Bei einem Spaziergang durch die Natur- und Kulturlandschaften zeigen sich Naturkennern mittlerweile überall die negativen Auswirkungen einer immer mehr globalisierenden Wirtschaft.
„Die Luft der Feldflur war früher noch in alle Richtungen erfüllt vom Gesang der Feldlerche, dem Vogel des Jahres 2019. Obwohl wir uns noch immer an einer recht reichhaltigen Natur erfreuen können, ist die Situation dennoch sehr ernst. Es besteht dringender Handlungsbedarf“, erklärte Arno Werner, Länder- und Fachbeirat des Umweltverbandes Naturschutzinitiative e.V. (NI). Andere Feldvögel wie Rebhuhn und Wachtel sind bereits in weiten Regionen aus der Feldflur verschwunden.
Der kürzlich veröffentlichte Welt-Biodiversitätsbericht zeigt noch einmal deutlich auf, dass es wenige Hauptfaktoren sind, die für das dramatische Artensterben verantwortlich sind. Erfolg oder Misserfolg von Hilfsmaßnahmen werden auch zu einem Schlüssel für das Überleben der Menschheit werden.
Die wichtigsten Faktoren sind der Verlust der bisherigen Lebensräume und ihrer Vielfalt durch die Intensivierung der Nutzung zu Land und Wasser, die Entwertung der Nutzflächen durch Verarmung an Strukturen und Nährorganismen, die direkte Vernichtung von Organismen durch Biozide, die Übernutzung natürlicher Vorkommen und die fortwährende Anreicherung unserer Umwelt mit Umweltgiften oder Nährstoffen (Stickstoff) aus Landwirtschaft und Verkehr.
„Klimatische Veränderungen spielen zwar auch eine Rolle, sind aber im Vergleich zu den direkten Lebensraumzerstörungen eher nachrangig und von teils auch ungesichertem Charakter. Naturschutz darf daher nicht auf Klimaschutz reduziert werden. Dieses kann den katastrophalen Artenschwund noch befeuern“, so Harry Neumann, Landesvorsitzender der NI. So steht der Lebensraumverlust oder die Lebensraumzerstörung über den Anbau von Energiepflanzen, Entwertung unberührter Waldgebiete durch Windkraft, der Aufstau von Gewässern oder hohe betriebsbedingte Tötungsraten an Windkraftanlagen und Wasserturbinen fast immer im Gegensatz zum Artenschutz. „Grüner Strom, bei dem Verbrauch ohne Reue möglich ist, gibt es nicht. Der einzig naturverträgliche Strom ist der, der nicht verbraucht wird“, so der Naturschützer von der NI.
Die Feldlerche als Charaktervogel der offenen Feldflur wurde hauptsächlich durch Verarmung an Nutzungsvielfalt und der Anzahl von Parzellen in Verbindung mit einer immer intensiver werdenden Landnutzung und dem Einsatz von Bioziden an den Rand des Aussterbens in vielen Regionen gebracht.
Arno Werner, der z.B. im Fuldatal in Hessen seit längerer Zeit eine 133 ha große Untersuchungsfläche bei Bebra betrachtet, stellt auch bei der Feldlerche einen leichten Rückgang fest, während andere Feldvögel wie Rebhuhn und Wachtel schon verschwunden sind. „Die Feldflur ist im Vergleich mit früher durch eine markante Artenverarmung gekennzeichnet“, so Arno Werner. „Interessant wird heute die Feldflur mehr zur Zugzeit, wo gerade im Fuldatal auf den offenen Ackerflächen viele Vögel rasten.“ Unter Berücksichtigung dieser Gäste können in seinem Untersuchungsgebiet im Fuldatal noch 62 heimische Vogelarten beobachtet werden.
Häufige Bearbeitungsgänge, eine dichte Aussaat des früh hochwachsenden Wintergetreides oder Raps und Mais, der Verlust von Saumstrukturen oder Graswegen, die die vor den Flurbereinigungen in den 80er Jahren noch zahlreicheren Parzellen verbanden oder der Einsatz von Bioziden haben die Feldvögel weitgehend vertrieben.
Eine dramatische Situation haben wir auch bei den Wiesenbrütern wie zum Beispiel Braunkehlchen und Wiesenpieper. Im Westerwald, der hierfür noch vor wenigen Jahrzehnten ein bundesweites Kernvorkommen beherbergte, befinden sich diese Arten flächendeckend in einem grandiosen Sinkflug mit einem Rückgang bis zu 85% - sogar in den europäischen Vogelschutzgebieten.
Ein sehr großer Hebel des Handelns oder auch Instrument des Scheiterns stellt die europäische Agrarförderung dar. Hier fordert die Naturschutzinitiative e.V. (NI) die bestehende Agrarförderung der EU so umzubauen, dass diese öffentlichen Gelder ausschließlich für Maßnahmen verwendet werden, die dem Artenrückgang vor allem in unserer Kulturlandschaft entgegenwirken.
„Artenvielfalt ist kein Luxusproblem, sondern die Grundlage unseres langfristigen Überlebens, sozusagen unsere Lebensversicherung. Der Erhalt der Biologischen Vielfalt und der Arten ist die größte Herausforderung für das Überleben der Menschheit“, betonte Harry Neumann, Landesvorsitzender der NI.
Der Schwund an Arten und Lebensräumen kann auch in Euro und Dollar abgeschätzt werden. Geld, das in immer höherem Ausmaß dafür ausgegeben werden muss, die Schäden des menschlichen Handelns zu lindern, könnte durch ein ökologisches Handeln eingespart werden. Entsprechend sind öffentliche Gelder schon jetzt vorwiegend zur Sanierung von Umweltschäden anzusetzen.
Immo Vollmer, Naturschutzreferent der NI und Harry Neumann fordern als nächsten notwendigen Schritt eine europäische Agrarreform, die öffentliche Gelder verbindlich an öffentliche Leistungen knüpft. Alle Agrarsubventionen, die die Biologische Vielfalt zerstören und den Artenschwund weiter beschleunigen, müssen abgeschafft werden. Dazu gehört auch ein flächendeckendes Verbot von Pestiziden wie Neonikotinoide zur Insektenbekämpfung oder das Totalherbizid Glyphosat, so die Naturschützer von der NI.
Für viele Feldlandschaften in Deutschland wünschen sich die Naturschützer von der NI jedenfalls ein Schutzprogramm zur Feldlerche. Durch ein Weniger an Intensität, dem Einschalten von Brachen oder zumindest dem Belass von kleinen unbewirtschafteten Flecken in einem größeren Feldkomplex (sogenannte „Feldlerchenfenster“) könnte noch der begabte Sänger erhalten werden wenn wir das alle wollen. „Denn was wäre unsere offene Agrarlandschaft ohne diese Himmelsgesänge, die vielfach auch Dichtkunst und Musik inspirierte“, so Arno Werner, Immo Vollmer und Harry Neumann.