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Entdeckung und Ruf des Ruländers*

(lifePR) (Neustadt an der Weinstraße, )
Es klingt fast wie ein Märchen: Ein Mann kauft ein Trümmergrundstück. Darauf wachsen zwei Rebstöcke über Bäume und Hecken. Der Mann erntet und keltert die Trauben, legt den Most in ein Fässlein und vergisst das Ganze über Winter. Erst bei der Arbeit im Früh-jahr bekommt er mit seiner Frau Durst. Sie trinken vom Wein und es geht Ihnen fast wie Noah in der Bibel. Der süße, liebliche Wein steigt ihnen in den Kopf. Die Nebel halten nicht länger an, denn der Mann macht danach mit den Reben ein großes Geschäft. Wer war der Mann? Es war der Bürger und Handelsmann Johann Seger Ruland, geboren 1683 zu Niedererlenbach bei Frankfurt. 1705 heiratete er Anna Maria, die Tochter des Speyerer Bürgermeisters Sigmund Heinrich Stegmann. Die Familie war nicht unvermö-gend. 1709 kauft Ruland das seit der Zerstörung Speyers im Jahre 1689 in der Streicher-gasse brach liegende Gartengrundstück des Conrektors Johann Heinrich Seuffert. Bei der sich bis 1711 hinziehenden Rodung des verwilderten Gartens erkannte Ruland die Beson-derheit von zwei Reben, die wohl über Büsche und Hecken gewachsen waren. Er erntete die im sehr guten Weinjahr 1711 hochreifen Trauben und legte den Most in ein, wie Sprenger 1778 schreibt, vom Nachbarn geliehenes Fässchen und verschloss den Spunden mit Rebenlaub. Im Keller der Gartenhausruine überdauerte das Fass vergessen den sehr kalten Winter. Im Frühjahr begann die Geschichte mit großem Durst. Ruland war ein Handelsmann, kein Apotheker oder Maler, wie andere schrieben. Er ver-mehrte die Reben. Pflanzte noch mehr in den Garten und in einen ebenfalls von Seuffert gekauften Acker an der Landauer Straße. Diese Reben schnitt ihm "ein gewisser Gärtner" aus Neid und Missgunst ab und machte ihm großen Schaden.

Aber die Erfolgsstory des Ruländers, der neben dem Namen Rulands und vielen anderen Bezeichnungen auch "Speyerer" oder "Speyeremer" und "Vinum bonum" gerufen wurde, war nicht mehr zu bremsen. So pflanzte 1750 Johann Caspar Petsch in Speyer drei Mor-gen davon. Dass wird dies und noch mehr über die Anfänge des Ruländer wissen, verdanken wir der Hochzeit des hochverdienten Bürgermeisters der "Heil. Reichs Freyen Stadt Speyer " Jo-hann Michael Deines mit der sich durch eine "ausnehmende Schönheit und mehr als männlichen Klugheit" ausgezeichneten Susanna Catherina Beckers im Jahre 1758. An Stelle eines Hochzeitgedichts schrieb Conrektor M. Georg Litzel (1758) einige "Wein-blätter" zur Weingeschichte. Die Bibel, Germanen, Römer, der Gänsfüßer werden ge-nannt. Hierin schreibt er (§ 13): "Wir alle, die zu Speyer leben, wissen, woher der Ru-landswein seinen Namen habe. Aber denen, die es nicht wissen, und den Nachkömmlin-gen zu liebe, will ich es sagen". Vor der Beschreibung lobte er aber in § 11 den Speyerer Wein: "Der Speyerer Wein ist nicht der Geringste unter den Rheinweinen. Er hat vor vielem den Vorzug. Das macht die Lage und der guten Grund und Boden.... Man sieht oft auf einem Acker zugleich Wein-stöcke, Obstbäume, allerhand Kräutelwerk und anders... In diesen Speyerischen Paradiß wachsen Mandeln, Reps zum Oele und Tabak in Menge, und etliche Stunden davon Kas-tanien in ganzen Wäldern. Anderer herrlichen Früchten nicht zu gedenken ". Später stell-te er fest: "Wolte hinfüro einer eine Beschreibung von Speyer machen, so könnte er ans-tatt des Gänsfüsserweins den Rulandswein setzen. Denn dieser ist nun im Gebrauch und Ruhm".

Um die rasche Beliebtheit des Ruländers zu verstehen, muss man den Stand des Weinbaus vor 300 Jahren berücksichtigen. Im Weinberg herrschte Gemischter Satz mit verschiede-nen Rebsorten vor. Deren Vor- und Nachteile sollten sich gegenseitig ausgleichen und mit der Witterung auseinander setzen. Viel Ertrag bringende Sorten, wie Heunisch, Elbling, Gutedel oder Trollinger brachten viele Trauben mit geringem Mostgewicht. Riesling und Traminer geringen Ertrag bei hoher Säure, bzw. hohem Mostgewicht. Nun findet Ruland zwei Reben, die die Vorteile Ertragssicherheit mit hohem Mostgewicht in sich vereinen. Wobei dem hohen Mostgewicht eine besondere Bedeutung zukommt. Erst 150 Jahre später wurde der Zucker so preiswert, dass die Verbesserung bei normalem Wein wirtschaft-lich interessant wurde. Johann Philipp Bronner schreibt noch 1856: "Bevor ich mich in die nähere Erörterung dieses Gegenstandes einlasse, muss ich vorausschicken, dass wir jetzt auf einem ganz an-deren Standpunkt der Weinbereitung stehen, als es vor 10 Jahren der Fall war. Bisher war jeder Weinproduzent darauf angewiesen, sein Gewächs nach der angenommenen Norm jedes Jahr einmal wie das andere zu behandeln, mochte dasselbe ausfallen wie es wolle, er musste sich's gefallen lassen, was ihm Klima und Witterung bescherten, es war ein Spiel-ball des Zufalls und der Witterungsverhältnisse." Man stelle sich vor, man muss in einem schlechten Weinjahr aus Trauben des Heunisch mit 55 Grad Oechsle und 20 %0 Säure ohne Verbesserung und Entsäuerung einen guten Wein herstellen. Dies war bei einem Ruländer mit 85 Grad Oechsle und 8 %0 Säure leichter möglich. Zum Speyer Wein darf man auch sagen: Dass nicht alle Speyrer Weine in Speyer gewachsen sein mussten. Von den Dörfern an der Deutschen Weinstraße, in denen heute noch katholische Winzer leben, gelangten die Steuern in Form von Wein an den Bischof in Speyer und wurden von dort verhandelt. Es waren nicht die schlechtesten. Nun, der Ruländer war da. Aber Hermann Goethe beschreibt ihn noch im Handbuch der Ampelographie im Jahre 1887 unter der Bezeichnung Roter Burgunder (Ruländer): "Der Ruländer ist mit zu den edelsten Keltertrauben zu rechnen und liefert einen süßen, äußerst feinen, angenehmen Wein, welcher sich hauptsächlich zur Champagner-Fabrikation und zum Verschnitt mit Riesling eignet". 100 Jahre früher, 1781 wurde er schon von Breuchel für den Verschnitt mit Riesling und Traminer empfohlen. Beide Sorten brachten weniger Ertrag bei hoher Säure bzw. hohem Mostgewicht. Der Ruländer konnte ausgleichen.

Im Grunde liest sich die Geschichte des Ruländers wie die von guten neuen Sorten, wie MüllerThurgau, Scheurebe, Kerner oder Dornfelder, deren Geschichte können wir nur über wenige Jahrzehnte die des Ruländers aber über drei Jahrhunderte überblicken. Ru-land war Kaufmann und erkannte den Wert des Ruländers. Werbung machten die Ruländergenießer. Der Kaufmann vermehrte die Reben und verkaufte das hundert zu acht bis zehn Gulden. Bassermann-Jordan (1923) meint dazu: "Ein für jene Zeit sehr hoher Preis". Aber auch Neid war damals wirksam: "Ein Gärtner schnitt ihm die Reben ab". Selbst Spu-ren von Bild-Zeitungs-Übertreibungen finden sich: Während Litzel 1758 von dem wein-frohen Ehepaar Ruland schreibt, vermeldet Sprenger, obwohl er Pfarrer war 1778: "Als er im folgenden Frühling im Garten war, so besuchten ihn etliche vorbeygehende Männer und Frauen, und verwiesen es ihm scherzhaft, dass er in dieser heißen Witterung Ihnen nicht einen Trunk anbiete. Nun fiel ihm sein Fässlein im Keller ein; er brachte ein vom Nachbar entlehntes Schoppenglas voll; der erste trank es rein aus; so machten es alle, und giengen Männer und Weiber betrunken in die Stadt zurück. Dies erregte ein Aufsehen, die angesehensten der Stadt versuchten, und rühmten diesen Wein, als Vinum bonum. Man suchte überall Reben davon, und zuletzt verkaufte Ruland eine Rebe Fingers lang für ei-nen Thaler". Die Entstehung der Sorte wurde von Pasque um 1880 mit der Geschichte Speyers verwoben und in die Zerstörung Speyers eingebunden. Auch die hohe Obrigkeit schaltete sich ein. Hoher Ertrag und gute Qualität sichert hohe Steuereinnahmen, damals den Zehnten. Am 28. September 1782 verordnete der Fürstbi-schof von Speyer Damian August von Limburg-Stirum die Anpflanzung von Ruland, ro-the und weiße Dromener (Traminer), Rißling und dergleichen gute Gewächse" (Basser-man-Jordan 1923). Bereits 1765 wurden vom Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz für neue Pflanzungen in Neustadt nur Riesling, Traminer, Trötsch und Ruländer zugelassen. Für jede andere Rebe wurde eine erhebliche Geldstrafe fällig (Schumann 1975).

Gleichzeitig behinderten die strengen Leseordnungen den Anbau des Ruländers im ge-mischten Satz noch im 19. Jahrhundert. Erlaubte man die Lese, wenn der Riesling richtig reif war, dann waren die Trauben des Ruländers in feuchten Jahren bereits faul. Bronner bedauert dies noch 1866 und führt dies als Ursache des Rückgangs des Ruländers nach Jahren mit schlechter Witterung an. Auch Bassermann-Jordan vermeldet dies für die Mit-te des 19. Jahrhunderts bis zum Erscheinen seiner Weinbaugeschichte 1907 und 1923. Selbst im 20. Jahrhundert erlitten die Winzer mit Portugieser dasselbe Übel. Wartete die

Verwaltung mit der Lesegenehmigung des Portugiesers bis die Trauben der Sorte auf schweren Böden reif waren, dann waren die Trauben von Weinbergen in besserer Lagen und auf leichteren Böden bereits faul. Bronner gibt 1856 wohl die besten Angaben über die Verbreitung des Ruländers, die sich im Vergleich mit der von heute sehr verschieden anhört: Mosel, Saar, Bingen, Bad Kreuznach und am Haardtgebirge - "obwohl die Herbstverhältnisse Manchen den weite-ren Anbau verleiten". In Baden, im ehemals Speyerischen Gebiet, dem "Bruhrhein" wurde und wird noch jetzt die Traubensorte häufig angepflanzt" und Viliboner gerufen. Weiter unten fasst er Baden nochmals zusammen: "im Bruhrhein, im Breisgaue, am Kaiserstuhle, im badischen Markgräfler Lande gedeiht die Traube vortrefflich, und bringt außerordent-lich große schöne Trauben". Auch die Verwandtschaft des Ruländers mit dem Blauen und dem Weißen Burgunder konnte er mit Hilfe eines Geschenks "Sr. Großherzoglichen Hoheit des Herrn Markgrafen Wilhelm von Baden" nachweisen. Von diesem erhielt er eine mutierte Rebe mit roten und weißen Trauben. Bronner vermehrte die Triebe getrennt und stellte fest, dass die Nach-kommen Ruländer und Weißer Burgunder waren. Ebenso verfuhr er mit Reben vom Tokajer, den nach der Überlieferung um 1583 Feld-hauptmann Lazerus Schwendi von Tokaj nach dem Elsass gebracht haben soll. In Colmar erinnert ein Denkmal daran. Bronner pflanzte Reben beider Sorten nebeneinander und zeigte, dass es sich um eine Rebsorte handelt. Allerdings kommt die Rebsorte in Ungarn nur am Plattensee als Grauer Mönch - Szürkebarat und nicht im berühmten Tokaj vor. Nach Ungarn soll er 1375 unter Karl IV. gekommen sein. Womit sich der Kreis wieder schließt. Aber noch um 1840 wollte ein Winzer aus Lörach noch verkaufsfördernd Reben direkt aus Tokaj bezogen haben. Ein danach im Elsaß von Bronner (1856) besuchter Win-zer betonte, dass sein Sohn selbst in Ungarn gewesen sei und von einem adeligen Gutsbe-sitzer die ersten Tokayer-Reben erhalten haben soll. Im weiteren Verlauf stellte sich he-raus, dass er auch den Winzer in Lörrach beliefert hatte.

Heute ist Deutschland mit 4859 ha das wichtigste Anbaugebiet des Rulän-ders/Grauburgunders. Die entspricht knapp 5% der deutschen Rebfläche. 37 % davon ste-hen in badischen Weinbergen, jeweils etwa 1/4 in Rheinhessen und der Pfalz (Statistisches Bundesamt 2012). Von 2617 ha in Frankreich sind über 90 % im Elsass verbreitet. In Norditalien gibt es 2200 ha Pinot Grigio. Darüber hinaus ist der Ruländer mit 700 ha in Tschechien gepflanzt und gibt sogar dem Weißen Burgunder mit Rulandske Bile - Wei-ßer Ruländer den Namen. Auch in den USA und auf Neuseeland ist die Sorte zu finden (Ambrosi et al. 2011). Die Geschichte des Ruländers zeigt, dass eine gute Rebsorte zwar Höhen und Tiefen, der Mode, unterliegt, dass aber letztlich das Gute siegt. Daneben aber auch, dass heute beo-bachtete menschliche Schwächen und Fehler, die bei alten Sorten wie Ruländer über Jahrhunderte verfolgt werden können, schon damals vorkamen. Im Grunde folgen wir dem Rat des Apostel Paulus im Briefe an die Thessaloniker (5.21): "Prüfet alles, das Gute aber behaltet". Dies trifft ganz auf den Ruländer zu, selbst wenn er Grauburgunder, To-kayer oder Pinot Grigio gerufen wird. * Nach einem Vortrag am 42. Ordensfest der Weinbruderschaft der Pfalz zum 300. Jubi-läum der Sorte Ruländer am 7.Mai 2011 im Innenhof des Historischen Museums in Speyer.

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