mit häuslicher Gewalt.