Inszenierung und Nachhaltigkeit sind kein Widerspruch! Darin waren sich die 5 Referentinnen und 9 Referenten einig. Nachhaltige Projekte und Strategien müssen mit Inhalten gefüllt und in Szene gesetzt werden, um sie zum Leben zu erwecken und dem Gast nahe zu bringen. Erst dann wird das Gehörte, Gesehene, Erlebte auch wertgeschätzt, wird wirkungsmächtig und verändert langfristig nicht nur die Region, sondern auch ihre BesucherInnen. Die wichtigsten Voraussetzungen dafür sind gelebte Authentizität, die Konzentration auf unkopierbare Alleinstellungsmerkmale und ein neues Werte-Bewusstsein, das nicht die Gewinnmaximierung in den Vordergrund stellt, sondern das Zusammenspiel von Lebensraum und Gästebedürfnissen nachhaltig optimiert.
Nachhaltigkeit - ein Entscheidungskriterium für die Urlaubsbuchung?
Ein eindeutiges Ost-West und Nord-Süd-Gefälle belegt eine aktuelle Untersuchung über die Bedeutung von Nachhaltigkeit im Reiseverhalten. Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit, so Holger Sicking von der Österreich Werbung, sind die skandinavischen Länder und Belgien. In Deutschland und in der Schweiz ist das Bewusstsein hoch, Nachhaltigkeitsmarketing wird jedoch vielfach kritisch gesehen. Mediterrane Länder wie Italien oder Spanien zeigen Bemühungen. Aufholbedarf haben Länder wie Russland, Tschechien und Ungarn.
Gute Architektur - ein Gästemagnet?
Architektur erzählt Geschichten, meint Bibiane Hromas von Platou (Plattform für Architektur im Tourismus) - und belegt ihre Aussage mit einer aktuellen Untersuchung über die steigende Bedeutung von Architektur für Gäste: einerseits als relevanter Faktor der Wohn- und Lebensqualität am Urlaubsort, andererseits als Interessens-, Gesprächs- und Reisethema. Wie Architektur neues Umwelterleben schaffen kann, zeigt Vorarlberg beispielgebend vor. Die Zukunft im Tourismus, so Hromas, liegt deshalb auch im stimmigen Zusammenspiel von Naturlandschaft und gebautem Raum.
Herkunftsmarketing: "Einserschmäh" oder essentieller USP?
Herkunft, so Dorli Muhr von Wine & Partners in Wien, ist bei Produkten das letztgültige Alleinstellungsmerkmal. Denn Herkunft lässt sich mit Geschichte und Geschichten verbinden, liefert dem Gast und der Konsumentin Informationen über die natürlichen Bedingungen des Produktionsstandortes und vermittelt ein lebendiges Bild von Traditionen, Kultur und Menschen. Ein Paradebeispiel dafür präsentierte Anton Koschak, steirischer Wirt und Winzer, mit dem "Original Sulmtaler Huhn": Ein unverwechselbares, regionales Produkt, das Gourmets begeistert - und der Urlaubsregion Sulmtal eine neue "Leitfigur" beschert hat.
Nachhaltigkeitszertifizierung: "greenwashing" oder entscheidendes Qualitätskriterium?
Wer in Zukunft am Markt bestehen will, muss in der Hotellerie seiner ökologischen, ökonomischen und sozialen Verantwortung gerecht werden - und sollte das mittels Zertifizierung auch belegen können. Das unterstrichen Martina Maly, Geschäftsführerin des Beratungsunternehmens Michaeler & Partner, und Philipp Kaufmann, Gründungspräsident der Österreichischen Gesellschaft für nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI). Thomas "Ike" Ikrath, Architekt und Besitzer von Haus Hirt und Hotel Miramonte in Bad Gastein, plädierte für ein neues Werte-Bewusstsein - und lebt es in seinen Häusern vor: minimalster Einsatz von nichterneuerbaren Ressourcen (physisch wie mental) unter maximaler Nutzung des traditionell vorhandenen Wissens zur optimalen Nutzung von Mensch, Material und Energie.
Landschaftsinszenierung: "Scheinidylle" oder nachhaltige Strategie?
Immer weniger Gemeinden profitieren vom Tourismus. Denn nicht nur die Jugend, so Oliver Bender vom Institut für Gebirgsforschung an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, sondern auch die Gäste lassen die strukturschwachen Gebirgsräume im Stich. Doch der Trend lässt sich umkehren - durch gezieltes in Szene Setzen von Natur. Die wissenschaftlichen Konzepte dafür lieferte Ulrike Pröbstl, Universität für Bodenkultur in Wien, Beispiele für die praktische Umsetzung präsentierte Agnes Feigl, Landschaftsarchitektin und Geschäftsführerin von tourismusdesign. Fazit der beiden Expertinnen: Landschaft braucht Inszenierung - und Gäste brauchen wohlwollende BesucherInnenlenkung.
EDEN-Award: "Marketingetikett" oder innovativer Impuls?
Das Paradies wird nicht versprochen - wohl aber ein "Garten Eden". Denn alle Preisträger des seit 2007 von der Europäischen Union jährlich vergebenen EDEN-Awards an "European Destinations of Excellence" bieten Außergewöhnliches. Über den "Walserstolz" und seine positiven Auswirkungen auf die Regionalentwicklung referierte Josef Türtscher, Obmann der Regio Großes Walsertal, die den Award 2009 für ihren Biosphärenpark verliehen bekam. Dass sich 20 Jahre nachhaltige Aufbauarbeit lohnen, belegte Erika Schuster, Geschäftsführerin der Kulturinitiative Gmünd, mit anschaulichen Bildern: Seit 1991 setzt die mittelalterliche Stadt in Kärnten konsequent auf Kunst und Kultur. Mittlerweile profitiert die ganze Region davon - und darf sich seit dem Frühjahr mit dem EDEN-Award 2011 schmücken. 2012, so Florian Felder von der Österreich Werbung, die den Wettbewerb in Österreich koordiniert, wird kein Award vergeben. Stattdessen soll das "EDEN Netzwerk Österreich" für die Sieger und Finalisten der Vorjahre als Plattform zur Vertiefung der Themen Nachhaltigkeit, regionale Vernetzung und Innovation im Tourismus offen stehen.
Die Mostviertler Nachhaltigkeitskonferenz im Pielachtal
Veranstalter der Nachhaltigkeitskonferenz sind Mostviertel Tourismus, die Niederösterreich Werbung und der Club Niederösterreich. Bereits zum vierten Mal fand die Konferenz im Pielachtal statt, das 2007 als Vorbildregion für Nachhaltigkeit mit dem EDEN-Award der EU ausgezeichnet wurde. Hier hat sich das Steinschaler Dörfl als Austragungsort bewährt.
Die diesjährige Veranstaltung unterstützten außerdem: die Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie Niederösterreich-Wien, die Gugler Cross Media GmbH, die Naturidyll-Hotels sowie der Verein LandLuft.
Eine schriftliche Dokumentation der Konferenz wird im Oktober verfügbar sein. Sie kann bei Mostviertel Tourismus bestellt werden und ist auf www.nachhaltigkeitskonferenz.at abrufbar.