Allerdings macht die gegenwärtige Krise sichtbar, was lange überfällig war. Nahezu jeden exorbitanten Preis für Kunstwerke zu bezahlen – zum Beispiel die in New Yorker Galerien übliche 200.000 Dollars für Ölbilder unbekannter Akademieabgänger – das ist jetzt vorbei. Kunstexpertin Joelle Romba, lange bei Sotheby’s, geht von einer gesunden Korrektur aus. Die Hinwendung zu modernen Klassikern mit langfristiger Bedeutung und bleibendem Wert unterstreicht als neuester Trend das, was für den traditionellen, kenntnisreichen Sammler schon immer selbstverständlich ist. „Gute Stücke werden langfristig ihren Wert behalten“, bestätigt Alexander Ruis von der Privatbank Wilhelm von Finck. Kunstobjekte in größeren Depots hält der Vermögenscontroller Markus Drescher von Portfolio Consulting in Berlin für eine gute Anlagemöglichkeit, auch als Mittel zur Diversifikation.
Wer sein Vermögen um Kunst ergänzen möchte, für den empfiehlt es sich, bis zu einem Investitionsanteil von 10 % in Kunstwerke verschiedener Stile und Epochen anzulegen, vorausgesetzt, diese wurden in haltbaren Materialien angefertigt. Berühmtes Negativbeispiel im Bereich Kunst-Investment ist der vom Briten Damien Hirst in Formaldehyd eingelegte Tigerhaikopf aus einer bedeutenden Privatsammlung, der sich inzwischen langsam auflöst.
Vor dem Vergnügen mit Kunst an der Wand und im Portfolio steht zunächst die Anstrengung. Der Kunstliebhaber und Sammler muss sich vor dem Kauf informieren, vergleichen und vor allem viel Kunst ansehen: in Museen, Kunstmessen, Galerien, Kunsthandlungen mit Internetpräsenz, Zeitschriften und Büchern. Das Auge wird geschärft, und der Kunstbetrachter kann eine gelungene Komposition, bei der man weder etwas wegnehmen noch hinzufügen kann, erkennen sowie den neuartigen Personalstil, die innovative Technik und die überzeugende Aussagekraft des Einzelwerks beurteilen. Es lohnt sich immer – neben der aktuellen Kunstproduktion – auch Werke der großen Alten Meister im Vergleich mit ihren Zeitgenossen anzuschauen. Kunstdatenbanken wie www.artinfo.com berichten über biographische Details, Ausstellungen und Publikationen. Der interessierte Kunstfreund erfährt nach und nach, welche Museen,
Ausstellungsorte und Sammler die wichtigsten Meinungsmacher und Wertsteigerer sind. In der Datenfülle weiß der Kunstfreund dann immer noch nicht, was neben dem persönlichen Gefallen, der natürlich im Vordergrund steht, in Zukunft einen Wertzuwachs verspricht. Einen Anhaltspunkt gibt die weltweit größte Kunstpreissammlung www.artprice.com mit 270.000 archivierten Auktionskatalogen bis in das Jahr 1700. Darüber hinaus liefert artprice.com für jeden Künstler Charts und Tabellen zur Preis- und Umsatzentwicklung. Die Zeitschrift CAPITAL veröffentlich einmal im Jahr im November eine Hitliste der 100 „besten“ Künstler weltweit, die sich auf die Präsenz in den wichtigsten Institutionen, Sammlungen, temporären Kunstereignissen, Veröffentlichungen und auf die erzielten Verkaufspreise bezieht. Aktuelle Kunstfonds der Deutschen Bank und des Aurora Fine Art Investment Funds sind Beispiele für das lohnende Investment in Kunst und Kunstgewerbe.
Die etablierten deutschen Künstler sind, Sotheby’s Experte Tobias Meyer zufolge, nach einer Zeit des Pausierens fast schon wieder billig und warten auf erneute Aufwertung. Das gilt insbesondere für Jörg Immendorff, einen der wichtigsten noch lebenden deutschen Künstler. Immendorffs unverwechselbarer Personalstil, seine eigenwilligen Bildmotive und die womöglich unbequemen Anforderungen einiger seiner Kunstwerke an den Betrachter jenseits leichter Konsumierbarkeit sind vermutlich dafür verantwortlich, daß er in der Käufergunst bis heute einen Gerhard Richter nicht erreicht hat, doch die Stimmung im Kunstmarkt schlägt tendenziell zugunsten technisch versierter und anspruchsvoller Kunst eines Immendorff um. Seine Werke sind trotz persönlicher, gesundheitlicher und eigener öffentlicher Rückschläge heute präsenter und international anerkannter als jemals zuvor. Werke des Altmeisters stehen nach Expertenmeinung vor einer bedeutenden Wertsteigerung. Seismograph der Entwicklung ist Kunst-Tycoon Saatchi, der Immendorff in seine Sammlung aufgenommen hat. In wenigen Jahren werden Immendorff-Bilder wahrscheinlich die Werke seiner Kollegen Markus Lüpertz und Georg Baselitz im Wert deutlich übertreffen. Das bedeutet eine voraussichtliche Steigerung von 500 % und mehr. Immendorff blieb seiner Kunst kompromißlos treu, was sich jetzt auszahlt. Die Freiheit des kreativen Potentials ist in seiner Kunst genauso Garant für bahnbrechende Werke wie sie für die wichtigsten Innovationen in einem erfolgreichen Wirtschaftsunternehmen steht.
Am 7. Oktober 2006 nahm Immendorff den begehrten Kunstpreis „Goslarer Kaiserring“ in Empfang, den vor ihm Henry Moore, Roberto Longo, Max Ernst und Anselm Kiefer erhalten haben – seine sechste Auszeichnung übrigens.
Werke von Jörg Immendorff in öffentlichen und privaten Sammlungen (Auswahl)
Museen Europa: documenta 5 Kassel. Royal Academy, London. Centre Pompidou, Paris. Kunstmuseum Basel. Neue Nationalgalerie, Berlin.
Museen Welt: Museum „Deutsche Galerie“ New York. Lousiana Art Museum. Art Gallery of Bejing International Art Palace, Beijing. Taipei Fine Arts Museum, Taipeh. Museum of Contemporary Art, Seoul.
Private Sammlungen: Slg. Ludwig, Aachen. Ronald Lauder, NYC. Charles Saatchi, London.
Autorin: Dagmar Gold
Information: www.artprice.com
Immendorff-Kunstwerke: www.arteviva.de