Hierzu Jörg-Michael Satz, Präsident von MOVING: „Die Diskussion über mögliche Einspareffekte durch die Digitalisierung des Fahrschulunterrichts geht an der Realität und der Verkehrssicherheit vorbei. Der Theorieunterricht macht im Durchschnitt nicht mehr als zwölf Prozent der Gesamtkosten des Führerscheinerwerbs aus. Werden höhere Einspareffekte suggeriert, geschieht dies meist durch marktfremde Preiskalkulation der praktischen Fahrstunden. Zudem brauchen die Fahrschüler ein nach pädagogischen Leitlinien in die praktische Ausbildung verzahntes, ganzheitliches Unterrichtskonzept und den Austausch mit anderen Fahrschülern, um zu verantwortungsvollen und sicheren Verkehrsteilnehmern zu werden.“
Nach MOVING Branchenreport 2018 (Seite 43) betrugen die Gesamtkosten der PKW-Führerscheinausbildung 2018 im Mittel 1.903 Euro. Der Grundbetrag differiert regional sehr stark, durchschnittlich liegt er bei ungefähr 300 Euro. Da im Grundbetrag neben dem Theorieunterricht (14 Lektionen à 90 Minuten) auch sämtliche Aufwendungen für Verwaltungstätigkeiten enthalten sind, beträgt der Anteil des Theorieunterrichts am Gesamtaufwand nur etwa zehn bis zwölf Prozent. Werden hohe Einspareffekte bei den Gesamtkosten versprochen, wird dies meist mit nicht marktgängigen Preiskalkulationen für die Übungsfahrten erreicht. Eine normale PKW-Fahrstunde (Übungsstunde) kostete im Juli 2018 durchschnittlich 38,49 Euro (https://www.moving-roadsafety.com/zahlen-fakten-2/fahrstundenpreise-ab/). Nach Abzug der Mehrwertsteuer, der Fahrzeug-, Personal- und indirekten Kosten sind damit nur marginale Deckungsbeiträge zu erzielen. Werden zum Beispiel Fahrstundenpreise um 26 Euro kommuniziert, handelt es sich meist um eine Markteintrittsstrategie.
Echte Effizienzgewinne und damit Kostenvorteile für Fahrschüler lassen sich durch den Einsatz von Simulatoren in der Fahrschulausbildung realisieren. Durch den teilautonomen Betrieb und damit geringerem Personaleinsatz und im Vergleich zu realen Fahrstunden niedrigeren Betriebskosten kann Simulatortraining bei vergleichbaren Deckungsbeiträgen deutlich günstiger angeboten werden. Dies führt bei gleichbleibend hoher Ausbildungsqualität zu realen Einspareffekten beim Fahrschüler. Zudem werden am Simulator potentiell gefährliche Situationen gefahrlos trainiert. So leistet der Simulator einen erheblichen Beitrag zu mehr Verkehrssicherheit.
Anders als derzeit behauptet wird, dient der Unterricht in Fahrschulen gerade nicht vorrangig der Vorbereitung auf die Theorieprüfung. Ziel ist es, den Fahrschüler zu einem sicheren, verantwortungsvollen und umweltbewussten Verkehrsteilnehmer auszubilden. Ein reines Fragentraining im Theorieunterricht ist sogar gesetzlich verboten (§4 Absatz Fahrschüler-Ausbildungsordnung).
Im System der professionellen Fahrausbildung in Deutschland dient der Theorieunterricht der Vorbereitung des Fahrschülers auf die Praxis und wird mit ihr inhaltlich und konzeptionell verzahnt.
Das heißt im Unterricht werden Themen wie zum Beispiel Vorfahrt oder Blickführung mit Faktenwissen unterfüttert, um das im Fahrzeug notwendige Handlungswissen besser ausbilden zu können. Das führt zu einer effizienteren Gesamt-Ausbildung. Bei Wegfall des Theorieunterrichts könnten also mehr praktische Stunden erforderlich werden, die wiederum die Kosten des Führerscheinerwerbs steigen ließen.
Der Theorieunterricht in der Fahrschule fördert gruppendynamische Prozesse und beleuchtet die Einstellung der Fahrschüler zu Themen wie Alkohol, Medikamente und Drogen im Straßenverkehr. Er erzeugt in vom Fahrlehrer moderierten Ausbildungseinheiten die Fähigkeit zur Reflexion des eigenen Risikoverhaltens und der eigenen Emotionen.
Gefahrenlehre und Verkehrswahrnehmung sind wesentliche Bestandteile des theoretischen Unterrichts, weil sie im zufällig stattfindenden Verkehrsgeschehen nur sporadisch oder sogar gar nicht ausgebildet werden können. Weil junge Fahrer Gefahren nicht oder verspätet wahrnehmen, könnte eine reduzierte theoretische Ausbildung zur Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit führen.
Der Theorieunterricht in Fahrschulen unterliegt zudem einer regelmäßigen pädagogischen Vor-Ort-Überwachung der Fahrlehrer durch die jeweiligen Aufsichtsbehörden anhand von zwölf wissenschaftlich evaluierten Qualitätskriterien (§51 FahrlG). Des Weiteren besteht für jeden in Deutschland tätigen Fahrlehrer eine periodische Weiterbildungspflicht an anerkannten Fahrlehrer-Aus- und Weiterbildungsstätten (§53 FahrlG).
„Es gibt in Deutschlands Fahrschulen keinen Digitalisierungsstau“, sagt Jörg-Michael Satz. Ablesen lässt sich das nicht nur an aktuell mehr als 1.100 Simulatoren im täglichen Einsatz. Die Ausbildung in der Fahrschule erfolgt zum Großteil über digitale Lehrmedien.
Schon heute werden einzelne Themen durch Blended-Learning-Einheiten vermittelt. Bereits seit Einführung der elektronischen Prüfung im Jahr 2010 findet die Vorbereitung des Fahrschülers zu großen Teilen mit Hilfe von E-Learning-Apps statt. Eine Online-Buchung von Fahrstunden ist in vielen Fahrschulen gelebte Praxis.
Die inhaltliche und konzeptionelle Verzahnung von Theorie und fahrpraktischem Unterricht führt effizient und kostengünstig zu sicheren, verantwortungsvollen und umweltbewussten Fahrern. Damit leistet das deutsche System der professionellen Fahrausbildung seit Jahren einen erheblichen Beitrag zu sinkenden Unfallzahlen und mehr Verkehrssicherheit.