Es handelt sich nämlich nicht um ein Waldproblem, sondern um ein Forstproblem, da zumeist naturferne Wirtschaftsforste von der Trockenheit der letzten beiden Sommer und von dem Befall durch Borkenkäfer betroffen sind“, betonten Harry Neumann, Bundes- und Landesvorsitzender der Naturschutzinitiative e.V. (NI) sowie Diplom-Biologe Konstantin Müller, Vorstand der NI.
Nach Ansicht des Umweltverbandes Naturschutzinitiative e.V. (NI) müssen deshalb endlich die richtigen und zukunftsweisenden Schlüsse beim Waldumbau gezogen werden.
„Wenn jetzt allerdings durch staatliche Förderung ein System anfälliger Forst-Monokulturen bzw. Holzfabriken am Leben erhalten werden soll, die ursächlich für das aktuelle Problem sind, begibt sich der Forst nach den Kalamitäten in den 80er Jahren erneut auf den Holzweg“, erklärte Dipl.-Biologe Immo Vollmer, Naturschutzreferent der Naturschutzinitiative e.V. (NI).
Auch werden teilweise falsche Ableitungen aus der Forstkrise von Lobbyverbänden wie der Windkraftbranche gezogen, die andere Beweggründe haben.
„So ist es wissenschaftlich nicht haltbar, die neuen Waldschäden alleine dem Klimawandel zuzuschreiben. Das Kernproblem ist, dass Bäume vielfach an nicht dafür geeigneten Standorten angepflanzt wurden und werden. Weiterhin ist die derzeitige Waldbewirtschaftung viel zu intensiv, wodurch verhindert wird, dass der Wald sein eigenes stabiles Innenklima entwickeln kann“, so Dipl.-Biologe Konstantin Müller, Vorstand der NI.
Die klimatischen Stressfaktoren in diesem und letzten Jahr wirken sich außer auf Grenzstandorten nicht flächig aus, sondern hauptsächlich dort, wo der Wald durch Entwässerungen, Bauprojekte oder eine nicht an den nachhaltigen Schutz des Waldes ausgerichtete Forstwirtschaft vorgeschädigt wurde.
Trotz der augenfälligen Schäden in Fichtenforsten sollte jegliche Panikmache vermieden werden. Diese führt einerseits nur zu neuen Zukunftsproblemen und andererseits liegt ihr häufig auch nur die Kaschierung finanzieller Geschäftsinteressen zu Grunde. In naturnahen und geschlossenen Wäldern sind Bäume dagegen überwiegend robust gegenüber den momentanen Stressfaktoren.
Von der Naturschutzinitiative e.V. (NI) werden daher die folgenden Schritte gefordert:
1. Schutz und Optimierung naturnaher Wälder
Ein naturnaher Wald mit hoher Spreizung der Altersklassen und einem hohen Anteil von Starkholz ist besonders widerstandskräftig. Gerade den Baumarten der natürlichen Vegetation kommt eine hohe Bedeutung zu, da diese weitgehend an die klimatischen Extreme angepasst sind. Auch in Südeuropa bzw. in Wärmegebieten zeigen sich die in Europa heimischen Baumarten in vitalen Beständen.
Besonders bedeutsam ist die Entwicklung weg von Holzplantagen hin zu einer ökologischen Waldwirtschaft, in der strukturreiche und gestufte Wälder mit hohem Alt- und Biotopbaumanteil gefördert werden. Daneben sind dringend schonende Erntemethoden mit der vorwiegenden Nutzung von Einzelbäumen oder Baumgruppen (Femeln) anzustreben. Von diesen Wäldern ist anzunehmen, dass sie auch eine besonders hohe Leistungsfähigkeit für die CO2-Bindung haben. Insgesamt muss auch global gehandelt werden, wobei der weltweite Raubbau an Wäldern gestoppt werden muss. Denn ohne dieses sind sämtliche Anstrengungen zur CO2-Reduktion in Deutschland Makulatur.
2. Keine Aufforstung mit Fremdbaumarten, Vorrang für die natürliche Sukzession
Die Aufforstung mit fremdländischen, nicht standort- oder lebensraumtypischen Baumarten ist eine wesentliche Ursache des aktuellen Waldproblems und würde auch für die Zukunft neue Probleme für ein schwer kalkulierbares Waldbild bringen. Forste mit nicht heimischen Arten sind immer ein „Kunstzustand“, der nicht dem grundsätzlichen Anspruch des Schutzes heimischer Vegetation entspricht. Europäische FFH-Schutzgebiete brauchen verstärkt naturnahe Waldgesellschaften. Viele heute als Zukunftsarten diskutierte Arten wie die Douglasie haben zudem negative Wirkungen auf den Wasser- und Bodenhaushalt und sind strikt abzulehnen.
Aufforstung sollte eine Ausnahme sein, da die leicht gesteuerte natürliche Sukzession über eine Phase der Pionierbaumarten (z.B. Birke, Sal-Weide, Zitter-Pappel) mit späterer Förderung der Nutzhölzer auch hinsichtlich des Naturhaushaltes den größten Nutzen für die Biodiversität und einen wirklichen ökologischen Waldumbau bietet.
3. Schutz des natürlichen Wald-Innenklimas, der Böden und der Wasserretention im Wald
Eine nicht an den Schutz des Waldes ausgerichtete Forstwirtschaft mit großflächigem Schirmschlag und standortschädigenden Erntemethoden mit schweren Harvestern ist mit ursächlich für den aktuellen Zustand. Ein geändertes Bestandsklima und eine verminderte Pufferung verdichteter- oder entwässerter Böden hinsichtlich Niederschlagswasser bedingen einen erhöhten Stress der Bäume.
Dagegen ist die Wasser-Retention im Wald zu erhöhen. Dazu sind natürliche Feuchtwälder und Nichtwaldvegetation an Stauwasserstandorten (z.B. Quellmoore, Niedermoore, feuchte Hochstaudenfluren) besonders zu schützen und zu entwickeln. Frühere Entwässerungen sind rückgängig zu machen.
4. Keine Windkraft im Wald
Unabhängig von den nicht mit dem Erhalt verschiedener Arten einhergehenden Schlagopferzahlen bei Fledermäusen und Großvögeln ist Windkraftnutzung im Wald auch aus waldbaulichen Gründen abzulehnen. Wälder in Hochlagen sind gebietsweise durch die teilweise recht gleichmäßig verteilten Windindustriebauvorhaben regelrecht durchlöchert, da pro Windindustrieanlage bis zu 1 ha Wald vernichtet werden.
Hinzu kommen die breiten Schneisen, die für Zuwegung und vor allem für die großen Fahrzeuge (Bau/Wartung) erforderlich sind. Das Waldinnenklima ist in Windparks erheblich gestört. Sekundärschäden sind vorprogrammiert. Böden sind im Zug der Baumaßnahmen stark verdichtet und die teils bis zu 10 m tiefen Baugruben für die Fundamente zerstören oft die oberflächennahen Wasserkreisläufe und Wasserretention im Gebiet. Auch werden hier nicht zu beseitigende Altlasten für die Zukunft geschaffen. Die für den Eingriff favorisierten vermeintlich weniger naturschutzbedeutsamen Forste sind zudem besonders empfindlich gegenüber einer Bestandsöffnung. Letztendlich steht auch in der CO2-Bilanz nur ein fragwürdiges Ergebnis, wobei die Vernichtung von CO2-bindender Waldvegetation in Verbindung mit dem Ressourcenverbrauch eine vermeintlich zur CO2-Einsparung installierte Technik in Frage stellt.
5. Wald als großflächiges Ökosystem für alle Wildtiere schützen
Den Forderungen nach einer großflächig starken Reduktion des Schalenwildes „zum Schutz des Waldes“ widerspricht die NI. Der Wald muss Raum für naturgemäße Wildbestände haben, die Teil des Waldbiotops sind. Hierzu gehört auch unsere größte heimische Wildart, der Rothirsch. Das Schalenwild wirkt in vielerlei Hinsicht auch positiv auf einen naturnah gestuften Wald mit einer guten Abfolge der Altersklassen und einer hohen natürlichen Artenvielfalt. Ein grundsätzlich wichtiges Wildtiermanagement kann hier differenzieren. Dabei sollte ein Mindestanteil der Waldfläche als besonders vorrangiger Wildtierlebensraum vorzuhalten sein.
Dieses darf aber nicht im Sinne isolierter Rotwildbezirke erfolgen, da im Sinne des Genaustausches eine Vernetzung notwendig ist. Ein Anteil an Kalamitätenflächen könnte zukünftig prioritär der Wildäsung dienen, um den Artenreichtum auch an Kräutern und Wirbellosen zu fördern und den Fraßdruck aus Wirtschaftsbeständen zu nehmen.
„Gerade jetzt wäre es an der Zeit, dass sich die Bewirtschaftung unserer Wälder an ökologischen Gesichtspunkten ausrichtet und nicht an den Interessen der Holzindustrie. Der Forst muss dringend wieder mehr Personal bekommen, damit er auch seiner ökologischen Verantwortung nachkommen kann. Die Holzmobilisierung muss erheblich reduziert und der Aufbau naturnaher Wälder sowie aus der Nutzung genommener Waldflächen muss deutlich erhöht werden“, so Harry Neumann, Immo Vollmer und Konstantin Müller.