Wie entscheiden wir uns beim Produktkauf? Mit Vernunft, kühl und berechnend? Nein, sagen die Neuroökonomen und schauen dem Käufer dabei unter die Schädeldecke. Die Neuroökonomie verbindet die Verhaltensökonomie, die sich unter anderem mit unvernünftigen Kaufentscheidungen befasst, mit der Gehirnforschung. Fragen, wie und nach welchen Gesichtspunkten wir uns für oder gegen ein Produkt entscheiden, sollen geklärt werden. Ein wichtiges Werkzeug hierbei ist die Kernspintomographie.
Erstmalig im deutschen Sprachraum gibt das jetzt erschienene Buch "Neuroökonomie" einen umfassenden Überblick über das junge Forschungsgebiet. Der Herausgeber und Präsident der Universität Witten/Herdecke Prof. Dr. Birger P. Priddat stellt zusammen mit weiteren Ökonomen, Psychologen, Soziologen und Philosophen die Neuroökonomie vor und zeigt gleichzeitig deren Grenzen auf. Ausgangspunkt ist der naturwissenschaftliche Beleg, dass der Mensch Entscheidungen emotional trifft.
Um herauszufinden, wie Entscheidungsprozesse im Gehirn ablaufen, wird die Kernspintomographie genutzt. Dabei werden Probanden, während sie in der Tomographenröhre liegen, mit Konsum- und Investitionsentscheidungen konfrontiert. Neurowissenschaftler können zeitgleich die Areale des Gehirns sichtbar machen, die währenddessen einen erhöhten Stoffwechsel aufweisen. So ist es möglich, die aktiven Bereiche teilweise emotionalen oder kognitiven sowie kontrolliertem oder automatisierten Verhalten zuzuordnen.
"Die klassische Grundannahme, dass wirtschaftliche Entscheidungen rational getroffen werden, trifft viel seltener zu als angenommen", sagt Priddat. Demnach muss die Theorie, dass der Mensch bei vollständigem Wissen über Vor- und Nachteile eines Kaufes, mit Vernunft entscheidet, kritisch hinterfragt werden. Die Neuroökonomie macht es erstmals möglich diese Entscheidungen mit naturwissenschaftlichen Methoden zu prüfen. Dabei wird deutlich: "Die emotionale Einbettung von Konsumentscheidungen überwiegt" so Priddat, "die Rationalität muss hierbei neu interpretiert werden."
Der Blick ins Gehirn verrät, dass menschliches Handeln offensichtlich zu einem großen Teil von Empfindungen wie Angst oder Vertrauen geleitet wird. "So werden Fragen nach Kommunikation, Wahrnehmung und Gestimmtheit sowie eine starke soziale Relation wichtig, wenn es darum geht, Konsumentscheidungen zu analysieren", erläutert Professor Priddat. Dabei wird deutlich, dass Entscheidungsprozesse oftmals nicht kausal ablaufen, sondern weitaus komplexer sind, als bisher angenommen.
Die Frage nach der Gültigkeit der Aussagen, die Neurowissenschaftler und Neuroökonomen treffen, ist bislang umstritten. Auch diesem Aspekt nimmt sich das Buch an. "Natürlich fragt sich der konventionelle Ökonom, was die Neurowissenschaftler da so alles sehen", sagt Priddat. Dennoch zwingen die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse laut Priddat vor allem zu einem Schluss: "die klassische Ökonomie muss sich hier irritieren lassen und sich neu orientieren."
Publikation: Priddat, Birger P. (Hrsg.): Neuroökonomie: Neue Theorien zu Konsum, Marketing und emotionalem Verhalten in der Ökonomie. Metropolis Verlag. Marburg, 2007. ISBN: 978-3-89518-617-2