"Jedes Unternehmen braucht Steuerungs- und Frühwarnsysteme", erläutert Prof. Mühlbauer, "schon seit Jahrzehnten spielt deshalb das Controlling, also die Gewinnung und Nutzung von Kennzahlen zur Bewertung von Tendenzen eine zentrale Rolle im Management. Die Balanced Scorecard unterscheidet sich von den meisten anderen Systemen in zwei wesentlichen Punkten. Erstens berücksichtigt sie nichtmonetäre aber wichtige Faktoren wie die Unternehmensidentität und die Interessen der sogenannten Stakeholder. Und zweitens ist sie sowohl einfacher als auch zuverlässiger - wenn die Messgrößen richtig definiert werden."
Die beteiligten Krankenkassen haben die Balanced Scorecard nicht erfunden - das haben die Harvard-Wirtschaftswissenschaftler Robert S. Kaplan und David P. Norton Anfang der 1990er Jahre getan. Neu ist am aktuellen Projekt die Anpassung der Balanced Scorecard an die spezifischen Wettbewerbsbedingungen im deutschen Gesundheitswesen.
"Das deutsche Gesundheitswesen ist ein stark reglementierter Markt", sagt Gesundheitsökonom Prof. Dr. Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen, dessen Mitarbeiter David Matusiewicz als Initiator des Expertenpanels beteiligt ist, "dessen Bedingungen sich zudem immer wieder verändern. Nur wenn es gelingt, die wesentlichen Einflussgrößen korrekt abzubilden, kann die Balanced Scorecard auf diesem Gebiet funktionieren."
Expertenpanel als Wissensaustausch auf Krankenkassen-Ebene
In einem Punkt unterscheiden sich die am Projekt beteiligten Krankenkassen besonders auffällig von Unternehmen: Sie entwickeln das wertvolle Wettbewerbsinstrument gemeinsam, und statt ihre Erkenntnisse eifersüchtig voreinander zu verbergen, tauschen sie sich regelmäßig im "Expertenpanel" miteinander und mit den begleitenden Wissenschaftlern aus. "Das ist trotz Wettbewerb richtig", erklärt Christoph Hansen, Controller bei der Novitas BKK in Duisburg, "erstens weil wir gemeinsam klüger sind als einzeln und dadurch alle Kassen ein besseres Messinstrument erhalten, zweitens weil es dem Gemeinwohl dient, wenn recht bald alle Krankenkassen besser gesteuert werden können, denn das erhöht Wirtschaftlichkeit des Gesundheitssystems insgesamt."
Das nächste Treffen des Expertenpanels findet am 3. Dezember 2010 im Colani-Ufo in Lünen, Am Brambauer 24, statt. Interessierte Gäste sind um 16 Uhr zur öffentlichen Schlussrunde sowie zum "Meet and Greet" herzlich willkommen.