Rund 80.000 Menschen in Deutschland müssen regelmäßig zur Dialyse. Diese künstliche Blutwäsche ist dann nötig, wenn die Nierenfunktion stark eingeschränkt ist oder die Nieren völlig versagen. Bei der Dialyse wird das Blut eines Menschen von giftigen Stoffwechselprodukten gereinigt, weil die Nieren dazu nicht mehr in der Lage sind. Trotz verbesserter Verfahren und besserer Begleitbehandlung durch Medikamente kann die Dialyse allerdings bei sehr vielen Betroffenen keine Gesundung erreichen: „Die Sterberate von Dialysepatienten ist mit jährlich rund 20 Prozent bis heute erschreckend hoch“, sagt Professor Dr. August Heidland, ehemaliger Leiter der Abteilung für Nephrologie der Medizinischen Universitätsklinik und des Kuratoriums für Heimdialyse in Würzburg. Gemeinsam mit Forschern der Universität Würzburg und den italienischen Kollegen Professor Biagio Di Iorio und der Professorin Stefania Marzocco wurde jetzt eine Studie abgeschlossen, deren Ergebnisse Dialyse-Patienten neue Hoffnung geben könnte: Danach könnte die regelmäßige Einnahme von kurzkettigen Fettsäuren eine wichtige Rolle spielen, um bei den niereninsuffizienten Patienten Entzündungen im Körper abzuschwächen und den Prozess zu verlangsamen, bei dem eigene Körperzellen angegriffen werden und zu Herz-Kreislauf-Problemen führen.
Bei Patienten mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz sind insbesondere auch Giftstoffe aus dem Darm an der urämischen Intoxikation, vereinfach gesagt einer Vergiftung des Harns, beteiligt. Diese bilden eine wesentliche Ursache für die systemische Entzündung und den so genannten oxidativen Stress. Unter oxidativem Stress versteht man, dass im Organismus zu viele freie Radikale vorhanden sind, die der Körper nicht mehr „einfangen“ kann. Die Folge: Der Körper greift seine eigenen Zellen an. Die permanent erhöhten Entzündungswerte im Organismus und der Angriff auf die eigenen Zellen schädigen das Herz-Kreislauf-System und führen zu Muskelabbau, zu Blutarmut und verminderter körperlicher Leistungsfähigkeit von Dialysepatienten.
„Die biochemische Störung ist zum Teil eine Folge einer unzureichenden Produktion von kurzkettigen Fettsäuren“, so war die Vermutung von Professor Heidland. Gemeinsam mit seinen Forscherkollegen in Würzburg und Italien wollten sie herausfinden, ob die Zufuhr von kurzkettigen Fettsäuren als Nahrungsergänzungsmittel— in diesem Fall Natriumpropionat — Dialyse-Patienten helfen kann.
Deutlich verbesserte Entzündungswerte
An der Pilotstudie nahmen 20 Dialyse-Patienten teil. Sie erhielten über drei Monate hinweg zweimal täglich 500 Milligramm Natriumpropionat als Ergänzung zur Nahrung. Natriumpropionat ist in Deutschland unter dem Handelsnamen Propicum erhältlich. Die Wissenschaftler untersuchten das Blut der Teilnehmer zu Beginn, zur Halbzeit, am Ende sowie vier Wochen nach Abschluss der Behandlung. „Die Ergebnisse waren verblüffend“, sagt Studienleiter Professor Heidland. Die Blutwerte verbesserten sich deutlich: So verringerte sich der Wert des hochsensitiven C-reaktiven Proteins (CRP), das Entzündungen im Körper anzeigt, um rund die Hälfte (minus 46 Prozent).
Deutlich zurück gingen auch wichtige Entzündungsparameter (wie Interleukin IL-2 und IL-17a). Gleichzeitig konnte gezeigt werden, dass ein entzündungshemmender Botenstoff (IL-10) während der Behandlung mit Natriumpropionat bei den Patienten durchschnittlich um 71 Prozent anstieg. Günstig beeinflusst wurde ein Faktor, dem eine wesentliche Rolle in der Fibrose-Entwicklung zugeschrieben wird (Transforming Growth Factor). Fibrose ist die krankhafte Vermehrung von Bindegewebe in Organen. Zwei besonders gefährliche im Darm gebildete Urämie-Gifte (Indoxylsulfat und p-Cresolsulfat) gingen zudem signifikant um bis zu 50 Prozent zurück. Diese spielen für die systemische Entzündung eine wichtige Rolle und werden für die Schädigung des Herz-Kreislauf-Systems verantwortlich gemacht.
Weniger oxidativer Stress, besserer Eisen-Stoffwechsel
Auch beim oxidativen Stress fanden die Forscher positive Ergebnisse: Hier sanken die Parameter, die diesen im Körper anzeigen, um rund 30 Prozent. Der Eisen-Stoffwechsel — viele Dialyse-Patienten leiden an einer unter anderem auch durch einen gestörten Eisen-Transport hervorgerufenen Blutarmut — verbesserte sich. Als „eindrucksvoll“ bezeichneten die Autoren der Studie auch die Besserung der Insulinresistenz. Diese Störung mit der begleitenden Erhöhung des Insulinspiegels fördert die Entwicklung von Fettstoffwechselstörungen, Herz-Kreislauferkrankungen und die Entstehung von Krebs. Vier Wochen nach dem Ende der Behandlungsphase verschlechterten sich alle verbesserten blutchemischen Parameter erneut.
Bessere Lebensqualität und keine gravierenden Nebenwirkungen
Die Patienten der Pilotstudie berichteten auch über eine bessere Lebensqualität, eine erhöhte körperliche Funktionsfähigkeit, eine bessere allgemeine und psychische Gesundheit sowie insgesamt über mehr Vitalität. Außer gelegentliches Völlegefühl traten keine relevanten Nebenwirkungen auf. Kein Patient verließ die Studie wegen Intoleranz gegenüber Natriumpropionat.
Gemeinsam mit seinen Wissenschaftler-Kollegen in Italien plant Professor Heidland eine Fortsetzung der Studie. „Weitere kontrollierte Studien sind in einer größeren Kohorte über einen längeren Zeitraum erforderlich, um die klinische Relevanz zu bewerten“, sagt er. Unter anderem soll dann auch untersucht werden, ob — wie er vermutet — kurzkettige Fettsäuren bei Dialyse-Patienten auch die Immunabwehr und die Funktion des Herz-Kreislauf-Systems verbessern können.
Zahlreiche Studien zu kurzkettigen Fettsäuren
Die Wirkungen kurzkettiger Fettsäuren auf die Zusammensetzung der Darmbakterien und deren Beeinflussung von Körperfunktionen sind derzeit Gegenstand zahlreicher Untersuchungen in Deutschland und im Ausland. Kurzkettige Fettsäuren dienen nach dem aktuellen Stand der Forschung besonders denjenigen Darmbakterien als Nahrung, die eine besondere Schutzfunktion für den Menschen haben: Diese können Entzündungen im Körper verhindern bzw. verbessern und den menschlichen Organismus vor einem Angriff auf körpereigene Zellen schützen helfen. Ein intaktes Zusammenleben der verschiedenen Bakterien schützt die Darmwand und verhindert, dass sie für Krankheitserreger und Giftstoffe durchlässig wird.
Kurzkettige Fettsäuren können die „guten Bakterien“ im Darm jedoch nur produzieren, wenn ausreichend Ballaststoffe beziehungsweise Pflanzenfasern mit der Nahrung zugeführt werden. Die Darmbakterien zerlegen Ballaststoffe in einzelne Bestandteile, so dass der Körper sie aufnehmen kann. Viele Menschen schaffen die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlene Menge von mindestens 30 Gramm Ballaststoffen täglich nicht. Für viele Dialyse-Patienten ist dieser Wert ohnehin schwer erreichbar: Wegen des hohen Gehalts an Kalium und Phosphat dürfen Dialyse-Patienten Ballaststoffe und Obst nur eingeschränkt zu sich nehmen. Aus diesem Grunde erscheint die Gabe von kurzkettigen Fettsäuren bei diesen Patienten besonders vielversprechend.
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