So verwundert es nicht, dass sich auch die Europäische Zentralbank (EZB) immer intensiver mit der Frage auseinandersetzt, wie die Arbeit und Geldpolitik der EZB einen positiven Beitrag leisten kann.
Doch welche Mittel stehen der EZB zur Verfügung und stehen diese im Einklang mit dem eigentlichen Mandat der Notenbank? Erfahren Sie in der heutigen Ausgabe des Zinskommentars alles Wissenswerte über Klimarisiken und die Ansätze einer „grünen“ Geldpolitik.
Markt-Monitoring und Ausblick
Kurzfristiger Zins: Der 3-Monats-Euribor fällt seit Mitte März 2020 von - 0,161% auf aktuell - 0,537%. Bis Mitte 2021 erwarten wir einen Seitwärtsverlauf zwischen - 0,50% und - 0,60%. Dieser orientiert sich an der Einlagenfazilität der EZB.
Langfristiger Zins: Der 10jährige SWAP-Satz/3M steht derzeit bei - 0,03%. Mit Sicht auf die nächsten 6-12 Monate rechnen wir mit steigenden Kapitalmarktzinsen. Ob es sich um eine echte Zinstrendwende handelt, oder nur um einen Zinsbuckel wie in 2011, beantworten wir Ihnen gerne in einem persönlichen Gespräch.
Warum der Klimawandel der EZB nicht egal sein kann
In fachlichen Diskussionen rund um den Klimawandel wird regelmäßig von sogenannten Klimarisiken gesprochen. Doch was sind Klimarisiken eigentlich und warum könnten diese relevant für eine Notenbank wie die EZB sein?
Im Allgemeinen sind Klimarisiken all jene Risiken, die mit den direkten oder indirekten Auswirkungen des Klimawandels in Verbindung stehen. Oft werden Klimarisiken im Kontext von Unternehmen und Banken betrachtet. Hierbei kann man zwischen zwei Hauptrisiken unterscheiden: (i) physische Risiken (zu Engl. physical risks), wie z.B. Brände, Hitzewellen oder Überschwemmungen, die zu Produktionsengpässen führen können; und (ii) Übergangsrisiken (zu Engl. transition risks), welche durch eine klimafreundliche Politik (z.B. die CO2-Steuer) entstehen und vor allem klimaschädliche Industrien betrifft.
Auch wenn beide Risiken unabhängig voneinander betrachtet werden, sind sie doch eng miteinander verbunden. So können „umfangreichere klimapolitische Maßnahmen die Folgen von Übergangsrisiken in naher Zukunft verschärfen, aber zugleich die Wahrscheinlichkeit des Eintretens physischer Risiken in den kommenden Jahrzehnten verringern“ (Luis de Guindos, 2021).
Beide Risiken bedrohen die Finanzstabilität insofern, dass Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten geraten könnten und es somit zu Verlusten auf Seiten der Finanzinstitute kommt. Folglich bedrohen Klimarisiken unmittelbar die Finanzstabilität der Eurozone, welche die EZB als einen Teil seiner Verantwortungsbereiche betrachtet. Zudem haben Klimarisiken unmittelbar Auswirkungen auf die Preisstabilität, da Hitzewellen und darauffolgende Ernteausfälle zu steigenden Lebensmittelpreisen führen können.
Um die Effekte von Klimarisiken auf Unternehmen und Banken besser einordnen zu können, hat die EZB bereits einen gesamtwirtschaftlichen Klimastresstest entwickelt, dessen vorläufige Ergebnisse in einem Blogbeitrag des Vizepräsidenten der EZB vorgestellt wurden. Laut des Klimastresstestes „beinhaltet ein schnelles Handeln wesentlich geringere Kosten, als ein Ausbleiben klimapolitischer Maßnahmen. Die kurzfristigen Kosten für die Anpassung an Umweltschutzmaßnahmen sind deutlich niedriger als die mittel- bis langfristigen Kosten, die durch Naturkatastrophen entstehen“ (Luis de Guindos, 2021). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Klimarisiken eine reale Bedrohung für die Finanz- und Preisstabilität sind, der in naher Zukunft begegnet werden muss, da es sonst sehr teuer werden könnte.
Welche Ansätze verfolgt also die EZB, um den Klimarisiken zu begegnen?
Zunächst hat die EZB am Anfang dieses Jahres das Zentrum für Klimawandel gegründet, um verschiedene Arbeitsstränge innerhalb der EZB zu bündeln. Die neue Abteilung konzentriert sich hierbei auf fünf Arbeitsfelder: (i) Finanzstabilität und Aufsichtspolitik; (ii) makroökonomische Analyse und Geldpolitik; (iii) Finanzmarktoperationen und -risiken; (iv) EU-Politik und Finanzregulierung; und
(v) unternehmerische Nachhaltigkeit. Darüber hinaus ist die EZB Teil eines Netzwerkes (zu Engl. Network for Greening the Financial System) aus Zentralbanken und Aufsichtsbehörden von fünf Kontinenten.
Nach Aussagen von Christine Lagarde sieht sich die EZB in der Rolle der Erfassung und Überwachung von Klimarisiken, sowie der Aufsicht und Beratung von Banken.
So hat die EZB bereits einen Leitfaden für den Umgang mit Klimarisiken für Banken veröffentlicht. Banken könnten etwa bestimmte Klimarisiken in die Kreditvergabe mit einpreisen und dadurch höhere Zinsen von Unternehmen verlangen, die hohen Klimarisiken ausgesetzt sind. Darüber hinaus kann die EZB den Aufkauf von Unternehmensanleihen an bestimmte Bedingungen knüpfen, wie z.B. eine klimaneutrale Verwendung der Mittel.
Dies wird unter Ökonomen jedoch kontrovers diskutiert, da eine solche Vorgehensweise das eigentliche Mandat der EZB untergräbt. Eine Bevorzugung von bestimmten Industrien oder Unternehmen führt nämlich zu Preisverzerrungen am Markt. Neben gezielteren Anleihekaufprogrammen kann die EZB die Vergabe von Zentralbankgeld an Banken an bestimmte Bedingungen (z.B. eine höhere Eigenkapitalquote) knüpfen, die in irgendeiner Form Klimarisiken berücksichtigen. Außerdem kann die EZB eigene Mittel, die keine geldpolitische Funktion erfüllen müssen, in klimafreundliche Unternehmen investieren.
So hat die EZB erst kürzlich in einen Fonds (EUR BISIP G2) für gründe Anleihen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) investiert.
Klimarisiken sind Risiken für die Finanz- und Preisstabilität der Eurozone und damit relevant für die EZB. Die Beurteilung und Quantifizierung von Klimarisiken ist hoch komplex, weshalb die EZB mit der Gründung des Zentrums für Klimaschutz den Grundstein für ein besseres Verständnis der Thematik legen konnte.
Auch wenn wir uns immer noch am Anfang einer langfristigen Transformation befinden, kann die EZB schon heute erste Akzente setzen und ein starkes Signal an die europäische Wirtschaft senden. Mit Christine Lagarde hat die EZB eine Präsidentin, die nicht nur das Thema ernst nimmt, sondern auch entschlossen ist zu handeln.
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