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Justizminister Uwe Döring zum Jugendstrafvollzugsgesetz

(lifePR) (Kiel, )
Warum Kriminalität, insbesondere Jugendkriminalität, entsteht und wie wir sie bekämpfen können, ist in der Öffentlichkeit und unter Fachleuten heftig umstritten. Manchmal werden Ängste geschürt, manchmal Probleme klein geredet. Ich setze mich für eine Politik ein, die beide Extreme vermeidet. Denn gegen Jugendkriminalität hilft nur eine Politik, die nüchtern analysiert, den Streit über das beste Konzept sucht und auf das Vorgaukeln einfacher Patentrezepte verzichtet und schließlich fachlich durchdachte und dennoch pragmatische Lösungen entwickelt.

Der vorliegende Entwurf für ein Jugendstrafvollzugsgesetz genügt, davon bin ich überzeugt, diesem hohen Anspruch. Das ist wichtig. Wir brauchen einen Jugendstrafvollzug, der auf der Höhe der Zeit ist. Denn die Arbeit mit straffälligen Jugendlichen ist in den letzten Jahren schwieriger geworden.

Bei einer zwar kleinen, aber wachsenden Gruppe von Jugendlichen wachsen Gewaltbereitschaft und Brutalität. Gleichzeitig wird es immer schwieriger, diese Jugendlichen mit den pädagogischen und therapeutischen Konzepten überhaupt noch zu erreichen. Wer die erschreckenden Entwicklungen in Großstädten wie Hamburg oder Berlin kennt, der ahnt, welche Probleme auf unser noch recht beschauliches Schleswig-Holstein zukommen können. Wir stehen hier vor einer gewaltigen gesellschaftlichen Herausforderung. Einen jungen Menschen ins Gefängnis zu stecken, kann dabei immer nur die letzte Lösung und nur ein Teil einer umfassenden Strategie gegen die Jugendkriminalität sein.

Der Gesetzentwurf hat eine lange Vorgeschichte. Anders als beim Erwachsenenstrafvollzug, der 1976 gesetzlich geregelt wurde, konnten sich Bund und Länder jahrzehntelang nicht über ein Jugendstrafvollzugsgesetz einigen. Das Bundesverfassungsgericht hat damit im Mai 2006 Schluss gemacht. Es hat eine Frist bis Ende 2007 Zeit für eine gesetzliche Regelung des Jugendstrafvollzugs gesetzt und uns wichtige Vorgaben für dessen Gestaltung mit auf den Weg gegeben.

Da mit der Föderalismusreform die Gesetzgebungskompetenz auf die Länder übertragen wurde, liegt der Ball nun im Feld der Landespolitik. Wir haben uns nicht lange bitten lassen. Mit neun anderen Bundesländern haben wir gemeinsame Vorstellungen für den Jugendstrafvollzug der Zukunft entwickelt – auch deshalb, um möglichst einheitliche Standards im Jugendvollzug zu sichern.

Auf dieser Basis ist der vorliegende Gesetzentwurf entstanden. Er steht in der Kontinuität des bislang in Schleswig-Holstein praktizierten Jugendvollzuges. Der Jugendstrafvollzug in Schleswig-Holstein erfüllt schon heute die meisten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts!

Namentlich die Jugendanstalt Schleswig zählt zu den modernsten und bundesweit als vorbildlich anerkannten Jugendvollzugsanstalten. Dennoch finden sich im Gesetzentwurf aber auch einige wichtige Neuerungen. Der tragende Grundpfeiler des Gesetzentwurfs ist die konsequente Ausrichtung am Erziehungsgedanken. Natürlich hat der Vollzug auch die Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen.

Das ist kein Gegensatz zum Erziehungsgedanken! (Zitat BVerfG, Urteil vom 31.5.2006, unter C.I.4.): „Die Notwendigkeit, den Strafvollzug am Ziel der Resozialisierung auszurichten, (folgt) auch aus der staatlichen Schutzpflicht für die Sicherheit aller Bürger. Zwischen dem Integrationsziel des Vollzugs und dem Anliegen, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen, besteht insoweit kein Gegensatz.“) Im Gegenteil: Ein moderner Jugendstrafvollzug, der die Eingliederung in die Gesellschaft fördert, bietet die beste Sicherheit vor weiteren Straftaten!

Die jungen Gefangenen werden grundsätzlich in Einzelhafträumen untergebracht. Die Besuchszeiten werden auf vier Stunden pro Monat erhöht. Die berufliche und schulische Ausbildung hat im Jugendvollzug Vorrang vor der Arbeit. In Zukunft wird es einfacher sein, eine im Vollzug begonnenen Ausbildung auch nach der Entlassung fortzusetzen. Sport hat im Jugendstrafvollzug eine besondere Bedeutung. Er hat wichtige soziale Funktionen und dient auch dem Abbau von Aggressionen.

Die Gefangenen sollen zukünfitg Anspruch auf zwei Stunden Sport pro Woche bekommen. Um diesen Anspruch zu erfüllen, sollen in Neumünster und Schleswig Sporthallen errichtet werden.

Der Gesetzentwurf sieht offenen und geschlossenen Vollzug vor. Wir haben beide Möglichkeiten bewusst gleichrangig nebeneinander gestellt. Welche Vollzugsform die Richtige ist, lässt sich nur individuell entscheiden. Die Anforderungen, die der offene Vollzug stellt, sind hoch und überfordern viele der jungen Gefangenen. Manchen müssen von ihrem sozialen Umfeld isoliert, andere vor neuen Straftaten geschützt werden. Der Entwurf lässt den Anstaltsleitungen genug Spielraum für individuell angepasste Entscheidungen.

Ein weiterer wesentlicher Grundsatz ist der in der JA Schleswig bereits praktizierte Wohngruppenvollzug. Hier sollen die jungen Straftäter in Gemeinschaft mit anderen soziales Verhalten einüben. Wohngruppenvollzug ist sicher die pädagogisch anspruchsvollste Art des Vollzuges. Denn sie gibt den Gefangenen mehr Freiheit und mehr Verantwortung.

Beides kann missbraucht werden, wie zuletzt die Misshandlung eines Gefangen durch Mithäftlinge in der JA Schleswig im Februar gezeigt hat. Zur Unterstützung des weiteren Gesetzgebungsverfahrens hat das Justizministerium eine beratende Kommission unter Leitung des ehemaligen OLG-Präsidenten Dietrich Mett eingerichtet. Die Kommission berät darüber, wie der im Entwurf vorgesehene Wohngruppenvollzug konkret ausgestaltet und ggf. verbessert werden kann. Die Vorschläge der Kommission werden ungefiltert an den Landtag weitergeleitet, damit die Ergebnisse noch in die Beratung des Gesetzentwurfs einfließen können.

Viele Gefangene haben schwere soziale Defizite, die oft entscheidend für ihren Weg in die Kriminalität waren. Ein Herzstück des Gesetzentwurfes ist die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Einrichtung einer sozialtherapeutischen Abteilung für junge Straftäter. Das kostet Geld. Allein durch die Einrichtung der Sozialtherapie mit dreißig Therapieplätzen fallen mehr als drei Millionen Euro Baukosten an. Außerdem müssen auf Dauer zusätzliche Stellen für zwölf Vollzugsbeamte, zwei Psychologen und einen Sozialarbeiter finanziert werden. Ich bin überzeugt, dieses Geld ist gut angelegt. Würden wir die jungen Straftäter einfach wegschließen, wären die sozialen Folgekosten langfristig viel höher!

Das Justizministerium sieht die JA Schleswig als den am besten geeigneten Standort für die Sozialtherapie an. Mir ist bewusst, dass damit die 1997 für die JA Schleswig vereinbarte Anzahl von 73 Haftplätzen nicht mehr eingehalten werden kann. Durch die verbindlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ist jedoch eine neue Lage entstanden, der wir Rechnung tragen müssen. Eine Unterbringung der Sozialtherapie in der Teilanstalt in Neumünster kommt wegen der dort bestehenden baulichen Enge und angesichts der notwendigen Errichtung einer Sporthalle nicht in Frage.

Ich habe die Verantwortlichen in Schleswig von dieser Einschätzung unterrichtet und werde in weiteren Gesprächen um Verständnis werben. Seit Einrichtung der JA Schleswig vor sieben Jahren hat es keine einzige Entweichung gegeben. Seinerzeit geäußerte Sicherheitsbedenken haben sich nicht bewahrheitet. Wir werden Sorge tragen, dass sich daran nichts ändert. So werden zum Beispiel die Sexual- und Gewaltstraftäter auch zukünftig in der Teilanstalt Neumünster ihre Strafe verbüßen und dort auch therapeutisch behandelt.

In der Anhörung ist der Entwurf im Grundsatz auf breite Zustimmung gestoßen. Einige Anregungen wurden übernommen, zum Beispiel wurde eine Regelung zur Videoüberwachung eingefügt. Über die Anregungen, denen im Ergebnis nicht gefolgt wurde, werden wir in den Ausschüssen ausführlich reden können.

Die weiteren Beratungen werden sicher an dem einen oder anderen Punkt unterschiedliche Auffassungen zu Tage fördern. Im Grundsätzlichen aber sollten wir uns einig sein - und wir sollten dabei der Versuchung vordergründiger parteipolitischer Profilierung widerstehen.
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