Zwei Jahrtausende lang waren Klöster Zentren des Wissens, der Spiritualität und Macht - und meist hermetisch abgeschottet gegen die Außenwelt. Heute öffnen immer mehr dieser Inseln der Ruhe zivilisationsmüden und von Stress geplagten Gästen ihre Tore: In Deutschland bieten bereits weit über 100 Klöster eine "Einkehr auf Zeit". Ostbayern liegt mit dem Urlaub hinter Klostermauern ganz vorne. In keiner anderen Region Deutschlands ermöglichen mehr Abteien Außenstehenden, einige Tage im Tagesrhythmus der Mönche zu leben. Allein sechs Benediktinerklöster zwischen Passau und Regensburg haben in diesem Sommer den "Urlaub mit den Mönchen" im Angebot - und die Programme werden immer beliebter. Für viele Klosterziele gibt es bereits heute lange Wartezeiten.
Beim Urlaub im Kloster ticken die Uhren noch anders. Hier fällt es leicht, abseits des Massentourismus auf eine Zeitreise durch die Jahrhunderte zu gehen. Das niederbayerische Kloster Niederaltaich beispielsweise bietet Männern all inclusive die Möglichkeit, eine Woche mit den Mönchen zu leben, um in der Stille, im Gebet, im Gespräch und in spezieller geistlicher Unterweisung eine Neuorientierung für das eigene Leben zu finden. Die fast 1300 Jahre alte Abtei Niederaltaich im Landkreis Deggendorf in Niederbayern war vor rund 50 Jahren bundesweit das erste Kloster, das sich den weltlichen Bewohnern öffnete. Bekehren wollen die Mönche die "Klosterurlauber" nirgendwo. Die Gäste sollen wichtige neue Impulse für ihr Leben finden und Raum, sich jenseits vom Alltagsstress zu entfalten, heißt es in der Werbung der Klöster für die Aufenthalte auf Zeit.
Mehrere tausend Manager, Politiker, Mediziner und Juristen haben sich in Ostbayern in den letzten 45 Jahren bereits den schwarzen Chormantel der Benediktiner übergeworfen. Der "Ausstieg ins Kloster" ist allerdings alles andere als ein Komforturlaub: Ein Tag in einer der ostbayerischen Benediktinerabteien Niederaltaich, Rohr, Metten, Schweiklberg, Plankstetten und direkt am Donaudurchbruch bei Weltenburg beginnt in der Regel morgens um halb sechs mit dem Gebet. Nach einer Stunde in Stille frühstücken die Mönche. Danach folgt eine halbe Stunde der Zwiesprache mit Gott. Der Arbeitstag beginnt um acht: mit Gartenarbeit, Handwerk, lernen und lesen in der Bibliothek. Nach dem Mittagsgebet lauschen die Mönche auf Zeit dem Lektor, der Gelehrtes oder Nachdenkliches liest. Am Nachmittag bleibt Zeit für Spaziergänge am "Grünen Dach Europas" oder an der Donau und für Einzelbegegnungen. Das Tageswerk endet nach der Nachmittagsarbeit mit dem Abendgebet. Nach dem Essen ruft die Klosterglocke zum Gebet und zur Nachtruhe - noch bevor draußen im Fernsehen die Tagesschau über den Bildschirm flimmert.
"Wer ausschließlich Erholung sucht oder Urlaub machen möchte, für den ist ein Kloster nichts", warnt Frater Franziskus Neuhausen, der im niederbayerischen Kloster Rohr (Landkreis Kelheim). Gut geeignet sei der Urlaub abseits der Hektik der Welt für Menschen, die zur Ruhe kommen oder abschalten, sich aber nicht gleich durch Gelübde an diese Lebensform binden wollen.
Trotz des scheinbar unattraktiven Urlaubsverlaufs suchen heute immer mehr Wohlstandsmüde, Gestresste, Wahrheitssuchende, Einzelgänger, Festgefahrene und Ausgebrannte im Kloster die Ruhe vor der Welt, seelischen Frieden und oft einen Weg zu sich selbst. Dafür halten freiheitsliebende Künstlernaturen gehorsam strenge Stundenpläne ein, Erfolgsmenschen gewöhnen sich an karge Menüs und harte Möbel, Manager unterwerfen sich dem Schweigegebot.
Eine Woche im Kloster ("Vollpension mit Nasszimmer") kostet in Ostbayern zwischen 300 und 500 Euro. Nicht eingeschlossen sind in diesen Preisen allerdings die weltlichen Vergnügungen, die Klosterurlaubern während ihrer "Auszeit" bei den Mönchen vorenthalten bleiben, aber als "Urlaubssouvenirs" und Erinnerung an den Urlaub abseits des Lärms der Welt sehr beliebt sind: Schnaps und Bier aus den klostereigenen Brauereien und Likörmanufakturen, die nahezu jeder Abtei angeschlossen sind.