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EU-Einkommensatlas belegt riesiges Gehaltsgefälle: EU-Parlamentarier verdienen 878% mehr als EU-Bürger

Armee von 8.185 Parlamentariern kümmert sich in EU um Belange von 500 Mio. Bürgern / Bulgarischer Bürger müsste 108 Jahre arbeiten, um EU-Parlamentarier-Gehalt zu erreichen / Den Vogel schießen US-Kongressabgeordnete mit bis zu 90.000 Euro Büro-Zulage im

(lifePR) (Leipzig, )
Die Europäische Union (EU) wächst als Binnenmarkt immer mehr zusammen, Ländergrenzen verschwinden, die Wirtschaft wird globaler, doch die wirtschaftlichen Unterschiede von Land zu Land sind in der Europäischen Union zum Teil noch gigantisch. Das betrifft auch die Politik. So klafft beispielsweise ein riesiger sozialer Spalt zwischen den bei der EU tätigen Abgeordneten und ihren Landsleuten in den 27 Heimatländern. Das stellte nun auch das Produkt-, Energie- und Finanzdienstleistungsportal Preisvergleich.de in einem großen Gehalts- und Diätenreport fest.

Im Fokus der Studie stand die Frage: Wie viel verdienen die EU-Parlamentarier in Straßburg und die Abgeordneten in den jeweiligen 27 EU-Nationalparlamenten im Vergleich zu den EU-Bürgern? Ebenfalls von Interesse: Wie viele Parlamentarier kümmern sich eigentlich insgesamt um das Wohl der Einwohner in den 27 EU-Nationen? Dabei sei vorweggenommen: So ausführlich, wie es das Verbraucherportal Preisvergleich.de nun vorlegt, wurde das Gehaltsgefüge zwischen Regierenden und Regierten in Europa nach Kenntnis der Studienmacher noch nicht untersucht.

Vorwort von Anette Kröning

8.185 Parlamentarier kümmern sich um 500 Mio. EU-Bürger und bekommen dafür 3,9 Mrd. Euro

Nach der aktuellen Studie des Produkt-, Energie- und Finanzdienstleistungsportal Preisvergleich.de verrichten in den 27 EU-Ländern 8.185 Parlamentarier ihr Tagwerk. Darunter sind 7.433 Parlamentarier in den National-Parlamenten und 752 (Stand: Europawahl 2009, jetzt 754 Abgeordnete) im EU-Parlament. Während die Parlamentarier in den EU-Nationalparlamenten jährlich 620 Mio. an Diäten und sonstigen Zuwendungen erhalten, bekommen die EUParlamentarier 161 Mio. Euro Steuergelder von den rund 500 Mio. EU-Bürgern. Das sind 781 Mio. Euro zusammen im Jahr. Pro Legislaturperiode kommen die Herren und Damen Abgeordneten so auf ein Einkommen von 3,9 Mrd. Euro (Tabelle 1 und 2).

Doch nicht nur das: Die Einkommens-Schere zwischen den gewählten Volksvertretern und den einfachen Bürgern klafft enorm auseinander. So verdienen die 752 Abgeordneten im Europaparlament nach dem aktuellen Preisvergleich.de-Gehaltsatlas mittlerweile durchschnittlich 878% im Jahr mehr als die Durchschnitts-Bürger der 27 Mitgliedsstaaten. Das ist enorm.

Wie eklatant die EU-Abgeordneten mittlerweile über dem Gehalt ihrer Bürger liegen, zeigt sich auch an den folgenden Zahlen: So verdienen die EU-Parlamentarier Frankreichs mittlerweile 740% über dem Gehaltsniveau eines "normalsterblichen" Franzosen. Zum Vergleich: Ein Abgeordneter des Französischen Parlaments verdient mittlerweile im Schnitt um 518% mehr als seine Landsleute.

Ebenfalls deutlich über dem Durchschnittseinkommen ihrer Landsleute liegen die EUAbgeordnetenbezüge im finanziell angeschlagenen Italien (795%), während die nationalen italienischen Abgeordneten im Parlament in Rom um 379% mehr verdienen als ihre Landsleute.

Ebenfalls eklatant sieht es in der Slowakei aus: Die EU-Abgeordneten dieses Landes erhalten um 1.190% mehr als ihre Landsleute, während die Abgeordneten des slowakischen Parlaments um 325% ihrer Landsleute liegen.

Ähnlich sieht es im bankrotten Griechenland aus. Hier erhalten die griechischen nationalen EUAbgeordneten um 890% mehr als ihre Bürger, während die Athener nationalen Parlamentarier um 297% ihrer Landsleute liegen. Spitzenreiter sind aber die bulgarischen Parlaments-Abgesandten bei der EU: Sie bekommen sage und schreibe 2.051% mehr Gehalt als die Durchschnittsbürger in dem Balkanstaat, während die nationalen Parlamentarier in Bulgarien um lediglich 6% über ihren Landsleuten liegen (Europagrafik beachten).

Im EU-Parlament verdienen seit drei Jahren alle gleich: Man orientierte sich am höchsten Einkommen - dem der Deutschen

Ähnlich hoch ist der Gehaltsunterschied zwischen Bürgern und ihren EU-Parlamentariern im nördlichen Nachbarland, in Rumänien. So verdienen die rumänische EU-Abgeordneten 1.861% mehr als ihre Bürger. Dass besonders rumänische und bulgarische EU-Parlamentarier in Brüssel oder in Straßburg so viel mehr aufs Konto bekommen als ihre Landsleute, ist auch den anderen EU-Parlamentariern zu verdanken. Vor circa drei Jahren entschlossen sich die EU-Abgeordneten, ihre eigenen "Einkommen" (Diäten) auf das gleiche Niveau anzuheben. Dabei orientierte man sich an einem der höchsten Gehaltsniveaus - dem der deutschen EU-Parlamentarier (Tabelle 2).

Vor dieser Anhebung lag die Differenz der Abgeordneten-Diäten zu den durchschnittlichen Einkommen der EU-Bürger bei unter 300%. Nur: Nun verdienen die EU-Parlamentarier sogar fast 100.000 Euro im Jahr mehr als die vergleichbaren US-Kongressabgeordneten (Tabelle 6).

Zwar erhalten die amerikanischen Kollegen obendrauf rund 90.000 Euro im Monat Zulage für Büro, Personal und Berater. Das ist zwar deutlich mehr als die EU-Parlamentarier erhalten (21.209 Euro), dennoch ist dieser Betrag großzügig.

Damit ist klar: Diäten machen nur in der Werbung schlank. 3,9 Mrd. Euro für die Parlamentarier der 27 Nationalparlamente und des Straßburger EU-Parlaments. Das ist viel Geld und obendrein sind noch nicht einmal die Regionalparlamente (sofern vorhanden) berücksichtigt, wobei deren Abgeordnete oft auch ehrenamtlich arbeiten. Aber: Die 3,9 Mrd. Euro sind nur ein Bruchteil dessen, was die Regierungen der EU-Staaten mit ihren Ministerien die steuerzahlenden Bürger insgesamt kosten. Hier dürften nach groben Schätzungen von Preisvergleich.de leicht über 100 Mrd. Euro in fünf Jahren zusätzlich erreicht werden.

Ein Bulgare muss 108 Jahre arbeiten, um das Gehalt eines EUAbgeordneten zu verdienen

Für die Summe, die ein Abgeordneter bei der EU in nur einer einzigen fünfjährigen Legislaturperiode erhält - rund eine Million Euro - müssten EU-Bürger im Schnitt 55 Jahre arbeiten. Ein daheimgebliebener Bulgare bräuchte sogar 108 Jahre Lebensarbeitszeit um diese Summe zu verdienen. Denn in diesem Balkanstaat liegt das durchschnittliche Einkommen bei lediglich 9.948 Euro pro Jahr (Tabelle 2).

Ebenso eklatante Einkommensunterschiede finden sich in anderen EU-Staaten. So müsste beispielsweise ein Pole immerhin noch 78 Jahre für das Gehalt arbeiten, welches ein EU-Vertreter in fünf Jahren Plenumszugehörigkeit erhält. Jenseits von Oder und Neiße liegt der durchschnittliche Jahres-Bruttoverdienst bei 13.721 Euro. Ähnlich gravierende Unterschiede gibt es in Italien (45 Jahre Arbeit), Großbritannien (40 Jahre Arbeit), Deutschland (39 Jahre Arbeit) oder Luxemburg (24 Jahre Arbeit). (Tabelle 2)

1,35 Milliarden Euro für Abgeordnete in Deutschland, Frankreich, Italien

Im Gegensatz zu Millionen EU-Bürgern, deren Gehälter zum Teil durch Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften mühevoll ausgehandelt werden, sieht es in der Politik ganz anders aus. Einem Selbstbedienungsladen gleich können die Parlamentarier in den EUDemokratien ihre Gehälter und Gehaltszulagen in Eigenregie festlegen: Sie sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem. Sparrunden bei den EU-Politiker-Einkommen gibt es im Zuge der Euro- Krise und Weltwirtschaftskrise fast in keinem Parlament. Im Gegenteil: Die Diäten werden häufig sogar weiter erhöht.

Seit 1975 dürfen beispielsweise die deutschen Bundestagsabgeordneten selbst über die Höhe ihrer Bezüge entscheiden ("Diäten-Urteil" des Bundesverfassungsgerichts). Wie viel dies den deutschen Steuerzahler kostet, zeigt folgendes Beispiel: So erhalten die 620 Bundestags- Abgeordneten pro Legislaturperiode (vier Jahre) 373 Millionen Euro. Damit ist der Bundestag das drittteuerste Parlament in der EU. Es geht aber noch teurer: So können sich die Mitglieder der französischen Nationalversammlung (545 Mio. Euro pro sechsjähriger Legislaturperiode) und des italienischen Abgeordnetenhauses (434 Mio. Euro in vier Jahren) rühmen, noch mehr Steuergelder zu kassieren - und das, obwohl in diesen Ländern weniger Bürger leben als in Deutschland. Das entspricht pro Legislaturperiode 1,35 Milliarden Euro. (Tabelle 1).

Europaabgeordnete verdienen mehr als alle anderen nationalen Volksvertreter Beim Blick auf das Einkommen der Abgeordneten im Straßburger EU-Parlament fällt auf, dass keine Parlamentarier sonst in Europa über ein so hohes "Einkommen" verfügen. Ein EUAbgeordneter erhält durchschnittlich 17.827 Euro an Diäten monatlich oder 213.924 Euro im Jahr.

Dieser Betrag summiert sich aus mehreren Positionen. So liegen die Grundpauschale im Monat bei 7.957 Euro und die zusätzliche allgemeine Kostenvergütung pro Monat bei 4.299 Euro. Hinzu kommen eine Reisekostenpauschale, die jährlich bei 4.243 Euro liegt, sowie ein durchschnittlicher Tagegeld-Satz von 304 Euro. Gegen Nachweis können die Plenums-Mitglieder des EU-Parlaments obendrein Büro- und Personalkosten von monatlich bis zu 21.209 Euro oder jährlich bis zu 254.508 Euro geltend machen (Tabellen 2 und 1).

Allerdings muss fairerweise gesagt werden: Zumindest in der Büropauschale ist man gegenüber den US-Kongressabgeordneten relativ moderat, da davon auch die Angestellten des Parlamentariers bezahlt werden müssen. Allerdings: In den USA wird dem Bürger wesentlich mehr Transparenz geboten. Alle drei Monate müssen die 535 US-Parlamentarier im Kongress dem Controlling ihre Ausgaben übermitteln. Anschließend wird detailliert dargestellt, für welchen Posten welcher Politiker was ausgegeben hat (Personal, Post, Büro-Einrichtung, Miete, Druck Technologien, Büromaterial, Reisen, Diverses, Kommunikation). Diese Reports werden dann für alle Bürger zugänglich zum Download oder Anschauen im Internet präsentiert. Beispielsweise ist der Bericht für das 3. Quartal 2012 hier abrufbar: http://disbursements.house.gov/....

Deutschlands Parlamentarier auf Platz zwei - nach Frankreich

In der Regel erheblich weniger als im EU-Parlament verdienen die meisten nationalen Parlamentarier der 27 Mitgliedsstaaten. Doch: Auch hier gibt es "Volkskammern", die heftig zulangen: Vertreter der französischen Nationalversammlung können im Schnitt monatlich über 13.127 Euro (vor Steuern) verfügen oder im Jahr über 157.520 Euro (mehr als USKongressabgeordnete; deren Diäten liegen jährlich bei 133.221 Euro zzgl. einer durchschnittlichen Bürozulage je Abgeordneten im Monat von rund 90.000 oder von rund 1 Mio. Euro im Jahr). Im französischen Nationalparlamentarier-Einkommen enthalten sind durchschnittliche Aufwandentschädigungen und Wohnkosten. So erklärt sich auch der enorme Kostensatz von 545 Mio. Euro pro Wahlperiode, den die französischen Steuerzahler für ihre Abgeordneten aufbringen müssen.

Platz zwei der am höchsten dotierten Parlamentarier belegen die Vertreter des Deutschen Bundestags. Sie bringen es monatlich im Schnitt auf 12.536 Euro (bei Berücksichtigung der wichtigsten zusätzlichen Pauschalen)* oder jährlich auf 150.432 Euro. Allein die Abgeordneten- "Grundentschädigung" beträgt nach der jüngsten Erhöhung zum 1. Januar 2013 monatlich 8.252 Euro (diese Erhöhung wurde in den Anhangs-Tabellen auf Grund des Recherche-Endes Anfang Dezember 2012 noch nicht einmal berücksichtigt). Auf dem dritten Platz der Top-Verdiener in den Nationalparlamenten liegt die niederländische Kammer mit 10.032 Euro oder 120.384 Euro jährlich pro gewählten Volksvertreter. *(Aufwandsentschädigungen, Wohnzulagen, etc. siehe Tabelle 1 Fußnote)

Für die Abgeordneten "lohnenswert" ist in allen Nationalparlamenten die Inanspruchnahme kostenloser Zusatzleistungen ("geldwerte Vorteile"). So bekommen die 946 italienischen Volksvertreter zusätzlich zu ihrem monatlichen Grundgehalt von 9.550 Euro beispielsweise einen kostenlosen Dienstwagen und dürfen sich einen Gratis-Haarschnitt gönnen (Tabelle 1 und 5).

Zudem gibt es in fast allen Volksvertretungen zur eigentlichen Abgeordneten-Diät Aufwandsentschädigungen oder Tage- und Sitzungsgelder. Dabei ist die Spannbreite innerhalb der 27 EU-Mitgliedsstaaten bei der Nachweispflicht solcher Zusatzleistungen enorm. Während einige Parlamente einen exakten Kosten-Nachweis verlangen, verzichten andere gänzlich darauf - und öffnen damit auch schamlosem Verhalten Tür und Tor.

Sehr streng ist man beispielsweise im armen Bulgarien. Hier müssen die Parlamentarier der Nationalversammlung exakt die Kosten nachweisen, ehe sie erstattet werden. Abgeordnete auf Zypern, in Estland und in Finnland bekommen hingegen für ihre Sitzungstätigkeit nichts zusätzlich.

Die dortigen Steuerzahler dürfen sich freuen. Ganz anders in den liberalen Niederlanden. Dort gibt es für die sitzungsfreie Zeit sogar noch Urlaubsgeld.

Zusatzleistungen für die Volksvertreter

Sowohl innerhalb des Europa-Parlamentes als auch in den 27 nationalen Parlamenten der Europäischen Union hat sich im Laufe von Jahrzehnten ein umfangreiches Geflecht an Einnahmemöglichkeiten für die Volksvertreter ergeben, die die Diäten teils erheblich aufbessern. In den folgenden Abschnitten soll auf dieses Thema etwas näher eingegangen werden.

EXTRA: In Paris müssen Abgeordnete keine Mietkosten-Belege bringen

Fast immer (Ausnahme Luxemburg und Zypern) werden für Abgeordnete, die nicht am Parlamentssitz leben, die Kosten für eine Zweitwohnung übernommen. In einigen Fällen (Frankreich, Slowakei, Tschechische Republik) bekommen Abgeordnete Pauschalen als Kostenerstattung für den Zweitwohnsitz am Ort des Parlamentes. Mehrheitlich erhalten Mitglieder der nationalen Parlamente von Schweden bis Portugal die Ausgaben für ihren Zweitwohnsitz gegen Nachweis der tatsächlich entstandenen Kosten ersetzt. Nur: Auch Millionen EU-Bürger müssen mittlerweile zwei Wohnsitze unterhalten - einen am Arbeitsplatz und einen zu Hause.

Grund: Das Pendeln zwischen weit entlegenen Orten ist längst auch unter zivilen Bürgern eine Pflichtveranstaltung geworden, wollen sie nicht arbeitslos sein.

Interessant sind jene EU-Länder, in denen die Abgeordneten ohne Kostenbelege auch teuerste Wohnungen anmieten können und dafür faktisch nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Legt man die durchschnittlichen Kosten einer 30-Quadratmeter-Wohnung in bester City-Lage der EUHauptstädte zu Grunde, so liegt der Schluss nahe, dass die britischen Abgeordneten des Unterhauses dem Steuerzahler ohne weiteres monatlich kräftige 2.410 Euro für ihre Zweitwohnung in Rechnung stellen könnten - im niedrigsten Fall (hier konnte die Studie trotz umfangreicher Recherche keinen transparenten Überblick gewinnen, da dieses nicht öffentlich zugängliche Informationen sind). Es folgen die Abgeordneten in Paris (mit monatlich mindestens 1.200 Euro Wohnkostenzuschuss im günstigsten Fall), Helsinki (900 Euro), Dublin (850 Euro) und Rom (800 Euro). Vergleichsweise bescheiden bei der Kostenerstattung der Zweitwohnungen dürften die Griechen (450 Euro), die Esten (240 Euro) und als Schlusslicht die Litauer (140 Euro) dastehen.

In allen Fällen sind dies die niedrigsten Kostenschätzungen für 30 Quadratmeter-Wohnungen in den EU-Hauptstädten. Es ist eher davon auszugehen, dass die meisten Parlamentarier auch in ihrer Zweitwohnung eher auf 60 bis 100 Quadratmetern wohnen. In fast keinem EU-Land werden diese zusätzlich bezahlten Gelder für die Zweitwohnungen je Parlamentarier wirklich transparent gemacht. Dieses ist in Demokratien, die sich gerne darüber beschweren, wie in Diktaturen Geld von Clans abgeschöpft wird, ein unakzeptabler Zustand.

EXTRA: Freitickets für Bahn und Flugzeug

Während in vielen Ländern die nationalen Abgeordneten extra Reisegeld erhalten, gehen die Abgeordneten von Estland, Luxemburg, Malta oder den Niederlanden in dem Punkt leer aus. Anderswo in Europa erhalten Parlamentarier hingegen Freitickets für Bahn, Flugzeug oder Schiff (Skandinavien, Griechenland und neuerdings in Deutschland Bahntickets auch für Privatzwecke). Es gibt Kilometergeld (Portugal), eine Taxipauschale (Spanien) oder ein Dienstfahrzeug für die Hauptstadt (Deutschland).

EXTRA: Büro- und Personalkosten

Zusätzlich zu den an die gewählten Volksvertreter ausbezahlten Diäten, Aufwandsentschädigungen oder Wohnungs- und Reisekosten werden den Steuerzahlern von den Volksvertretern in 16 der 27 EU-Länder teilweise üppige Aufwendungen für persönliche Abgeordneten-Büros samt Ausstattung und Mitarbeitern am Ort des Parlaments in Rechnung gestellt.

So genehmigen sich die Abgeordneten des Deutschen Bundestags mit jeweils bis zu 26.712 Euro monatlich (jährlich 320.544 Euro) die mit Abstand großzügigste Zulage aller europäischen Parlamente für ihre Bürobetriebe und die Mitarbeiter. Allerdings: Abgeordnete des EU-Parlaments bekommen eine noch höhere Pauschale für Büro und Personal: monatlich bis zu 21.209 Euro, in den USA ist es noch mehr. Zudem: Wenn diese Ausgaben wirklich transparent - detailliert wie in den USA - online mitgeteilt werden, sind gerade die Bürozulagen eher moderat. Das trifft allerdings für die USA nicht zu: Bei einer monatlichen Büro- und Personalzulage in Höhe von bis zu 90.000 Euro kann hier von einem regelrechten Verprassen auf Luxusniveau gesprochen werden (Tabelle 5 und 6).

EXTRA: 240 Liter Freibenzin auf Malta

Bisweilen kurios sind manche der weiterhin zugestandenen "Extras". Das Spektrum ist breit und reicht von der 5.500-Euro-Hilfe bei der Anschaffung von Büroeinrichtungen bis hin zu freiem Eintritt für Museen (Griechenland), einer Portopauschale von 802 Euro (Großbritannien) oder einer Übernahme von Kinderbetreuung sowie der Kosten für den Fitnessclub im Parlamentsgebäude (Griechenland).

Ebenso ungewöhnlich: Auf der kleinen Mittelmeer-Insel Malta erhalten die Parlamentsabgeordneten monatlich 240 Liter Freibenzin, in Madrid gibt's eine üppige monatliche Taxipauschale von 250 Euro. Für Abgeordnete der Tschechischen Republik und auf Malta gibt es sogar Gratis-Polizei- beziehungsweise umfangreichen Personenschutz (Tabelle 5).

Euro- und Wirtschaftkrise? Bei den Parlamentariern nur bedingt

Die derzeit laufende öffentliche Diskussion rund um Staatshaushalte macht deutlich: So wie bislang in einigen Parlamenten Europas gewirtschaftet wird, kann es nicht mehr weitergehen. Zu groß, monieren Kritiker, sind die Pfründe, die sich manche Volksvertreter sichern. Der Begriff "Selbstbedienungsladen Parlament" macht die Runde und wird auch durch die Studie des Verbraucherportals Preisvergleich.de in einigen EU-Ländern belegt (nicht aber in allen!).

Immerhin: Nach heftigen Diskussionen und unter dem Druck der von Sparzwängen gebeutelten Öffentlichkeit verzichtete der ehemalige italienische Ministerpräsident Mario Monti bei Amtsantritt auf sein Gehalt. Allerdings bekommt er als ehemaliges Mitglied des Römischen Senats bereits ein Ruhegehalt von mehr als 200.000 Euro jährlich und leidet wohl eher keine Not. Die Deputierten des Landesparlaments in Rom beschlossen zwar unlängst eine Kürzung ihrer Diäten von monatlich um 1.300 Euro sowie eine minimale Senkung des Pensionsanspruchs. Ob und ab wann die neue Regelung aber greift, ist immer noch nicht klar.

Ebenso wenig umgesetzt ist bislang der spanische Kürzungsbeschluss, der die Diäten im Corte Generales um 7% senken soll. Und in Frankreich hat zwar der neue Staatspräsident sein eigenes Gehalt sowie das der Kabinettskollegen gekürzt - allerdings nur soweit, wie es sein Vorgänger fünf Jahre zuvor angehoben hatte. Die Abgeordneten der französischen Nationalversammlung sind davon nicht betroffen.

Und wo stehen aktuell die als Steuer-Verprasser gescholtenen Griechen im Ländervergleich?

Alle griechischen Volksvertreter zusammen bekommen pro Legislaturperiode in Summe zwar "nur" etwa 103 Mio. Euro, damit steht Griechenland aber immerhin noch auf Platz 6 im Kostenranking der 27 EU-Parlamente. Allerdings relativiert sich auch dies. Da es in dem vom Euro- Rettungsschirm beschützen Land nur 300 Mandatsträger im Parlament gibt, hat der griechische Parlamentarier am Monatsende mit 7.156 Euro fast genauso viel Steuergeld in der Tasche wie etwa sein Kollege in Großbritannien mit 7.888 Euro (Tabelle 1).

So viel zahlen die Steuerzahler Europas jährlich in den EU-Topf ein

Große Unterschiede gibt es nicht nur zwischen den Nationalparlamenten der EU sowie zum Europäischen Parlament in Straßburg, sondern auch beim Umfang der Beitragsleistungen der EUMitgliedsländer zum EU-Haushalt. Dabei ist bekannt: Deutschland ist der Zahlmeister und stemmt mindestens jeden fünften Euro der ausgegeben wird - gut 20% oder netto mindestens 20,7 Mrd. Euro im Jahr. Es folgen Frankreich (17,6%), Italien (13,2%) und Großbritannien (11,7%).

Insgesamt kommen also 62,6% der EU-Haushaltsgelder allein aus diesen vier Mitgliedsländern.

Die restlichen 37,4% Haushaltsgeld verteilen sich auf die Schultern von 23 Nationen der Europäischen Gemeinschaft. (Tabelle 3)

Zudem: Zwar verfügen die vier größten EU-Länder (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien) über 53,5% der EU-Gesamtbevölkerung, haben aber nur 42,3% der Stimmen im EUParlament.

Auch wenn die Deutschen viel in den EU-Haushalt einzahlen, muss gesagt werden: Im Vergleich zum durchschnittlichen nationalen Brutto-Jahreseinkommen pro Bürger bezahlen die Dänen mit einem Beitrag von 375 Euro pro Kopf und Jahr am meisten in den EU-Haushalt ein. Das liegt auch im Vergleich zum durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen um 56% über dem Schnitt.

Aber auch das gilt: Im Vergleich zum durchschnittlichen Brutto-Pro-Kopf-Einkommen je Jahr bezahlt Bulgarien mit nur 41 Euro pro Jahr und Bürger deutlich unter dem Schnitt in den EU Haushalt ein. Das liegt um 50% unter dem EU-Schnitt und muss auch im Vergleich zu anderen armen EU-Ländern als zu wenig bezeichnet werden. (Tabelle 3 und 4)

Studienfazit

Von Transparenz bei den Bezügen aller Volksvertreter in Europa kann derzeit kaum die Rede sein.

Bedenklich sind auch die mittlerweile erheblichen Unterschiede im Gehaltsgefüge zwischen den Politikern und den Bürgern der Europäischen Union insgesamt. Immerhin ergibt sich ein Gehaltsunterschied von durchschnittlich 878%.

Studiendesign

In einer monatelangen schwierigen, kleinteiligen und auch vielsprachigen Recherche erkundete die Journalistin Anette Kröning gemeinsam mit einem Team von Statistikern für das deutsche Produkt-, Energie- und Finanzdienstleistungsportal Preisvergleich.de die Politiker-"Einkommen" in Europa. Hierfür befragte sie alle 27 europäischen Parlamente und nahm mit Mitgliedern des Brüsseler EU-Parlamentes Kontakt auf.

Dabei gestaltete sich die Recherche insgesamt äußerst schwierig. Im Falle von Griechenland etwa gab den entscheidenden Tipp erst ein griechischer Blogger, der den Studiendurchführenden sagte, wo genau die gesetzlichen Angaben zu den Gehaltsstrukturen des Parlaments in den Tiefen der Parlaments-Website versteckt sind (alle Zahlen sind im Anhang zu den Tabellen mit Quellenverweisen gekennzeichnet).

Besonders negativ fiel deshalb das Griechische Parlament auf. So war weder das Büro des griechischen Parlamentspräsidenten bereit, Einkünfte offen zu legen, noch war es leicht, verwertbare Angaben aus Italien, Portugal oder Malta zu erhalten. Selbst die vergleichsweise klar und einheitlich strukturierten EU-Gehälter der Europa-Parlamentarier bedurften besserer Mathematik-Kenntnisse, ehe für das Studienteam zumindest eine brauchbare Grobskizze dieser Einkommen vorlag.

Während einige Parlamente (Benelux, Skandinavien, Baltische Staaten) gerne und schnell bereit waren, Angaben über Diäten oder Zulagen für ihre Abgeordneten zu machen, ignorierten zahlreiche andere Parlamente komplett die Studien-Anfragen des Produkt-, Energie- und Finanzdienstleistungsportals Preisvergleich.de.

Basis für die Angaben der durchschnittlichen Bürgereinkommen in der EU ist der jährlich aktualisierte Fischer Weltalmanach. Deshalb war die Recherche diesbezüglich am unkompliziertesten.

Für die Angaben in den Tabellen wurden ausschließlich Primärquellen (siehe Quellennachweise im Anhang) verwendet. Bewusst ausgeklammert wurden in dieser Studie die Regelungen zur Offenlegung von Nebentätigkeiten, zu Mandatsträgerabgaben und auch zu Pensionsansprüchen für Abgeordnete. Für alle Daten und Berechnungen gilt der Recherchestand 07.12.2012.
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