Deutschland stagniert. Für das laufende Jahr erwartet das ifo-Institut null Prozent Wachstum. Für nächstes Jahr sind es gerade mal 0,9 Prozent. Das ifo konstatiert, dass damit „...die Wachstumsprognose gegenüber der ifo Konjunkturprognose Sommer 2024 deutlich um 0,4 Prozentpunkte für das laufende Jahr und um 0,6 Prozentpunkte für das Jahr 2025 gesenkt...“ wurde. Setzt sich der Trend fort, kann es also damit noch schlimmer kommen als bisher angenommen. Das renommierte Institut aus München spricht insbesondere von einer „strukturellen Krise“, in der ...“Dekarbonisierung, Digitalisierung, demografischer Wandel, Corona-Pandemie, Energiepreisschock und eine veränderte Rolle Chinas in der Weltwirtschaft etablierte Geschäftsmodelle unter Druck setzen“ und Deutschland von diesen Veränderungen im Vergleich zu anderen Ländern besonders stark betroffen ist.“ Insbesondere das verarbeitende Gewerbe, welches einen vergleichbar hohen Anteil der Wirtschaftsleistung in Deutschland ausmacht, leidet unter dem wachsenden Konkurrenzdruck aus China, den hohen Energiekosten, und dem Transformationsbedarf im Zuge der Digitalisierung und Dekarbonisierung. Paradebeispiel ist der Volkswagen-Konzern, der durch all diese Faktoren unter massiven Druck geraten ist. Doch was kann die EZB im Rahmen ihres derzeitigen Handlungsspielraumes tun, um Deutschland und die Eurozone aus ihrer Misere zu holen?
Zunächst ist wichtig zu verstehen, dass die EZB-Geldpolitik für den gesamten Euroraum betreibt. Damit muss die Notenbank die Entwicklungen über alle Eurozonenländer in der Ausrichtung ihrer Geldpolitik berücksichtigen. Dennoch fällt Deutschland durch die wirtschaftliche Größe natürlich deutlich mehr ins Gewicht im Rahmen von geldpolitischen Erwägungen. Deutschland macht rund 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der gesamten Eurozone aus.
Den größten Einfluss auf die deutsche Wirtschaft hat die EZB gewiss über die Steuerung der Leitzinssätze. Diese geben unter anderem vor zu welchem Zinssatz sich Geschäftsbanken Geld bei der EZB leihen können. Damit steuert die EZB aktiv die Nachfrage nach Krediten und damit den Konsum und die Investitionen, was wiederum die wesentlichen Treiber des Wirtschaftswachstums darstellen. Sind die Zinsen niedrig wird in der Regel mehr investiert und konsumiert, was mit einem höheren Wirtschaftswachstum einhergeht. Glücklicherweise besteht in der Eurozone trotz einiger Zinssenkungen in diesem Jahr weiterhin großes Potential die Zinsen zu senken und damit der Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Davon könnte Deutschland profitieren.
Neben der Steuerung der Leitzinsen kann die EZB über Anleihekäufe die Finanzierungskosten von ihren Mitgliedsländern senken. Das gilt insbesondere für all jene Länder, die mit hohen Risikoprämien zu kämpfen haben, wie etwa Italien oder auch Spanien. Die EZB hat schon öfters angekündigt, wenn notwendig gegen „unverhältnismäßige“ Risikoprämien vorzugehen. Damit könnten öffentliche Haushalte entlastet werden und mehr Möglichkeiten für Investitionen eröffnen. Dieses Szenario könnte eintreten, wenn potentielle Zinssenkungen vollkommen ausgeschöpft worden sind und einige Mitgliedsländer mit sichtbaren Finanzierungsproblemen zu kämpfen haben, wie etwas Griechenland während der Eurokrise. Ein dritter wichtiger Hebel könnte die Deregulierung des Finanzsystems sein, wie z.B. die Verringerung von Mindestreserven, um die Risikobereitschaft von Banken zu erhöhen. Das ist natürlich nicht ohne Risiko und könnte langfristige Folgen wie etwa die Finanzkrise 2008 haben.
Die EZB kann vor allem die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, um Wachstum zu ermöglichen. Umsetzen muss aber immer noch die Politik und vor allem die Wirtschaft. Auch wenn sich das geldpolitische Umfeld sehr wahrscheinlich immer günstiger entwickelt wird, liegt es an allen Marktteilnehmern sich gemeinsam den Herausforderungen zu stellen und Lösungen zu entwickeln. Die Politik wird es nicht allein schaffen und die Wirtschaft auch nicht.