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Wird Demenz zur neuen „Volkskrankheit“? – Wenn Menschen in ihrer eigenen Welt verschwinden, bleiben Angehörige oft hilflos zurück

Experten aus der Pflege berichten über ihre Erfahrungen und über die besten Methoden im Umgang mit Demenzpatienten

(lifePR) (München, )
Eine Million Patienten mit Demenzerkrankungen zählte die Bundesgesundheitsstatistik 2006. Tatsächlich dürften es noch wesentlich mehr sein, denn die Krankheit entwickelt sich meist schleichend und wird von engen Familienmitgliedern nicht gleich erkannt. Das Bundesgesundheitsministerium geht von rund 250.000 Neuerkrankungen jährlich aus. Meist arrangiert sich das Umfeld lange Zeit mit den Veränderungen, während die Betroffenen den Bezug zur Realität verlieren, alltägliche Zusammenhänge vergessen und teils sogar ihren Charakter ändern. Nur durch spezielle Pflegestrategien und mit viel Einfühlungsvermögen können Angehörige, ambulante Pfleger und stationäre Fachkräfte die Betroffenen doch noch in die Lebenswirklichkeit integrieren.

Der Anruf kam von einer 93-jährigen Dame, berichtet Judith Ergenz, Leiterin der Alzheimer Angehörigen-Gruppe der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Augsburg. „Sie schaffte es nicht allein, ihren dementen Ehemann nach dem Waschen wieder aus der Badewanne zu holen.“ Ergenz schickte ihr daraufhin Mitarbeiter der Sozialstation zu Hilfe. „Sie hat sich ganz allein um ihn gekümmert und wusste nicht mal, dass sie finanzielle Unterstützung beantragen konnte.“ Inzwischen bekam der Ehemann durch die Hilfe der AWO eine Pflegestufe zuerkannt. Das Geld, welche das Paar in den Jahren zuvor hätte beanspruchen können, wird allerdings nicht mehr ausgezahlt.

Fälle wie dieser sind typisch für den Umgang mit Demenz. Sobald die ersten, meist noch leisen Zeichen von Pflegebedürftigkeit auftreten, springen Ehepartner oder Kinder wie selbstverständlich ein, schließlich hat man sich das bei der Hochzeit versprochen oder fühlt sich in der Schuld der Eltern. Allerdings sind sich zu diesem Zeitpunkt die wenigsten Menschen der Belastung bewusst, die mit der Pflege auf sie zukommt. Der Verlauf der Krankheit ist unvorhersehbar, körperlich kann es dem Betroffenen noch gut gehen, doch seine geistigen Fähigkeiten verändern sich zunehmend.

Demente sehen die Welt mit anderen Augen

„In der Welt, in der ein Mensch mit fortgeschrittener Demenz lebt, haben die Dinge eine ganz andere Bedeutung“, erklärt Axel Mohr, gerontopsychatrischer Fachpfleger im Phönix-Haus Roggenberg in Lichtenau. „Zusammenhänge von Ursache und Wirkung werden nicht mehr erkannt. Ein Patient, der sich die Zunge verbrennt, erkennt dann beispielsweise nicht mehr, dass der Tee zu heiß zum Trinken ist, da er nicht mehr fähig ist, Situationen zu realisieren und zu analysieren.“ Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt in der Pflege von Demenzkranken, ergibt sich dadurch, dass die Erkrankten Erlebnisse und Situationen kaum mehr auf rationaler Ebene, also nicht nach der Vernunft verarbeiten können, sondern ihnen meist nur die emotionale Ebene zur Verfügung steht, um auf Geschehnisse und Erfahrungen zu reagieren. Unbekannte Geräusche wie raschelndes Laub oder Knacken in der Heizung werden dann etwa als bedrohlich interpretiert.

„Gerade deshalb ist es wichtig, den Patienten dort abzuholen, wo er sich gerade geistig befindet“, erläutert Mohr. Diese „Validation“ genannte Strategie besteht darin, unsinnige Aussagen und Ansichten nicht einfach als Fehler zu berichtigen, sondern darauf einzugehen und von dort langsam auf die Gegenwart überzuleiten. Weist man den Betroffenen hart auf seine Irrtümer hin, wirkt das für ihn nur demütigend und endet häufig im Streit oder mit Depressionen. Die pflegenden Familienmitglieder müssen sich immer wieder klarmachen, dass es nicht Gehässigkeit ist, die den Dementen solche Fehler machen lässt. Häufig hilft hier eine ärztliche Diagnose – nicht nur um die genaue Form der Demenz zu ermitteln, sondern auch um sich bewusst zu werden, dass es sich wirklich um eine Krankheit handelt.

„Wird die Belastung für die Angehörigen allerdings allzu groß oder lebt der Betroffene allein, kann es sinnvoll sein, über stationäre Pflege nachzudenken“, so Ursula Heinzen, Referatsleiterin „Ambulante Pflegedienste“ des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB). Auch Angehörigen-Bertreuerin Ergenz meint, manchmal müsse man als Pflegender einen gesunden Egoismus vertreten. Generell sei es aber zu empfehlen, den Kranken möglichst lang in seiner vertrauten Umgebung zu behalten.

Die Krankheit ändert auch das Leben der Pflegenden

Als besonders schwierig werden von den Verwandten die Veränderungen in der Persönlichkeit der Kranken erlebt. So werden etwa bekannte Personen plötzlich von den Dementen als zudringlich empfunden, erklärt Axel Mohr: „Wenn der Patient beispielsweise während des Anziehens die Person, die ihm dabei hilft, nicht mehr erkennt oder vergisst, wer sie ist, sieht er die Hilfe natürlich als Angriff auf seine Intimsphäre und wird sich dementsprechend verhalten.“ Ein Problem, das auch die ambulanten Pfleger des ASB kennen: „Wir bemühen uns, bei Menschen mit Demenzerkrankungen das Personal möglichst wenig zu wechseln“, so Heinzen, „aber wenn jemand die eigene Tochter nicht mehr erkannt, wird es natürlich für alle an der Pflege Beteiligten schwierig.“

Um auf solche und ähnliche Situationen vorbereitet zu sein, gibt es für Pflegepersonal in Heimen und bei Pflegediensten interne wie externe Fortbildungen und Weiterbildungskurse, in denen gezielt Strategien für den Umgang mit Demenzkranken gelehrt werden. Angehörigen-Selbsthilfe-Gruppen bieten entsprechende Kurse auch für pflegende Familienmitglieder an, trotzdem ist die Anpassung des eigenen Verhaltens an die jeweilige Situation unerlässlich. Wie etwa im Fall eines Demenzkranken in Augsburg: Der Mann hielt es nicht aus, wenn seine Frau Kartoffeln mit einem Schäler abschälte. Mittlerweile benutzt sie, um ihn nicht aufzuregen, wieder ein altmodisches Messer.

„Neben dem fortschreitenden Verlust des Denkvermögens ändert sich der Schlaf-Wach-Rhythmus“, berichtet Heinzen. „Dazu kommen mitunter Feindseeligkeit, Misstrauen oder Wahnvorstellungen.“ Die Dementen wollen plötzlich mitten in der Nacht aus dem Haus gehen, etwa weil sie glauben, es sei Arbeitszeit. Um das zu verhindern, sollte man alle Türen zuhause absperren und an gefährlichen Stellen, wie Treppen, Sicherheitsgitter anbringen. Gegen den Bewegungsdrang hilft es, den Betroffenen tagsüber zu beschäftigen und ihm nachmittags keine aufputschenden Getränke mehr zu geben.

Anpassung an den Patienten

In den Demenzstationen moderner Pflegeheime trägt man den Verhaltensänderungen sogar in der Architektur Rechnung. Norbert Dietz, Geschäftsführer der Phönix-Seniorenheime, plant beispielsweise bei allen neuen Heimen einen umlaufenden Gang ein, der den Dementen genug Bewegungsfreiheit bietet und ihr Bedürfnis wegzulaufen verringert. Daneben sorgen strukturierte Wandbeläge wie Teppiche oder Holzeinlagen für zusätzliche Berührungsreize beim Entlangtasten an der Wand und verschaffen den Betroffenen geistige Beschäftigung.

Um mit den sich im Verlauf der Krankheit immer stärker ausprägenden Eigenheiten zurecht zu kommen, wird in den Heimen sogenannte Biographiearbeit betrieben, bei der sich die Pfleger mit den Lebenshintergründen, Motiven und Ängsten der Bewohner vertraut machen. Dazu werden meist noch vor Einzug in das Heim intensive Gespräche mit dem Betroffenen und seiner Familie geführt. „Wir versuchen dabei, Gewohnheiten, Rituale oder wichtige Gegenstände zu erfahren“, erzählt Fachpfleger Mohr. „Auch ein Probewohnen im Heim kann helfen.“ Beim Umzug wird darauf geachtet, möglichst die Atmosphäre der eigenen Wohnung im Heimzimmer noch spürbar werden zu lassen. Der Kranke bekommt dadurch den Eindruck von Sicherheit und Vertrautheit, was ihm das Agieren mit den Pflegern in seiner Lebens- und Gefühlswelt erleichtert.

Für geistige Pflegebedürftigkeit wird kaum bezahlt

Die Pflege eines Demenzkranken erfordert eine 24-Stunden-Bereitschaft, so Heinzen: „Dieser enorme Aufwand wird von der Pflegeversicherung aber kaum berücksichtigt.“ Problematisch ist in den meisten Fällen, dass eine Pflegestufe nötig ist, um überhaupt die Demenzunterstützung von derzeit noch 460 Euro pro Jahr beziehen zu können. Die Einstufung hängt allerdings hauptsächlich vom körperlichen Gesundheitszustand ab. „Wenn ein Demenzerkrankter beweglich ist und daher seine Knie berühren kann, wird erfahrungsgemäß von den Vertreter des Medizinischen Dienstes angenommen, dass er sich auch die Hose noch selbst anziehen kann“, führt Ergenz aus. „Dass der Betreffende vielleicht nicht mehr weiß, wo seine Hose ist oder was er damit machen soll, wird meist nicht erkannt.“

Die kürzlich beschlossene Pflegereform sieht jetzt vor, die Auszahlung auf 2.400 Euro jährlich zu erhöhen, die Pflegestufe bleibt aber weiter Voraussetzung. Wer diese Vorgabe nicht erfüllt oder Geld für eine besondere Ausgabe wie etwa eine neue Brille, sucht, kann sich im Notfall an die Deutsche Seniorenstiftung oder an gemeinnützige Vereine wenden. Allerdings schreckt der bürokratische Aufwand, der nötig ist, um Unterstützung zu beantragen, nicht wenige Angehörige ab. Hier können Selbsthilfegruppen oder Pflegefachkräfte oft wertvolle Tipps geben.
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