Das ist indes mit einem gewissen Risiko verbunden. Der Stiel kann faulen, so dass die Trauben zu Boden fallen und verderben, Stare können den ungewohnten Leckerbissen in den Weinbergen entdecken oder die Nächte mit tiefem Frost bleiben einfach aus. Gerade in einem klimatisch begünstigten Gebiet wie der Region an der Deutschen Weinstraße kann das vorkommen.
Die Lese bei klirrender Kälte (sie beginnt meist morgens vor Sonnenaufgang, damit nicht der natürliche Temperaturanstieg alles zunichte macht) ist nichts für verwöhnte Naturen; das Keltern der tiefgefrorenen Trauben Schwerstarbeit für die Pressen, die dabei sogar kaputtgehen können. Die Winzerkunst besteht vor allem darin, die wenigen Dutzend Liter meist klaren, goldfarbenen Traubensa5s, die aus der Kelter fließen, zu Wein werden zu lassen. Denn 120 Grad Oechsle sind gesetzlich für einen Eiswein vorgeschrieben, meist bringen die Köstlichkeiten aus der Kälte weit mehr Mostgewicht – und damit natürliche Süße – auf die Waage.
Der hohe natürliche Zuckergehalt steht allerdings einer schnellen Gärung, die der Winzer anstrebt, im Weg. »Warm stellen und Hefe dazu«, lautet das Rezept der Winzer. Eiswein-Spezialist Jürgen Frey aus der Pfalz erinnert sich noch an den Eiswein von 1985 mit 230 Grad Oechsle. Das Faß habe er im Sommer immer in die Sonne gestellt. »Doch es hat fast ein dreiviertel Jahr gedauert, bis sich genug Alkohol gebildet hatte.«
Die wuchtige Süße der Eisweine, gepaart mit stattlicher fruchtiger Säure, sorgt indes gemeinhin für Missverständnisse: Solcher Wein müsse doch unheimlich schwer und alkoholreich sein, meinen viele. Dabei ist der Alkoholgehalt von Eiswein – verglichen etwa mit dem von Spätlesen oder trockenen Qualitätsweinen – gering. Sieben bis höchstens zehn Prozent Alkohol tragen die Raritäten in sich, doch an aromatischer Fülle und edler Süße lassen sie sich kaum überbieten.