Die drohende Klimakatastrophe, die weitreichenden Folgen der anhaltenden Covid-19-Pandemie und die zunehmende Gefährdung der Demokratien weltweit sind die großen Herausforderungen einer jungen Generation.
Der Titel der Ausstellung ist dem Titelsong der amerikanischen Band Garbage für den gleichnamigen James-Bond-Film aus dem Jahr 1999 entlehnt und ist damit teilweise älter als die ausstellenden Künstler:innen. Aus heutiger Sicht entspringt er einem fast naiven Verständnis der Welt und markiert ganz deutlich die Verwerfungslinie der Generationen in Bezug auf Themen wie Klima- und Umweltschutz, genderspezifische Hierarchisierungen und stereotype Feindbilder einer in simple politische Systeme aufgeteilten Weltordnung. Aus diesem Kontext befreit, versprüht der Titel eine positive Grundstimmung in Anbetracht des Bewusstseins, dass die Welt nie genug ist, aber dennoch immer der beste Ort für einen Neuanfang.
Welches Potenzial hat die Kunst, gesellschaftliche, ökologische und sozioökonomische Themen zu verhandeln? Wie kann Kunst gezielt einen Beitrag leisten, Problematiken zu erkennen, zu thematisieren, sinnlich-ästhetisch erfahrbar zu machen? Wie eine Zukunft zeichnen, die sich den Aufgaben der Zeit stellt, die wegweisend und vorwärtsgewandt agiert?
Gerade in einer Zeit, in der in Social-Media-Blasen kommuniziert wird, in der Fronten verhärtet und Meinungen durch ständige Wiederholungen von Phrasen in Bewegungsstarre zementiert erscheinen – so die These –, liefert Kunst die entscheidende Stellschraube, Erkenntnisse außerhalb gängiger Muster und Kommunikationsverhalten zu ermöglichen, den Diskurs voranzutreiben und damit Gesellschaft flexibel zu halten. Sie hilft, Haltung zu schulen und Differenzen auszuhalten.
Anlass zu dieser spezifischen Thematik ist unter anderem das Symposium Let’s get Sustainable: Art, Design and Architecture, das fachübergreifend konzipiert worden ist und von Mittwoch, 26., bis Freitag, 28. Januar, digital stattfindet (Anmeldung unter forum@muthesius.de).
Detaillierte Beschreibung
Bezug Mensch – Natur
The world is not enough but it is such a perfect place to start, my love beginnt im Außenbereich mit der Arbeit Baum mit Bitumen bestrichen von Marie Mausolf (*1992, D). Der Baum entwächst einem Betonsockel und markiert den Eingangsbereich des Brunswiker Pavillons. Bitumen wird als Bindemittel im Straßenbau eingesetzt, ist wesentlich für die Asphaltierung und steht hier sinnbildlich für die massive Überlagerung der Natur durch den Menschen. Die Rinde ist unter dem schwarzen Anstrich nicht mehr zu erkennen, der Baum scheint tot, allerdings blüht er im Frühjahr, bildet Knospen und Blätter und zeigt sich resistent.
Die Skulptur Schlammassel von Larah Theresa Stieper (*1999, D) handelt von einer anderen Form des Übergriffs des Menschen auf Natur. Zentral im Pavillon positioniert, besteht sie aus einer Kuhwanne vom elterlichen Hof der Künstlerin, die mit Torf aufgefüllt eine künstlich gestaltete Landschaft bildet. Bei Annäherung setzt sich der Torf in Bewegung, fängt der Boden förmlich an zu zittern. Der über Jahrhunderte praktizierte Torfabbau, die vorangegangene Trockenlegung von Mooren und Sumpflandschaften für die Gewinnung der Ressource ging einher mit bis zum heutigen Tage drastischen Folgen für die Natur.
Dentro de mim existe uma paisagem (dt. - In mir ist eine Landschaft) ist ein Künstlerbuch in Leporelloformat der brasilianischen Künstlerin Gabriela Lima da Cunha (*1995, BRA). Die Arbeit knüpft an Debatten über das gespannte Verhältnis von Mensch zur Natur an. Die entgegengebrachte Aufmerksamkeit und der intensive Annäherungsprozess im Akt des Zeichnens der „fremden“ Landschaften spiegeln den Wunsch der Künstlerin, Natur nicht auf eine zu konsumierende Ressource zu reduzieren, sondern durch die intensive, gar liebevolle Beschäftigung mit Landschaften eine sensiblere, mitfühlende Weise des Umgangs zu proklamieren.
Die multimediale Installation von Paola Donato Castillo (*1993, COL) besteht aus zwei Elementen: der Videoprojektion in situ sowie der kinetischen Skulptur Anemocoria - Hidrocoria. Fasziniert von den unterschiedlichen Mechanismen der Dispersion, wie Pflanzen die Streuung ihres Saatguts mittels Wind und Wasser gewährleisten, überträgt sie diese auf ihre individuelle Diaspora-Erfahrung. Der Wald wird zum Sehnsuchtsmotiv, Halt liefern die Betrachtung der Natur, das Nachspüren des Windrauschens und der Rückbezug, ein Teil im großen Ganzen zu sein.
Die Malerei Ausgewöhnen von Janna Schnoor (*2000, D) entstand, nachdem sie mit ihrem Freund den Sommer in der Natur gelebt hat, und zeigt ihn bei seiner morgendlichen Bartpflege. In der Ausstellung stellt die Arbeit die einzige figurative Darstellung des Menschen dar und zeichnet ihn in einem Spannungsverhältnis zur Natur. Die Irritation des alltäglichen Aktes in dafür ungewohnter Umgebung vergegenwärtigt trotz einer gewissen Romantisierung, wie weit sich der Mensch von der Natur distanziert hat, und fragt, ob es überhaupt möglich ist, einen post-anthropozentrischen Umgang herzustellen, in dem der Mensch nicht zentral gedacht wird.
Architektur - Design - Nachhaltigkeit
Anna Ruscher (*1992, D) widmet sich dem Baugut Glasbaustein, das vor allem in den 1960er und 1970er Jahren verwendet wurde, und der nostalgisch-emotionalen Konnotation, die dem Material anhaftet. Sie thematisiert den Bruch und die Perspektivverschiebung von der Großeltern-/Eltern-Generation zur heutigen. Schien damals der primäre Fokus aufs stolze Eigenheim mit Wind- und Sichtschutz hinter semitransparenten Glasbausteinen zu genügen, bedarf es heute den Blick auf das globale Ganze zu wenden, ist die Wahl des Baumaterials keine rein private, sondern eine ökologisch-politische Verantwortung.
Lasse Müllers (*1997, D) Waldhütte_2 ist eine aus Papier in Originalgröße nachgebildete Replik einer früheren Installation aus Ästen und Laub. Sie bildet für den Künstler eine symbolische Figur zwischen kindlichem Spiel, dem Gefühl von Unabhängigkeit und Schutz als primitive Bebauung sowie Grundstein der menschlichen Zivilisation. In der Ausstellung fungiert sie als Idealisierung, ist Abbild, das es ermöglicht, eine distanzierte Betrachtung heutiger Bebauung, ihrer Funktion und Auswirkungen bezüglich
Nachhaltigkeit, Ressourcenknappheit und Verhältnismäßigkeit anzuregen.
Die sachlich neutrale Fotoserie Warten auf Einsatz von Helena Wolter (*1998, D) besticht durch ihre Komposition aus kühlen Tönen und alarmierenden Neonfarben. Menschen sind auf den Fotos durch ihre Abwesenheit zu erahnen, keine Bewegung stört jedoch die gespannte Ruhe. Die Aufnahmen stammen aus den Räumen der Eutiner Feuerwehr in Schleswig-Holstein, die mit einer gesteigerten Waldbrandgefahr zu kämpfen hat und die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels direkt und hautnah zu spüren bekommt.
Für ihre Arbeit Copper blades verwendet Charlotte Bunse (*1998, D) recyceltes Kupfer und formt dieses zu charakteristischen Rotorblättern einer Windkraftanlage. Für den Betrieb einer einzigen Anlage werden bis zu 30 Tonnen Kupfer benötigt. Neben der schieren Masse hinterfragt Bunse kritisch den weltweiten Abbau der Ressource Kupfer und betont die oft komplexe Kalkulation, die notwendig ist, um eine fundierte Aussage über die ökologische Bilanz treffen zu können. Ästhetisch besticht die Arbeit durch ihren Glanz, zeigt die Spuren der Verarbeitung und ruft zu Sorgfalt auf, die jeder Ressource gebührt.
Jo Anneke Mückels (*2000, D) Skulptur Zuleitung verkehrt Größenverhältnisse: Ein handelsüblicher Antennenstecker, ein allgegenwärtiges oft ignoriertes Industrieprodukt, wird dadurch sowohl ästhetisch-formal als auch in seiner funktionalen Bedeutung durch seine Überdimensionierung in den Fokus gerückt. Als notwendige Erfindung zur medialen Übertragung von Informationen ist er relevant, ermöglicht er doch, Inhalte auszutauschen und Diskurse zu führen. Heutzutage stellt sich jedoch immer häufiger die Frage, wie Menschen medial miteinander kommunizieren und agieren, welche Technologie dafür verwendet wird und inwieweit diese tatsächlich dazu beiträgt, zu informieren und einen Austausch zu generieren.
Aleksandra Skorupkas (*2000, PL) Arbeiten sind geprägt von der Symbiose aus recycelten und natürlichen Materialien und bestechen durch kräftige Farben. Sie verwendet zur Färbung und Bemalung natürliche Produkte wie Rotkohlextrakt oder Sojamilch, die ohne chemische Zusatzstoffe eine Rückbesinnung auf nachhaltige Ressourcen markiert.
Das Prinzip des Upcyclings spiegelt ein verändertes Bewusstsein im Umgang mit natürlichen Ressourcen im Bemühen um Nachhaltigkeit und gegen Verschwendung. Aus Jutebeuteln, die für den Transport von Kaffee verwendet wurden, hat Dorothee Wenzel (*2000, D) Mode geschneidert. Sie stellt damit den Konsum durch einen enthemmten Turbokapitalismus mit globalen Liefer- und Ausbeutungsketten gerade in der Modebranche fragend zur Anklage und öffnet Perspektiven einer auf Sorgfalt basierenden Produktionsethik.