Zinswende in der Eurozone: Auf schnellem Sinkflug?
Am 17. Oktober verringerte die EZB alle drei Leitzinssätze, die Einlagefazilität, den Hauptfinanzierungssatz, und den Spitzenfinanzierungsatz, um 25 Basispunkte. Der Hauptfinanzierungssatz wird dabei häufig als „der Leitzins“ betitelt, und liegt mit 3,4 Prozent zwischen der Einlagefazilität (3,25 Prozent) und dem Spitzenfinanzierungsatz (3,65 Prozent). In den Ausführungen der jüngsten Entscheidung die Leitzinsen zu senken, führte jedoch die EZB die Einlagefazilität als den Zinssatz auf, „...mit dem wir den geldpolitischen Kurs steuern“ und welcher „...unsere aktualisierte Beurteilung der Inflationsaussichten, die Dynamik der zugrunde liegenden Inflation und die Stärke der geldpolitischen Transmission...“ widerspiegelt. Das Hervorheben eines Leitzinssatzes ist ein Novum in der Kommunikation der EZB und hat wohl damit zu tun den kleinsten der drei Leitzinssätze in den Köpfen der Marktteilnehmer zu verankern.
Setzt die EZB ihren derzeitigen geldpolitischen Kurs fort und senkt in allen der neun kommenden Sitzungen bis Ende 2025 den Leitzins (Hauptfinanzierungssatz) um 25 Basispunkte, könnte der Zinssatz bis zum Ende des nächsten Jahres auf bis 1,15 Prozent fallen (Vgl. Abbildung 1). Das entspricht einer Differenz von 2,25 Prozentpunkte gegenüber dem heutigen Niveau. Die jüngsten Inflationsdaten stützen tatsächlich eine solche Entwicklung. Zuletzt betrug die jährliche Inflationsrate 1,7 Prozent und liegt damit seit langem wieder unter dem Inflationsziel von 2 Prozent. Doch bleibt das auch so?
Vertraut man den Analysten der EZB, ist das nicht der Fall. Im Gegenteil. Die Währungshüter erwarten gar eine wieder anziehende Inflation, da „...vorangegangene starke Rückgänge der Energiepreise aus den Jahresraten herausfallen werden.“ Das könnte der Zinswende den nötigen Rückenwind geben, um das noch bestehende zügige Tempo zurechtfertigen. Zumindest kurzfristig, denn „im Laufe des nächsten Jahres dürfte die Inflation dann auf den Zielwert zurückgehen.“ Insgesamt erwartet die EZB eine durchschnittliche Inflation von 2,2 Prozent für das nächste Jahr.
Damit dürften die Leitzinsen weiter fallen, auch wenn eine kurze Atempause erwartbar wäre. Zudem könnten die Basiseffekte von einer zunehmend schwachen Konjunktur kompensiert werden, die auch in den USA immer mehr spürbar wird.
Eskalieren die Krisenherde der Welt nicht noch weiter, ist mit einer stetigen „Normalisierung“ der Leitzinsen zu rechnen bzw. einer Entwicklung Richtung der Nullprozentmarke, wie es vor der Coronakrise der Fall war. Der wachsende, größte, und langfristig bestehende Risikofaktor für die Inflation und Geldpolitik bleibt der Klimawandel. Doch dieser ist nahezu unberechenbar, womit eine Berücksichtigung in entsprechenden Projektionen unsinnig erscheint. Zumindest noch.
Häuslebauer und die gesamte Baubranche sollte die derzeitige Entwicklung freuen. Doch was an der Finanzierung gespart wird, könnte beim Kaufpreis draufgezahlt werden. Grundsätzlich profitieren Kreditnehmer, inklusive dem Staat, während Sparer wieder zu risikoreicheren Anlagen wechseln müssen, um hohe Renditen zu erzielen.