Egal, ob Pflegebedürftigkeit schleichend mit dem Alter kommt oder plötzlich und unerwartet durch einen Unfall oder eine Erkrankung: Nicht nur das Leben der Betroffenen ändert sich schlagartig. „Ehepartner, Kinder und Schwiegerkinder müssen sich mit der neuen Situation, aber auch mit ihren eigenen Gefühlen, Ängsten und Unsicherheiten auseinandersetzen“, erklärt Susanne Wißmann. „Die eigene Lebensplanung steht plötzlich Kopf.“ Menschen, die sich entscheiden zu pflegen, betreuen oft am Limit und vergessen dabei ihre eigenen Bedürfnisse oder stellen diese zurück. „Doch nur wer sich selbst pflegt und auf sich achtet, kann auch für seine Angehörigen da sein.“
Hilfe einfordern und zulassen
Eine unterstützende und bedarfsgerechte Hilfe wird oft viel zu spät eingebunden, beklagt die Pflegeberaterin: „Sei es auf Wunsch des Betroffenen oder aber, weil man selbst nicht möchte, dass fremde Personen in die Privatsphäre eintreten. Dabei gibt es vielfältige Möglichkeiten, Angehörige zu entlasten, wie Verhinderungspflege, Kurzzeitpflege, Tagespflege oder zusätzliche Betreuungsleistungen. Wenn helfende Hände oder Alltagsbegleiter erst einmal zu Besuch kommen, werden aus Fremden schnell Vertraute. So kann man Arztbesuche, Einkäufe oder Verabredungen in Ruhe wahrnehmen, weil man den Angehörigen gut betreut weiß. Doch auch in der eigenen Familie oder im Bekanntenkreis findet sich sicherlich der ein oder andere, der sich der Aufgabe gewachsen sieht und zwischendurch aushelfen kann.“ Anspruch auf eine sechsmonatige unbezahlte Freistellung vom Job hat man auch.
Anspruch auf Pflegekurse
Um pflegerische Grundlagen zu erlernen, hat man Anspruch auf Pflegekurse, die von den Pflegekassen bezahlt werden. Susanne Wißmann: „Die Pflegekassen sorgen auch für finanzielle Entlastung, indem sie dem Pflegebedürftigen, je nach Pflegestufe, Pflegegeld zahlen. Ebenso wertvoll können aber auch praktische Dinge wie ein Rollator, Greifhilfen oder andere Hilfsmittel des täglichen Lebens sein. Sie erleichtern dem Pflegebedürftigen den Alltag und geben ihm ein Stück Selbstständigkeit zurück.“
Bewusste Auszeiten nehmen
Hören Sie in sich hinein. „Wenn Sie erste Anzeichen von Überlastung spüren, nehmen Sie sich eine Auszeit oder treten Sie kürzer. Sonst gefährden Sie langfristig Ihre eigene Gesundheit“, rät Susanne Wißmann. Schon ein paar Stunden einfach mal den Kopf frei zu bekommen, sei es durch einen Spaziergang oder den Lieblingssport, bedeutet eine große Entlastung für Körper und Seele des Pflegenden.
Austausch mit Betroffenen
Die Pflege naher Angehöriger bedeutet oft eine große seelische Belastung. Viele fühlen sich überfordert und unverstanden. Der Besuch einer Selbsthilfegruppe oder der einfache Austausch mit anderen Betroffenen kann Wunder wirken und dem Pflegenden Kraft und Anregungen geben. Selbsthilfegruppen in Ihrer Nähe finden Sie unter: www.nakos.de
Führen Sie außerdem, soweit möglich, mit dem zu Pflegenden regelmäßig ein Gespräch darüber, wie zufrieden Sie beide mit der Situation sind und was verbessert werden könnte. Im Pflegealltag schleicht sich schnell Routine ein.
All diese Punkte sind unerlässlich, um die Zeit der Pflege gut meistern zu können. Wichtig ist, sich nicht selbst zu vergessen und sich schon vor den ersten Anzeichen von Überlastung, Unterstützung zu holen. „Es ist keine Schwäche, Hilfe in Anspruch zu nehmen“, betont Susanne Wißmann, „im Gegenteil. Es zeugt von Verantwortungsbewusstsein und guter Selbsteinschätzung.“