Von Hagen Seidel aus Deidesheim
Der Doktor ist ein Macher, ein Anpacker. Eigentlich sind wir ja zum Interview verabredet, aber er kann wohl nicht anders: Dr. Armand Herberger, der Schönheitschirurg, der den Begriff Schönheitschirurg nicht mag, sieht meinen Bauchansatz, packt unangekündigt zu. Bevor ich reagieren kann, sagt er freundlich: "Sie haben keinen Bierbauch. Das ist Fett. Das mach ich Ihnen innerhalb von zwei Stunden. Und am nächsten Tag können Sie wieder arbeiten gehen." Herberger ist seit zwei Jahrzehnten mit seiner Musenhof-Klinik in der Pfalz erfolgreich. Doch anders als bei vielen Kollegen ist bei ihm fast jeder zweite Patient ein Mann. Meist gut verdienend, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, aber schon mit unübersehbaren körperlichen Anzeichen von Hierarchie- Kampf und Alterung. Ihnen hilft Herberger, den unaufhaltsamen Trend zumindest zu verlangsamen.
Und deshalb ist der Doktor wohl auch so verdutzt, als ich mich für seine Spontandiagnose zwar bedanke, aber sage, dass ich kein Problem mit dem Bauchansatz habe und damit keinen Handlungsbedarf sehe. Herberger verstummt kurz. Normalerweise sind seine Besucher wahrscheinlich froh über das Zwei-Stunden- Absaug-Versprechen. "Wenn Sie sich damit wohlfühlen, ist es ja vollkommen in Ordnung", sagt er schließlich. "Aber mit Sport und Diät bekommen Sie diese Wölbung wohl kaum weg."
Zwar sind die Zahlen über die Schönheitsindustrie in Deutschland ähnlich flexibel wie der Bauchspeck der Patienten. Doch ist der Trend unübersehbar, nach dem immer mehr Männer das tun, was früher ausschließlich Frauensache war: Sie lassen sich die hängenden Lider oder Tränensäcke wegmachen, das Bauchfett absaugen, die Ohren richten. Oder die Brust verkleinern, weil es zu wabbeln beginnt. Sie beugen, wie Armand Herberger es ausdrückt, einem "vorgealterten Eindruck" vor. Rund 100.000 sollen es schon 2011 gewesen sein, inzwischen sind es wohl mehr.
Herbergers Musenhof-Klinik ist mit einer Männerquote von fast 50 Prozent zwar noch eine Ausnahme. Doch auch bundesweit ist schätzungsweise jeder fünfte Patient ein Mann. Die meisten sind Karrieretypen, die entweder meinen, sich das Älterwerden im Rennen mit den jungen Nachrückern nicht leisten zu können, oder die ihr Bauch oder das hängende Lid schon immer störte. Herberger gilt als erfahrener Spezialist, er garantiert den Top- Verdienern Diskretion und arbeitet mit Methoden, die die Ausfallzeiten der Chef- Patienten im Rahmen halten. "Die Akzeptanz bei den Männern steigt stetig, auch einen Eingriff zu nutzen, um seine Karriere zu sichern. Nur spricht halt nicht jeder gern darüber", sagt er.
Herbert Ufer allerdings tut es. Der 49- Jährige legte sich bei Herberger zum Bauchfettabsaugen unters Messer – eigentlich eher unter die Sonden – und ist vom Ergebnis so begeistert, dass er davon erzählt. "Dieser Bauch hat mich schon immer sehr gestört. Ich habe mich jahrelang damit gequält", sagt der Bauunternehmer aus Berlin. Er betreibt Kampfsport, joggt und ist viel mit dem Hund unterwegs. Und trotzdem wurde er den Schwimmring nicht los. Dann sah er Herberger im Fernsehen, ließ sich von ihm operieren – und ist glücklich. Endlich habe er seinen Waschbrettbauch" und freut sich über "ein ganz anderes Körpergefühl und mehr Selbstsicherheit".
Genau das ist das Kerngeschäft von Armand Herberger: "Hier geht es doch nicht um Jugend- oder Gesundheitswahn, das ist doch alles Unsinn", sagt Herberger, der sich über allzu geldgierige Kollegen aufregt: "Es geht hier um Lebensqualität. Die Menschen, die zu uns kommen, haben ein echtes Problem mit ihrem Äußeren. Und wir können es lösen." Er wolle und könne keine Falten komplett wegzaubern, "einfach nur Haut glatt ziehen ist nicht unsere Welt". Das Gesicht müsse vielmehr "seine Sprache behalten", erklärt er. Hunderte Dankesbriefe würden belegen, dass sich die Patienten anschließend wohler fühlten. Patient Ufer bestätigt das allzu gerne.
"Ich hab es für mich gemacht", meint der Unternehmer, "aber ich glaube schon, dass man grundsätzlich bessere Chancen im Beruf hat, wenn man besser aussieht." Er könne gut nachvollziehen, dass sich Männer um die fünfzig die Augenlider straffen lassen, damit sie etwa in Konferenzen nicht müde aussehen. "Wenn es die Möglichkeit gibt, frischer und jünger zu wirken – warum denn nicht?"
Herberger dagegen sieht derlei Eingriffe selbstverständlich weniger als Möglichkeit, sondern eher Selbstverständlichkeit oder Empfehlung: "Viele Führungskräfte wissen, dass ihre dynamische und vitale Ausstrahlung wichtig für ihren beruflichen Erfolg ist. Die Konkurrenz der Jüngeren ist schließlich immer da." Zeit, wirklich auszuspannen hingegen selten. Doch irgendwann sieht man dem Chef- Gesicht an, wie viel sein Träger arbeitet. Der Schönheits-Doktor aus der Pfalz wundert sich, dass so viele Gutverdienende Geld für Villen oder Autos ausgeben, aber nichts in ihren Körper investieren wollen – also in das "Wertvollste, was man hat". Über Preise will er nicht reden, Patient Ufer auch nicht. "Das hab ich mir halt gegönnt", lächelt der Bauunternehmer nur. Fünfstellig wird die Rechnung für die beiden Eingriffe schon gewesen sein Ufer leistete sich die Schönheits-Operation, die nach Zahlen der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch- Plastische Chirurgie 2011 die beliebteste in Deutschland war: Fast 19 Prozent der operierten Männer ließen sich Fett absaugen. Platz zwei der häufigsten Veränderungen war mit knapp 18 Prozent das Facelifting durch Lidstraffung, es folgen Nasenkorrektur und Botoxbehandlung. All diese Verschönerungen mögen vielleicht das jugendlich-dynamische Auftreten in der Firma unterstützen. Bei den sieben Prozent "Intimchirurgie" hingegen dürfte es den Auftraggebern wohl eher um die Karriere außerhalb des Büros und nach Feierabend gegangen sein.
"Bei der Fettabsaugung verwenden wir Mikrosonden, die Einstichstellen sind so klein wie ein Stecknagelkopf, der Patient ist am nächsten Tag wieder arbeitsfähig", verspricht Herberger. Das sei "vor allem bei Managern extrem wichtig, die sich nicht lange ausklinken können. Die haben ja keine Zeit". Selbst 20 Zahnimplantate ließen sich innerhalb von nur zwei Sitzungen machen.
Welche Firmenchefs sich ihm schon anvertraut haben, verrät Unternehmer Herberger selbstverständlich nicht. Er sagt nur, dass die meisten aus dem deutschsprachigen Raum kommen. Mit seiner Diskretion hat er Erfolg. Vor zwei Jahrzehnten hat er in Deidesheim begonnen, expandierte stetig und ist inzwischen Herr über ein 14-köpfiges Spezialistenteam sowie zahlreiche Operationsund Aufwachräume, eine Zahnklinik, ein Fitnesscenter und eine Ernährungsberatung. Zuletzt kam noch ein Klostergebäude – samt Weinbergen – dazu, das er gerade zu einem Kongresszentrum rund um die Schönheit umbauen lässt.
Das Geschäft läuft augenscheinlich, obwohl die Location eigentlich grotesk gewählt ist. Denn Deidesheim liegt inmitten des pfälzischen Wein- und Schlemmerparadieses, wo es Helmut Kohls Saumagen aus dem Deidesheimer Hof ebenso zu bundesweiter Bekanntheit gebracht hat wie manches Spitzen-Weingut. Ein Ort also, an dem man sich eigentlich nur den Bauch vollschlagen und folglich an Gewicht zulegen kann.
In den vergangenen Jahren allerdings hat sich hier – nicht zuletzt dank der Musenhofklinik – auch die Gegen-Ökonomie entwickelt, die der Verschlankungs- Dienstleistung. Zu Fuß kommt man hier innerhalb weniger Minuten vom Dickmacher zum Dünnmacher.