Es ist müßig, sich an Spekulationen zu beteiligen, ob das Produkt wirklich schon so weit ist, wie SAP die Welt glauben machen will, oder ob es noch das eine oder andere Problem gibt, wie Gerüchte aus Walldorf behaupten. Man kann davon ausgehen, dass SAP die Entwicklung des Produkts abschließen wird. Und - ganz ehrlich - SAP Business ByDesign wird den ERP-Markt stark verändern. SAP ist dabei, eine vollständige - und vor allem mit allen wichtigen Anwendungen aus dem Bereich Business Applications voll integrierte - Lösung auf den Markt zu bringen, und zwar ausschließlich im On Demand-Modus.
Dass die Lösung komplett Serviceorientiert ist und auf SAP NetWeaver basiert, überrascht sicherlich nicht. Interessant ist jedoch die totale Abkehr von der Modul-Orientierung. Es gibt beispielsweise kein eigenständiges CRM-Modul mehr. Stattdessen wird CRM-Funktionalität für alle relevanten Prozesse zur Verfügung gestellt. So gesehen ist SAP Business ByDesign ein Set aus Composite Applications, das in der SAP Business Suite erst Schritt für Schritt von SAP, Partnern und Kunden entwickelt wird.
Diese Lösung ist bisher einzigartig auf dem Markt. Eine komplett Prozess- und Service-orientierte Lösung im Software-as-a-Service (SaaS)-Modus war so noch nicht erhältlich. Was die Vollständigkeit der Lösung angeht, muss man selbstverständlich das Feedback des Marktes abwarten, sobald die Lösung allgemein verfügbar ist. Der Teufel sitzt ja bekanntlich häufig im Detail. Sollten hier jedoch noch Defizite auftauchen, kann SAP jederzeit nachlegen.
Betrachten wir das Thema 'On Demand'. Es ist sicherlich sehr innovativ, die Lösung ausschließlich auf diesem Weg auf den Markt zu bringen, aber ist es auch das, was die Kunden wollen? Objektiv betrachtet, ja! Investitionen in ERP-Infrastruktur, aufwändige Einführungsprojekte sowie Wartungsarbeiten gehören in der On Demand-Welt der Vergangenheit an. Auch die monatliche Miete von 133€ wird preisbewusste Kunden ansprechen, sofern die Nutzer größtenteils sogenannte 'Heavy User' sind, also regelmäßig einen Großteil der Funktionen nutzen. Für spezialisierte Anwender, beispielsweise im Vertrieb, die nur ab und zu die CRM-Funktionalität nutzen, ist dieser Preis etwas zu hoch. SAP hat hier bereits angekündigt, für voraussichtlich weniger als 50€ einen Zugriff für solche Nutzer anzubieten. Allerdings unterliegt auch dieser gewissen Einschränkungen, was die maximale Anzahl von Usern angeht.
Neben dem interessanten Preismodell versucht SAP, die Kosten durch Verringerung des externen Beratungs- und Schulungsaufwands zu drücken. Viel Wert wurde bei der Lösung auf innovative Hilfe- und Lernfunktionen gelegt sowie auf einfaches Customising über Maus-Clicks und Drag & Drop-Funktionen.
Trotzdem führt das Thema On Demand in Deutschland immer noch ein Schattendasein. Bisher konnte sich hier noch kein Anbieter so richtig positionieren. Die Gründe sind mannigfaltig. Deutsche Kunden suchen nach einer Software, die zu 100% ihren Anforderungen entspricht, was angesichts der naturgemäß eher begrenzten Anpassungsfähigkeit von On Demand-Lösungen schwierig ist. Vergessen wird dabei häufig, dass die augenblicklichen Anforderungen an eine Software nicht viel mehr sind als eine Momentaufnahme, da sie sich schnell ändern können. Früher oder später passt sich das Unternehmen automatisch bis zu einem gewissen Grad an die Software an. Gelingt es also SAP, aus On Demand in Deutschland einen Massenmarkt zu machen? Die Chancen stehen sicherlich nicht schlecht, da die Lösung - und damit auch die Kundendaten - in Walldorf gehostet werden und nicht wie viele andere Angebote in den USA. Außerdem, wer wenn nicht SAP könnte einen solchen Paradigmenwechsel beim Kunden in Gang bringen?
Diese Lösung ist sicherlich nicht geeignet für Unternehmen, die tiefe vertikale Funktionalität benötigen. Hier verläuft auch eine klare Abgrenzung zu SAP Business All-in-One, die vertikalisiert vorkonfigurierte Mittelstandslösung von SAP. Trotz gegenteiliger Beteuerungen von Seiten des SAP-Vorstands ist allerdings die Abgrenzung zu SAP Business One noch nicht ganz eindeutig. Das neue Angebot ist, wie bereits oben erwähnt, preislich in vielen Fällen mindestens so interessant wie SAP Business One. Zudem ist die Funktionalität der von SAP Business One eindeutig überlegen. Selbst wenn ein kleines Unternehmen nicht alle Funktionen von SAP Business ByDesign benötigt, sondern mit SAP Business One eigentlich gut bedient ist, stellt sich natürlich die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, die etwas größere Lösung zu wählen, falls der TCO nicht höher liegt, und so eventuellem Wachstum vorzugreifen. SAP bezeichnet den potenziellen Kannibalisierungseffekt zwischen den beiden Lösungen als äußerst gering. Warum aber wird SAP Business ByDesign erst ab 25 Nutzern angeboten? Soll damit SAP Business One geschützt werden, das von den meisten Kunden mit weniger als 25 Anwendern betrieben wird?
Wie wird SAP die Lösung vertreiben? Hier setzt das Unternehmen auf einen gemischten Ansatz. SAP wird eigene Vertriebsleute einsetzen sowie über einen Channel gehen. Hier gibt es jedoch noch ein paar Unwägbarkeiten: Wie erfolgreich kann der direkte Vertriebsansatz von SAP sein angesichts der Tatsache, dass die SAP-Sales Force bisher fast ausschließlich im Großkundensegment tätig war? Es fehlt nicht nur die Erfahrung im Mittelstandsvertrieb, es mangelt auch an der berühmten Augenhöhe mit den mittelständischen Kunden. Es bleibt abzuwarten, ob SAP das eigene Ziel erreichen kann, für SAP Business ByDesign als 'Market Maker' für die Vertriebspartner aufzutreten. Was den Channel angeht, zeichnen sich folgende Probleme ab: Erst einmal muss dieser aufgebaut werden. Der bestehende Channel für SAP Business All-in-One kommt hierfür nur eingeschränkt in Frage, da er von seiner hohen Branchenkompetenz lebt und außerdem in den ungleich aufwändigeren All-in-One-Projekten mehr Potential sieht. Vertriebspartner von SAP Business One sind eher eine Option. Allerdings will SAP sicherlich nicht, dass allzu viele Partner sich von SAP Business One abwenden.
Auch die Kompensation des Channels ist noch nicht ganz klar. Sie wird wohl auf den Mietumsätzen basieren, was bedeutet, dass ein Vertriebspartner für einen gewonnenen Kunden nicht sofort belohnt wird, wie es z.B. im Lizenzgeschäft der Fall ist. Das ist für größere Partner kein Problem, aber gerade kleine Unternehmen können bei dieser verzögerten Zahlung Liquiditätsprobleme bekommen.