"Wartezeiten auf einen Termin sind ja ein großes Problem. Manche Patienten sollen ja schon jetzt Termine im Juli und August vereinbaren, auch wenn sie noch gar nicht krank sind." Mit einem Augenzwinkern eröffnete WDR2-Moderator Tom Hegermann die Diskussion. Der gut gefüllte Saal im TKS-Bildungszentrum belegt das große Interesse am Thema.
Die Analyse war deutlich: Die steigende Zahl älterer Menschen und der medizinische Fortschritt lassen den ärztlichen Versorgungsbedarf steigen. Das Durchschnittsalter der
Ärzte zeigt den künftig hohen Bedarf an jungen Medizinern. Derzeit sei Ärztemangel in der Region noch gekennzeichnet durch Einzelfälle im ländlichen Raum und an den Rändern der Großstädte, doch 2030 könnten allein im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein bis zu 1700 Hausärzte fehlen, warnt deren Vorsitzender Dr. Peter Potthoff.
Während Staatssekretärin Hoffmann-Badache auf Erfolge und Ziele der Landesregierung verweist, wird der Ärztevertreter konkreter: So sei die Versorgung rechnerisch zwar gesichert, regional gebe es jedoch große Unterschiede. Vom Anfang einer gefährlichen Entwicklung mag Potthoff dennoch nicht sprechen, der Bezirk Nordrhein stehe in der ärztlichen Versorgung heute sogar vergleichsweise gut da. Die Zahl der Fachärzte liege sogar über dem Bedarf, die der Hausärzte sei ebenfalls ausreichend.
Dass die Situation an manchen Orten völlig anders aussieht, machen zwei Mediziner aus dem Duisburger Norden deutlich, so gebe es im Bereich Beeck/Bruckhausen von ehemals 16 Hausarzt-Praxen heute nur noch neun, Tendenz fallend. Den Grund dafür sieht der KV-Vorsitzende vor allem bei den fehlenden Privatpatienten in sozial benachteiligten Stadtteilen. Die Versorgung dort sei gefährdet, meinen die beiden Duisburger Hausärzte. Beide sprachen zudem von stetig steigender Arbeitsbelastung.
Einig sind sich die Staatssekretärin, die an diesem Abend die erkrankte Ministerin Barbara Steffens vertritt, und der Vorsitzende der Kassenärzte darin, dass die ärztliche Versorgung künftig anders organisiert werden müsse. Vor allem viele Frauen würden dem Hausarzt-Beruf sonst den Rücken kehren und bei der Versorgung fehlen. Wichtig sei, die Arbeitsbedingungen für Ärztinnen und Ärzte flexibler und familienfreundlicher zu gestalten, darin sind sich beide einig. Auch Teilzeit-Arbeit müsse es vermehrt geben - allerdings mit der Folge, dass ein Patient in der gleichen Praxis nicht immer den gleichen Arzt antreffe.
Staatssekretärin und Ärztevertreter fordern zudem eine deutliche Entlastung der Mediziner bei allen Tätigkeiten, die nicht zwingend ein Arzt ausüben müsse. Wie das jedoch im einzelnen geschehen könne, diese Antwort bleiben beide an diesem Abend schuldig. Dass dringender Veränderungsbedarf besteht, machte gegen Ende der Diskussion wiederum ein Duisburger Hausarzt deutlich: Er habe bis zu Beginn der Veranstaltung in seiner Praxis gearbeitet und müsse nun, nach zwei Stunden Diskussion, noch Hausbesuche machen.
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