Bessere Klimabilanz als Bäume: Friedrichshäuser Bruch spart jährlich 166 Tonnen CO2-Emissionen ein
Die Wiedervernässung ist Voraussetzung für das Wachstum spezieller Torfmoose, aus denen sich der Moorkörper aufbaut. Gräben und aufwachsende Fichten entziehen dem Gebiet bisher das Wasser und lassen das Moor schwinden. Dabei werden viele Tonnen Kohlendioxid frei, die zur Klimaerwärmung beitragen. Ein intaktes Moor dagegen speichert CO2 beim Wachsen der Torfmoose. Hat sich das Friedrichshäuser Bruch nach der Renaturierung erholt, arbeitet das Gebiet langfristig wieder als Kohlenstoff-Senke. Ersten Berechnungen zufolge werden hier künftig166 Tonnen CO2-Emmissionen pro Jahr eingespart. Das Moor leiste damit langfristig mehr für den Klimaschutz als ein Wald, so die Analyse der Wissenschaftler.
Wasserhaushalt im Mittelgebirge verbessern
Weiterhin wollen die Landesforsten mit dem Moorschutz auch den Wasserhaushalt der Mittelgebirgslandschaft Solling verbessern. Moore speichern wie ein Schwamm beachtliche Niederschlagsmengen und wirken ausgleichend bei Starkregenfällen. Außerdem steigern sie die Bildung von sauberem Grundwasser. Nach dem Hochwasser im Sommer 2017 und zwei Trockenjahren in Folge werde der Gewässerschutz und die Versorge für Trinkwasser immer wichtiger, erklärt Naturschutzförster Kai Conrad. Waldökologe Conrad und sein Kollege Ulrich Schlette konnten in den vergangenen Jahren viel Erfahrung bei der Moorrenaturierung im Solling sammeln. Über eine Millionen Euro investierten die Forstämter Dassel und Neuhaus in den letzten 10 Jahren in die Belebung ihrer Waldmoore. Rund 30 Einzelmoore zählen Forstleute zwischen einem und 60 Hektar Größe, darunter das bekannteste, das Hochmoor Mecklenbruch bei Silberborn. „Sämtliche ehemalige Moor- und Feuchtwaldstandorte im Solling sind kartiert und nun gehen wir bei der Renaturierung systematisch und nach Prioritäten vor. Rund 250 Hektar nasse Standorte sind in gutem Zustand oder bereits renaturiert. Das ist ein Drittel der langfristig geplanten Fläche“, bilanziert Förster Kai Conrad.
Finanzielle Unterstützung vom Land Niedersachsen und der EU
Finanzielle Unterstützung erhalten die Landesforsten sowohl vom Land Niedersachsen, als auch durch Fördermittel der EU. Aktuell laufen mit dem Hangmoor Wildenkiel im Forstamt Neuhaus und dem Friedrichshäuser Bruch im Forstamt Dassel zwei große Moorrenaturierungen im Solling. Die Projekte sind über mehrere Jahre angelegt und umfassen jeweils über eine Million Euro. Der Großteil der Kosten wird durch das Förderprogramm “Klimaschutz durch Moorentwicklung“ übernommen, denn auch die EU und das Land Niedersachsen haben die Bedeutung dieser seltenen Biotope erkannt und wollen deren Renaturierung vorantreiben.
Moorflächen wurden entwässert und aufgeforstet oder abgetorft
Ursprünglich nahmen Moorflächen im Solling weit mehr Raum ein als heute. Fachleute schätzen sie auf über 1.000 Hektar. Die meisten Moore waren nach der letzten Eiszeit in den vergangenen fünf- bis zehntausend Jahren an Stellen entstanden, wo viel Wasser austritt, aber schlecht abläuft. Das Moor wuchs dabei nur langsam in die Höhe – um maximal einen Millimeter Torf pro Jahr. In den letzten zwei Jahrhunderten wurden jedoch fast alle Moore entwässert. Im Solling geschah das hauptsächlich, um sie danach mit Fichten aufzuforsten. Nur im Torfmoor und im Mecklenbruch wurde auch Torf gestochen. Die Entwässerung stoppte das Moorwachstum und das Torf zersetzte sich. Zehn- bis zwanzigfach so schnell wie das Wachstum baut sich die Torfschicht ab und entlässt so große Mengen CO2 in die Atmosphäre, wie sie in den Jahrtausenden zuvor hier eingelagert wurden. So auch im Friedrichshäuser Bruch, das im 19. Jahrhundert durch Gräben trockengelegt und teilweise aufgeforstet wurde. Von den einst meterhohen Torfschichten ist an vielen Stellen noch über ein Meter übrig und es leben noch Torfmoose und andere wichtige Moorpflanzen im Gebiet. "Sonst wäre eine Renaturierung gar nicht sinnvoll", sagt Kai Conrad. Das Bruch biete sich auch wegen der immer noch gut schüttenden Quellen und der relativ hohen Niederschlägen für eine Wiedervernässung an. Nicht zuletzt sei es mit 30 Hektar eines der größten Moore im Solling und beherberge besonders seltene Pflanzenarten.
Zusammenarbeit mit Forschung und Naturschutz empfiehlt umfangreiches Hilfspaket
Das Friedrichshäuser Bruch ist gleich dreifach geschützt, das Forstamt arbeitet eng mit Partnern aus Naturschutz und Forschung zusammen. Einerseits ist es ein altes Naturschutzgebiet und Teil des FFH-Gebietes „Wälder und Moore im Hochsolling“. Die Naturschutzbehörde des Landkreises Northeim ist daher in alle Maßnahmen eingebunden und begrüßt das Projekt ausdrücklich. Schließlich verfolgt die Ausweisung von Schutzgebieten das Ziel, Ökosysteme von Beeinträchtigungen zu befreien und als dauerhaftes Zuhause für seltene Tier- und Pflanzenarten zu entwickeln. Gleichzeitig ist das Moor eine Forschungsfläche der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt in Göttingen. Über Jahrzehnte hat die Versuchsanstalt dokumentiert, wie sich das Moor verändert. Dabei stellten Forstwissenschaftler fest, dass sich die hier nicht heimische Fichte immer stärker ausbreitet und die typische Moorvegetation verdrängt. Holländische Moorexperten und andere Fachleute hatten zuletzt erkundet, wie man das Moor wiederbeleben kann. Die im Februar 2020 begonnenen Arbeiten sind Teil des umfangreichen Hilfspaketes, mit dem das gefährdete Naturschutzgebiet gerettet werden soll.
Gemeinwohlaufgabe für kommende Generationen
Nach dem Fichtenaushieb, der die Wasserabgabe durch die Bäume reduziert und lichtliebende Moorpflanzen begünstigt, sollen im Hochsommer die Entwässerungsgräben verschlossen werden, um das Wasser wieder im Moor zu halten. „Die Niedersächsischen Landesforsten als Anstalt öffentlichen Rechts sind nicht nur der Holzproduktion verpflichtet, sondern auch dem Gemeinwohl kommender Generationen: also dem Erhalt der Erholungsfunktion und der biologischen Vielfalt, dem Klimaschutz, Hochwasserschutz sowie dem Schutz des Grundwassers. Mit der nun begonnenen Renaturierung des Friedrichshäuser Bruches werden diese Ziele in die Praxis umgesetzt.“ Unterstreicht Dr. Klaus Merker, der Präsident der Landesforsten, diese auf Generationen angelegte Aufgabe.