Eine aktuell publizierte Untersuchung in „Biological Conservation“ untersuchte die Auswirkungen von Windkraftanlagen auf Seeadler in den wichtigsten Bundesländern Ihrer Verbreitung. Die beteiligten Autoren Christof Hermann und Christian Heuck untersuchten die Zusammenhänge zwischen Windraddichte, Habitatqualität und Populationsdichte von Seeadlern in Bezug auf tödliche Kollisionen an den Windrädern.
Der Seeadler hat seit Jahren in Deutschland eine zunehmende Ausbreitungstendenz und ist mittlerweile als Brutvogel in Bayern wieder angekommen.
In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Der Falke“ (Juli 2019) beschreibt der renommierte Ornithologe Thomas Krumenacker die Ergebnisse dieser Studie. Grundlage hierfür waren die zwischen 2003 und 2014 tot aufgefunden Adler an Windkraftanlagen und Horsten in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Brandenburg.
Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass man bei der Windkraftplanung nur dann einen effektiven Schutz für Greifvögel gewährleisten könne, wenn neben den pauschalen Abstandsregeln von 1500 Meter beim Rotmilan und 3000 Meter beim Seeadler zusätzlich die Kernverbreitungsräume von Windparks freigehalten werden.
Nur das reine Abstandskriterium zum Horst sei auch deshalb nur eine Behelfslösung, weil dadurch Nichtbrüter ohne Brutplatzbindung nicht gezielt geschützt würden. Im Ergebnis gibt es in Schleswig-Holstein und Brandenburg mehr Kollisionsopfer von Seeadlern als in Mecklenburg-Vorpommern, obwohl in Mecklenburg-Vorpommern die meisten Seeadler vorkommen. Das zusätzlich zu den Abstandskriterien großräumige Freihalten von „Dichtezentren“ in Mecklenburg-Vorpommern sei daher der bessere Weg, um diese Arten zu schützen.
Vergleichbare Bedingungen liegen beim Rotmilan vor. Der Rotmilan ist eine Vogelart, dessen größtes Verbreitungsgebiet in Deutschland liegt. Hier leben ca. 60% des weltweiten Bestandes.
Der Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) und die Universität Göttingen werteten bis 2015 annähernd 30.000 beringte Rotmilane und 1.500 Tot-Wiederfunde aus. Die im „Journal of Ornithology“ veröffentlichte Analyse belegt eine starke Abnahme von erstjährigen Vögeln über mehr als 40% von den siebziger Jahren bis heute.
Die Überlebenswahrscheinlichkeit von Altvögeln sank danach von 1974 bis 2014 in einem beständigen Negativtrend von 0,26% pro Jahr.
„Wenn wir den Natur- und Artenschutz wirklich ernst nehmen, brauchen wir einen sofortigen Ausbaustopp für die Errichtung von Windindustrieanlagen. Der kürzlich vorgestellte UN-Weltbiodiversitätsbericht zum dramatischen Rückgang der Arten hat auf erschreckende Art und Weise deutlich gemacht, dass wir den Schutz der Arten und der Biologischen Vielfalt viel stärker in den Vordergrund stellen müssen. Klimaschutz ohne Natur- und Artenschutz macht keinen Sinn“, erklärte Roland Dilchert, Ornithologe und Länder- und Fachbeirat des Umweltverbandes Naturschutzinitiative e.V. (NI).
„Klimaschutz ist nur ein Teil eines umfassenden Schutzes von Biossphäre und Atmosphäre. Naturschutz, Schutz der Biodiversität, Landschaftsschutz und Klimaschutz müssen jedoch immer zusammengedacht werden. Weitere entscheidende Faktoren für das weltweite Artensterben und für die Klimaveränderung wie die Zerstörung von Lebensräumen, die fortschreitende Versiegelung, die industrielle Landwirtschaft, der Pestizideinsatz, die Rodung von Wäldern, die illegale Jagd, die Überfischung und Verschmutzung der Meere und viele andere Faktoren dürfen nicht länger ignoriert werden. Wer die Biodiversität einseitig dem sogenannten Klimaschutz opfert, handelt verantwortungslos und zerstört unsere Lebensgrundlagen“, erklärte Harry Neumann, Bundesvorsitzender der Naturschutzinitiative e.V. (NI).