Hohes Strafmaß für den Besitz von Kinderpornographie erwies sich als schwierig
2021 beschloss der Gesetzgeber, das Strafmaß für den Besitz von Kinderpornographie deutlich anzuheben und ein Mindeststrafmaß von drei bzw. sechs Monaten festzulegen. Im ersten Augenblick ein sinnvoller Schritt, jegliche Form von Kinderpornographie ist zurecht geächtet und nicht akzeptiert. In der Praxis erwies sich die neue Reform jedoch als sehr problematisch, da nicht mehr individuell und fallabhängig entschieden werden konnte.
Rechtsanwalt Nikolai Odebralski ist auf Sexualstrafdelikte spezialisiert und setzt sich mit Themen wie diesen im Berufsalltag auseinander. Für ihn ist die Rückabwicklung des 2021 angehobenen Strafmaßes richtig und wichtig. „Es geht nicht darum, tatsächliche Fälle nicht oder weniger zu bestrafen“, so der Anwalt. Wichtig sei stattdessen, den Strafrahmen an das tatsächliche Delikt anzupassen.
Bis zum Jahr 2024 hätte eine Lehrerin, die ein kinderpornographisches Bild von einer besorgten Mutter zugeschickt bekam und es zur Kenntnisnahme weiterleitete, mit einer Mindeststrafe von einem Jahr verurteilt werden müssen. Selbst wenn dem Gericht klar gewesen wäre, dass dahinter keine sexuelle Motivation steckt, wäre ein anderes Urteil praktisch unmöglich gewesen. Grund hierfür ist, dass seit 2021 allein der Besitz und die Weiterleitung eines kinderpornographischen Bildes strafrechtlich zu verurteilen ist, der Kontext dabei aber keine Rolle spielt.
Herabsetzung der Mindeststrafe erleichtert den Umgang mit Tatvorwürfen
Der neu geltende Strafrahmen erleichtert Rechtanwälten wie Nikolai Odebralski den Umgang mit seinen Mandanten. Der seit über zehn Jahren tätige Jurist ist überzeugt davon, dass Ermittlungsverfahren auch außerhalb von öffentlichen Verhandlungen durchgeführt werden sollten. Oft ist die Öffentlichkeit nämlich die größte Strafe für Beschuldigte. Unabhängig von der tatsächlichen Schuld reicht bereits der Verdacht aus, um gesellschaftliche Ächtung auszulösen.
Kritiker behaupten, dass die Herabsetzung des Strafmaßes Tätern in die Hände spiele. Es wird sogar argumentiert, dass der neue §184 kinderpornographischen Straftaten Vorschub leisten würde. Kriminologisch lässt sich diese Annahme allerdings nicht bestätigen. Es gilt als erwiesen, dass sowohl die Erhöhung als auch die Herabsetzung des Strafmaßes nicht mit der Entscheidung eines Täters zur Begehung korreliert. „Kein Täter wägt vorher mit dem Strafgesetzbuch ab, ob sich die Tat im Hinblick auf die Strafe lohnt“, so Odebralski.
Hauptverhandlung kann gesellschaftliches Ansehen massiv beeinflussen
Das Problem an öffentlich ausgetragenen Hauptverhandlungen ist die Strafe, die weit über den juristischen Rahmen hinausgeht. Der Vorwurf des Besitzes von Kinderpornographie führt zu Hass, Aggressivität, Ablehnung einer Person. Oft wird der mediale Eimer der Abscheu bereits ausgeschüttet, bevor ein Delikt verhandelt oder gar bestraft wurde. Durch öffentlich durchgeführte Hauptverhandlungen werden Beschuldigte zugänglich für Hass und Häme durch Dritte. Das ist eine Strafe, die weit über das eigentliche Strafmaß hinausgeht, denn sie hält lebenslänglich. Ein einmal ruinierter Ruf wird oft auch dann nicht mehr gänzlich hergestellt, wenn sich die Vorwürfe im Nachklang als haltlos erwiesen. „Etwas bleibt hängen“, erklärt der Rechtsanwalt mit über zehn Jahren Erfahrung und verweist auf all die Fälle im Sexualstrafrecht, die er erfolgreich betreut hat.
Durch den neuen Strafrahmen wird es wieder möglich sein, Ermittlungsverfahren diskret durchzuführen und die Persönlichkeit bzw. das gesellschaftliche Leben der Beschuldigten nicht völlig aus den Fugen zu bringen.
Sowohl politisch als auch in juristischen Kreisen ist man froh über diese neue Regelung. Dabei will man betont wissen, dass es nicht darum geht, Tätern Delikte bezüglich Kinderpornographie straflos durchgehen zu lassen. Es geht insbesondere um Individualität von Fall zu Fall. Der Besitz von Kinderpornographie muss vom Kontext heraus betrachtet werden. Am Fallbeispiel der Lehrerin ist klar, dass diese sich laut Gesetz strafbar gemacht hat, ihre Intention aber weder der eines Täters entspricht noch strafwürdig ist.