Das Museum Wiesbaden durchlebte während des Zweiten Weltkriegs und in den Jahren danach eine wechselvolle Geschichte. Von 1935 bis 1945, unter der Direktion von Hermann Voss, brach die dunkelste Zeit des Museums an. Voss war Sonderbeauftragter für ein von den Nationalsozialisten geplantes Linzer „Führermuseum“ und erwarb während seiner Amtszeit zahlreiche hochkarätige Gemälde, die in jüngerer Zeit auf ihre rechtmäßige Provenienz hin untersucht werden mussten oder aktuell noch untersucht werden. Nach Kriegsende wurde das Gebäude zum „Central Collecting Point" der US-amerikanischen Truppen als Sammelstelle der in Bergwerken verborgenen Kunstschätze aus Berlin – darunter beispielsweise die Büste der Nofretete (Ägyptisches Museum und Papyrussammlung im Neuen Museum) oder der „Mann mit dem Goldhelm“ aus Rembrandts Umkreis (Gemäldegalerie), aber auch zu einem zentralen Ort für die Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter. Organisiert von der „Monuments, Fine Arts & Archives Section“ wurden 345 Kunstschutzoffiziere, die „Monuments Men“ und „Monuments Women“ damit betraut, die kulturellen Schätze im zerstörten Nachkriegsdeutschland zu schützen und zu bewahren.
„Gerade die Geschichte unserer Hauses zeigt uns in aller Deutlichkeit, welchen Wert und welche Bedeutung die Bewahrung der Kulturgüter für die Gemeinschaft, aber auch für jede/n Einzelne/n hat. Besonderes Augenmerk legen wir dabei auf unrechtmäßig entzogenes Kulturgut, das wo immer möglich, den rechtmäßigen Eigentümerinnen und Eigentümern zurückzugeben ist,“ sagt Dr. Jörg Daur, stellvertretender Direktor des Museums Wiesbaden.
Das im Rahmen des Kulturförderprogramms „Hessen kulturell neu eröffnen“ geförderte Projekt „Sonic Memory“ ehrt die Arbeit dieser besonderen Einheit der US-Armee mit einer Outdoor-Hörstation vor dem Museum Wiesbaden. Mithilfe einer Handkurbel können Besucherinnen und Besucher selbst Strom erzeugen und sechs Tonstücke in deutscher und englischer Sprache anhören – ganz nach dem Motto „Geschichte zum Anfassen!“, so sagt Jürgen Czwienk, Initiator des Projektes. Für ihn stellt die Hörstation die „Stunde Null“ der deutschen Museumslandschaft dar. Es sei „eine Hörstation über die Kunst, ihre Geschichte und ihre transatlantische Bedeutung. In Erinnerung an Walter Farmer und die Monuments Men and Women, die sich ab 1945 engagiert um den Neubeginn an deutschen und europäischen Museen gekümmert haben.“
Hörstücke in Deutsch und Englisch
Insgesamt sechs Audiospuren erzählen vom Central Collecting Point Wiesbaden, seinem ersten Leiter Walter Ings Farmer und dem von ihm formulierten „Wiesbaden Manifesto“, das einzigartig in der deutschen Museumsgeschichte ist. Mit diesem Protestschreiben der Monuments Men wandten sich die amerikanischen Kunstschützer:innen gegen einen geplanten Transport von 200 Meisterwerke in die Vereinigten Staaten. Eine ergänzende Audiospur widmet sich der aktuellen Museumsarbeit von Restitution und Provenienzforschung.
Der Gründer der Monuments Men Foundation, Robert Edsel erklärt darüber hinaus die Aufgaben seiner Stiftung, die erst vor kurzem im National World War II Museum in New Orleans ihre neue Heimat gefunden hat (engl. Original). Ebenfalls erklingt aus der Station ein Ausschnitt aus einem Interview mit Monuments Man Kenneth Lindsay über seine persönliche Begegnung mit der berühmten Büste der Nofretete (engl. Original).
Realisiert wurde das Projekt von Jürgen Czwienk, Autor und Regisseur, dem Museum Wiesbaden mit Unterstützung der Freunde des Museums Wiesbaden e.V., dem Wiesbadener Kunstatelier Sonic Memory - Outdoor Hörstationen und der Monuments Men Foundation Dallas, TX. Czwienk hat bereits ähnliche Hörstationen in Gedenken an historische Ereignisse oder Persönlichkeiten errichtet, darunter beispielsweise vor der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt und Leipzig oder dem Stuttgarter Stadtpalais. Weitere Stationen sind in Planung, darunter auch am New Orleanser National WWII Museum.