Der achtundachtzigste Sämling einer Zuchtreihe aus Riesling und Buketttraube (Silvaner x Trollinger) wurde vor 60 Jahren mit der Bezeichnung „Scheurebe“ in die Sortenliste eingetragen. Doch bis zum Durchbruch in größerem Stil vergingen noch weitere Jahre. Erst als die Winzer und Weinliebhaber in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts entdeckten, wie betörend Dessertweine aus Scheurebe-Trauben schmecken, boomte der Anbau. Damals nahm die Scheurebe vier Mal so viel Fläche ein wie heute. Mit dem Ende der „süßen Welle“ in den achtziger Jahren verschwand die Rebsorte kontinuierlich aus den Pfälzer Weinbergen. Dessen ungeachtet hat die Spezialität bei vielen renommierten Betrieben der Region einen Ehrenplatz behalten, sie reservieren traditionell einige ihrer besten Lagen für die aromatische Sorte, die eine treue Fangemeinde besitzt.
Manche dieser Scheurebe-Liebhaber nennen die Sorte in einem Atemzug mit dem Sauvignon Blanc, einem der Trendsetter der modernen Weinwelt. Beide ziehen mit verführerischem Duft die volle Aufmerksamkeit der Weintrinker auf sich. Bekannt sind vor allem Scheurebe-Spezialitäten mit einer gewissen Restsüße, doch Scheurebe-Pioniere, wie das Weingut Pfeffingen in Bad Dürkheim, beweisen Jahr für Jahr, dass sich auch hervorragende trockene Weine vinifizieren lassen.
Ihre Abstammung verrät die „deutsche Antwort auf den Sauvignon Blanc“ schon im Mund: Dem Riesling vergleichbar glänzen die Weine mit ihrer guten Säurestruktur und zeigen sich frisch, rassig und lebendig. Auch an den Weinberg stellt die Sorte ähnlich hohe Ansprüche wie Vater Riesling, und sie reift – bei zufriedenstellenden und zuverlässigen Erträgen - fast so spät wie dieser. Meist werden hohe Öchslegrade erzielt. Als optimale Standorte erweisen sich nach Süden ausgerichtete Hanglagen mit einem kräftigen, gut versorgten Boden. Viele Aromastoffe verstecken sich in der dicken Beerenhaut. Die Weinmacher extrahieren diese wertvollen Stoffe aus den Schalen durch eine mehrstündige Maischestandzeit.
Scheurebe-Weine mit einer gewissen Restsüße überzeugen mit ihrer harmonischen Verbindung von anregender Säure und feinfruchtiger Süße. Ihr markantes Bukett verschafft Scheurebe-Weinen rasche Aufmerksamkeit: Schon beim Riechen entfaltet sich ein Strauß an Obstaromen wie schwarze Johannisbeere, Pfirsich, Birne, Grapefruit, Stachelbeere, Mango, Maracuja, Kiwi und Ananas, bei gereiften edelsüßen Weine kommt ein intensiver Rosenduft hinzu. „Traumhaft“ nennen die Liebhaber von Bukettsorten diese höchst präsente Aromenvielfalt.
Die unterschiedlichen Ausbaustile bringen Weine verschiedenartiger Couleur (die Palette reicht von blassgelb über strohgelb bis goldgelb), Mundfülle und Länge im Abgang hervor. Die Scheurebe hat viele Gesichter, und so wundert es nicht, dass die aromatische Spezialität vielseitig verwendbar ist: Man kann sich einen Scheurebe-Wein als erfrischenden, unkomplizierten Sommerwein munden lassen, ihn zum Käse als „Gute-Laune-Wein“ servieren oder ihn als feinen Speisebegleiter mit aromatisch-würzigen Ragouts, asiatischen Fisch- und Geflügelgerichten und natürlich zu einer Vielzahl von Vorspeisen und Desserts genießen.