Sicherer, wirtschaftlicher, umweltverträglicher: Winterreifen bei Kälte im Vorteil
Liegen die Temperaturen in der Nacht nur wenige Grade über dem Gefrierpunkt, ist es Zeit, sein Auto auf hochwertige Winterreifen umzurüsten. Deren Vorzüge erläutert Norbert Allgäuer-Wiederhold, Leiter Pirelli Tyre Campus, München: „Ihre weiche Gummimischung wird bei Minusgraden nicht hart und spröde, zudem enthält ihr Profi Klötze und Lamellen, um auf mit Laub verschmierter, verschneiter oder angeeister Fahrbahn bestmöglich zu haften." Daher weisen die Winterprofile des Premiumherstellers Pirelli in der kalten Jahreszeit deutlich mehr Grip auf als Sommerprofile. „Daraus resultieren kürzere Bremswege von etwa zehn Prozent bei Nässe und 20 Prozent bei Schnee sowie eine klar bessere Zugkraft", nennt der Reifen-Experte weitere Vorteile. „Hinzu kommen eine höhere Fahrstabilität, insbesondere in Kurven, ein besseres Handling, ein geringerer Profilabrieb sowie eine höhere Laufleistung."
Wann neue Winterreifen fällig sind
Die Zeit für einen Satz neuer Winterreifen ist gekommen, sobald das Profi der Alten auf weniger als 4,0 Millimeter abgefahren ist. Zwar verlangt der Gesetzgeber als Mindestprofitiefe lediglich 1,6 Millimeter Restgummi, doch Experten warnen vor derart abgefahrenen Pneus: „Im Vergleich mit einem Neureifen hat ein Reifen mit 4,0 Millimetern Restprofil einen gut 12 Prozent längeren Bremsweg, und seine Zugkraft auf Schnee ist gut 50 Prozent geringer", beziffert Norbert Allgäuer-Wiederhold die Leistungsunterschiede. „Ein Restprofil von nur 1,6 Millimetern ist für winterliche Straßenverhältnisse gänzlich ungeeignet." Moderne Winterreifen enthalten Alterungsschutzmittel. Sie ermöglichen es, dass sich die Gebrauchseigenschaften der Pneus bei normaler Nutzung und Nutzungsdauer kaum ändern. „Dennoch
greift der in der Luft enthaltene Sauerstoff das Reifengummi an und lässt Mischungsbestandteile diffundieren. Das kann die Eigenschaften eines Reifens verändern, besonders wenn er einem hohen Temperaturstress unterliegt", weiß Norbert Allgäuer-Wiederhold. „Dadurch verschlechtern sich meist die Hafteigenschaften. Die Bremswege werden länger, das Kurvenverhalten schlechter. Allerdings wird dieser Effekt von der abnehmenden Profiltiefe deutlich überlagert. Sollten Sie Zweifel haben, oder die Reifen um die zehn Jahre alt sein, konsultieren Sie einen Fachbetrieb. Und berücksichtigen Sie: Ein neuer Reifen kann vieles besser." Ein Blick auf die Flanke des Reifens lässt erkennen, wie alt er ist. Hinter dem Kürzel DOT steht das Produktionsdatum. Die vier letzten Ziffern geben Kalenderwoche und Jahr an. So bedeutet die Zahlenfolge 1010: Der Reifen wurde in der zehnten Woche des Jahres 2010 produziert. „Nicht zuletzt sollten Winterreifen ersetzt werden, die Beulen, tiefe Risse oder Profiabtrennungen aufweisen", mahnt Allgäuer-Wiederhold.
Neue Winterreifen nicht sofort voll belasten
Es dauert eine gewisse Zeit, bis die Neureifen nach der Montage 100prozentig fest an der Felge haften. Die Montagepaste die eine sichere und beschädigungsfreie Montage der Reifen auf der Felge gewährleisten, müssen erst abtrocknen. Daher sollten Neureifen auf den ersten 300 Kilometern möglichst ohne Kavalierstarts, sportliche Kurvenfahrten, hohe Geschwindigkeiten sowie heftige Bremsmanöver gefahren werden. Denn sollte sich der Reifen auf der Felge verdrehen, muss unter Umständen nachgewuchtet werden.
Risikofaktor falscher Fülldruck: Winterreifen und Reifenfülldrucksysteme RDKS
Rund 40 Prozent aller Pkw-Reifen werden mit einem zu geringem Fülldruck gefahren, ermittelte die Gesellschaft für Technische Überwachung GTÜ, Stuttgart. Dadurch schmälern Autofahrer die Qualität selbst hochwertiger Winterreifen enorm. Norbert Allgäuer-Wiederhold listet die Nachteile auf: „Bei zu geringem Fülldruck verliert der Reifen an Grip, wodurch sich seine Bremswege verlängern. Auch Kurvenfahrten werden zum Wagnis, weil mit jedem Zehntel bar weniger die Seitenkräfte der Pneus schrumpfen. Fehlender Luftdruck der Hinterräder lässt das Heck in Kurven ausbrechen und das Auto beim Spurwechsel unruhig reagieren. Schlaffe Vorderräder führen dazu, dass der Wagen nicht mehr sauber geradeaus läuft. Darüber hinaus steigen bei einem zu geringem Fülldruck Rollwiderstand und Kraftstoffverbrauch an. Zudem verschleißt der Reifen schneller, und die Gefahr innerer Schäden wächst." Aber auch ein Zuviel an Luft beeinträchtige Leistungsstärke und Fahrsicherheit der Pneus. „In diesem Fall wird der mittlere Bereich der Lauffläche ausgebeult. Ihre Ränder verlieren den Kontakt zur Straße. Die Folgen sind ein reduzierter Grip, eine verringerte Kurvenstabilität sowie erhöhte Schleudergefahr. Und die Reifenmitte wird stärker abgerieben."
Um die Folgen eines falschen Fülldrucks einzudämmen, gehören Reifendruck-Kontrollsysteme (RDKS) seit dem 01. November 2014 zur Grundausstattung neu zugelassener Pkw, Geländefahrzeuge und Wohnmobile. RDKS erfassen permanent den Reifendruck und übermitteln die Daten an eine Messanzeige im Armaturenbrett. Zum Nulltarif ist
dieser Service nicht zu haben. Wer in diesem Jahr einen mit Sommerreifen ausgestatteten Neuwagen erwarb und nun einen Satz Winterspezialisten kauft, muss die Pneus mit RDKS-Sensoren ausstatten lassen. Ein Satz Sensoren kostet im Schnitt 250 Euro, hinzu kommen jährlich etwa 45 Euro an Dienstleistungskosten, wie der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV), ermittelte. Der Autofahrer muss also rund 300 Euro in das Plus an Sicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit investieren. Als Ausgleich ließen sich mit RDKS jährlich etwa 40 Liter Kraftstoff einsparen, das entspräche rund 64 Euro, macht der BRV die Gegenrechnung auf. Zudem sei eine Erhöhung der Reifen-Laufleistung bis zu 45 Prozent möglich. Das spare jährlich ca. 63 Euro. Bei einer Jahresfahrleistung von 14.210 Kilometern hätten sich die Zusatzkosten nach drei Jahren amortisiert. Nicht mit Geld aufzuwiegen sind hingegen die Sicherheitsvorteile hochwertiger Winterreifen, die mit dem richtigen Fülldruck gefahren werden.
EU Reifenlabel – für Winterreifen richtig interpretieren
Die Qualität eines Winterreifen lässt sich nicht an seinem Äußeren erkennen. Erste Orientierung bietet auch das EU Reifenlabel. Darauf können Reifenkäufer die Leistung des Pneus in drei wichtigen Kategorien ablesen: Kraftstoffverbrauch, Nassbremsverhalten und Geräuschentwicklung. Ganz wichtig: Die Labelwerte von Winterreifen dürfen nicht mit den Werten von Sommerreifen verglichen werden. Denn aufgrund ihrer auf Kälte und Schnee ausgelegten Mischungen und Profile haben sie zusätzliche Funktionsschwerpunkte, die ein Sommerreifen nicht hat. Diese Funktionen stehen oft im Zielkonflikt mit den Label-Kriterien.
Wenn‘s perfekt sein soll: Erstausrüstungsreifen
Wer für sein Automodell optimale Winterreifen will, dem empfiehlt Norbert Allgäuer-Wiederhold-Wiederhold den Kauf von Erstausrüstungs bzw. OE-Reifen (OE = Original Equipment). Diese Reifen werden von Automobilherstellern in enger Kooperation mit führenden Reifenherstellern wie Pirelli individuell für ein spezielles Fahrzeugmodell entwickelt und sind daher perfekt auf das Fahrzeugmodell abgestimmt. „Ihre Qualität trägt bis zu 50 Prozent des gewünschten Fahrverhaltens eines Automodells bei", betont Norbert Allgäuer-Wiederhold.
Ganzjahresreifen
Norbert Allgäuer-Wiederhodf: „Ganzjahresreifen sind eine Option für die Besitzer von Kleinwagen, die in schneearmen Regionen leben. Wer hingegen ein leistungsstarkes Auto fährt und viel unterwegs ist, sollte auf jeden Fall auf Premium-Winterreifen setzen."
Echte Winterreifen erkennen: Auf die Schneeflocke kommt es an
Echte Winterreifen sind leicht zu erkennen. Die Wand des Reifens ist nicht nur mit dem Kürzel M + S (Matsch und Schnee) gekennzeichnet, sondern trägt zudem das Symbol eines dreizackigen Berges mit einer stilisierten Schneeflocke. Das Symbol steht für einen standardisierten Reifentest, bei dem die Pneus ihre Wintereigenschaften beweisen müssen. Auf der ganz sicheren Seite sind Autofahrer, die sich im Fachhandel beraten lassen.