Einem Weltwunder gleich
Vielgestaltig in Form und Farbe wachsen die Buchen im Nationalpark Jasmund heran. Mal knorrig und gedrungen, mit langen Wurzelarmen an der Steilküste klammernd, mal lang nach oben gestreckt, wie die Säule einer Kathedrale, als Hallenwald. Mit farbiger Blütengesellschaft am Boden locken die Wälder im Frühjahr, buntbelaubt im Herbst, mystisch im Novembernebel jährlich 1 Million Besucher. Zusammen mit der weißblauen Kulisse der Kreideküste verliert man sich leicht in der Faszination der Bilder und Stimmungen und denkt an Weltwunder.
Gut geschützt, die Familie der Buchenwälder
„Dass diese Wälder vor 10 Jahren UNESCO-Welterbe wurden, ist jedoch nicht nur ihrer Faszination zu verdanken. Geschützt wird hier der größte zusammenhängende Buchenwald im baltischen Raum“, erläutert der Dezernent und Leiter des Nationalparks Jasmund, Dr. Ingolf Stodian, und ergänzt: „Dieser befindet sich seit 10 Jahren in guter Gesellschaft der 5 wertvollsten alten Buchenwäldern von den Mittelgebirgen bis an die Küste Deutschlands.“ Die Buchenwälder bilden Europas ursprüngliche Wildnis. Leider blieb nur sehr wenig unseres „Urlebensraumes“ übrig. Reste echter Urwälder wachsen nur noch in den Karpaten und wurden im Jahr 2007 zum ersten Teil der Welterbestätte. Die fünf deutschen Waldgebiete im Jasmund, Kellerwald, Hainich, in der Schorfheide und bei Serrahn folgten. Die unversehrtesten ältesten Buchenwälder in 12 europäischen Ländern machen seit 2017 das UNESCO-Welterbe „Alte Buchenwälder und Buchenwälder der Karpaten und anderer Regionen Europas“ komplett.
Buchenwälder erleben
10 Jahre UNESCO-Welterbe Alte Buchenwälder sind ein guter Anfang für den Schutz der letzten wertvollen Wälder Europas und ein guter Anlass, mal wieder in den Wald zu gehen, mit offenen Augen und Ohren sowie mit viel Zeit.
Wer zudem einen Blick auf die europäischen Geschwister der Jasmunder und Serrahner Buchen werfen möchte, findet dazu nach dem Lockdown die Ausstellung „Die Buche – eine starke Europäerin“ im Kreidesaal des Nationalpark-Zentrums KÖNIGSSTUHL. Aber auch jeweils mitten im Wald locken Rast und Welterbeausstellung im UNESCO-Welterbeforum im Nationalpark Jasmund sowie ein Erlebnispfad und eine Ausstellung im Serrahner Teil des Müritz-Nationalparks.
Welterbe feiern
„Wir freuen uns schon darauf, wenn wir mit unseren naturbegeisterten Gästen dieses Jubiläum feiern können. Unsere Vorbereitungen zu diversen Jubiläumsveranstaltungen rund um das Welterbe schreiten voran. Insbesondere der Monat Juni – der Welterbemonat – liegt hierbei in unserem Fokus“, sagt Franziska Trommer, Sprecherin des Nationalpark-Zentrums KÖNIGSSTUHL. „Denn wir planen am UNESCO-Welterbetag, dem 6. Juni, sowie am Tag der Nominierung, nur wenige Wochen später, ein rundum buntes Familienangebot mit einer Welterbepirsch, tollen Wanderungen und Fotosafaris durch unser schönes Welterbe. Als Veranstaltungsort soll, wie auch schon zu Ostern oder Herrentag, unsere kleine Waldschwester, das UNESCO-Welterbeforum dienen.“
Neu: Webseite und Film
Naturfreunde, die noch nicht in die Wälder reisen können oder dürfen, finden aber auch einen virtuellen Startpunkt für eine Reise in Europas Wildnis. Die überarbeitete und neu aufgesetzte Webseite Weltnaturerbe-Buchenwaelder.de inspiriert und informiert mit zahlreichen Texten, Bildern und Videos. Darunter ein neuer Film, der in die Jasmunder Buchenwälder entführt und anlässlich des Jubiläums produziert wurde. Auch wenn der digitale Wald den echten nicht ersetzen kann, er macht Lust, verbreitet Neugierde und bereitet den nächsten Ausflug in unser aller Welterbe vor.
Europas letzte Wildnis
Gemessen an den über 8000 Jahren, die die Buchenwälder nach der Eiszeit brauchten, um weite Teile Europas zu erobern, sind die 10 Jahre kaum spürbar. In der Geschichte des Schutzes der letzten alten und ökologisch wertvollsten Waldreste, setzten die Akteure der Welterbestätte Zeichen. „Diese alten Buchen, Zeitzeugen der Erdgeschichte, bewahren ein Erbe für uns, unsere Enkel und für noch alle kommenden Generationen“, so Prof. Dr. Hans Dieter Knapp. Er engagierte sich als Naturschützer und Waldexperte maßgeblich für die Gründung der ostdeutschen Nationalparke sowie die UNESCO-Anerkennung der Wälder. Der Schutz dieser einzigartigen Naturräume kostet Kraft und Gemeinschaft von aktiven Menschen aus Naturschutz, Verwaltungen, Politik, von Partnern national wie international. Dass der Erhalt Europas letzter Wildnis längst nicht selbstverständlich ist, zeigen zum Beispiel verstörende Bilder kahlgeschlagener Berghänge aus Rumänien, wo unwiederbringlich ein intaktes Ökosystem Buchenwald, potenzielle Welterbefläche und letztlich eine Stück Europas Wildnis verloren gingen und gehen.
Nationalparkamt Vorpommern
Nationalpark-Zentrum KÖNIGSSTUHL
Sassnitz, 30. Januar 2021