Widerrufsbelehrung fehlerhaft aber Anrechnung des Verlustrisikos zulässig
Die Karlsruher Richter entschieden dabei, dass der Kunde einen Teil des Verlustes selbst tragen muss und blieben in der Klärung der Frage nach den erstattungsfähigen Zinsen wenig überraschend vage. So birgt die Entscheidung des IV. Zivilsenates zwar auch positive Aspekte – nämlich unter anderem den, dass der beklagte namhafte Kölner Lebensversicherer tatsächlich fehlerhafte Widerrufsbelehrungen in seinen Verträgen verwendet hat – vermeidet aber aus politischen Gründen einmal mehr eine Leitentscheidung dazu, wie viel Geld Kunden, die ihre Lebensversicherung widerrufen tatsächlich zusteht.
„Zwar haben die Karlsruher Richter, genau wie die zuständigen Richter der Vorinstanz unsere Rechtsauffassung geteilt, dass die verwendete Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist. Gleichzeitig hat der Bundesgerichtshof aber seinen bereits in früheren Verfahren eingeschlagenen Kurs bei der Klärung von Fragen rund um den Themenkreis Lebensversicherungen bestätigt. Nämlich den, mit vagen Entscheidungen und Zurückverweisungen an die Vorinstanzen eine Leitentscheidung zu umgehen, auf die sich Millionen Kunden bei der Kündigung und Rückabwicklung ihrer Policen berufen können. So wurde die konkrete Frage nach den erstattungsfähigen Zinsen erneut nicht abschließend beantwortet“ meint Jens Heidenreich, Pressesprecher der proConcept AG, die das Verfahren für den betroffenen Versicherungskunden am höchsten deutschen Zivilgericht betreut hat.
Zinsfrage bleibt offen – Bundesgerichtshof schützt Versicherungswirtschaft
Die Gründe für das neuerliche Ausweichmanöver sieht Heidenreich darin, dass ein Grundsatzurteil, welches die konkrete Höhe der erstattungsfähigen Zinsen und darüber hinaus die exakte Vorgehensweise regelt, nach welcher Kunden die Zinsen geltend machen müssen, die Versicherungswirtschaft in enorme finanzielle Schwierigkeiten stürzen würde. Denn existierte eine Grundsatzentscheidung schwarz auf weiß, könnten Millionen Kunden erheblich vereinfacht ihre finanziellen Ansprüche bei den Versicherungsunternehmen durchsetzen, was bei letzteren zu existentiellen Problemen führen würde. „Das möchte die deutsche Justiz natürlich nicht verantworten und deshalb wird verklausuliert und vernebelt, was das Zeug hält, um die absehbaren Folgen für das Finanzsystem zu verhindern.“ so der Pressesprecher der proConcept AG.
Fehlerhafte Belehrung und zu hohe Kostenabschläge
In dem der aktuellen Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatte der betroffene Kunde 1999 eine fondsgebundene Lebensversicherung bei einem namhaften Kölner Versicherer abgeschlossen und diese 2013, unterstützt von den proConcept-Netzwerkanwälten, vorzeitig gekündigt. Weil die Experten bei Prüfung des Versicherungsscheines feststellten, dass dieser keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung enthielt, machten sie im Auftrag des Kunden den Widerruf geltend. Da die Assekuranz den Widerruf jedoch ablehnte und zudem den Rückkaufswert unzulässig schmälerte, beziehungsweise die angefallenen Zinsen nicht vollständig ausschüttete, klagte der Kunde schließlich. Die Richter der zweiten Instanz bestätigten dabei, dass der Versicherer zu hohe Kosten für Abschluss und Verwaltung von der Rückerstattungssumme abgezogen habe und in unzulässigerweise das Kostenrisiko (die fondsgebundene Versicherung hatte dem Kunden einen finanziellen Verlust verursacht) auf den Kunden übertragen hatte. Gleichsam urteilten die Richter, dass die verwendete Widerrufsbelehrung fehlerhaft sei und dem Kunden eine umfängliche Zusatzzahlung zustünde. Die beklagte Gesellschaft legte daraufhin Widerspruch ein und zog vor den Bundesgerichtshof.
Die Richter des IV. Zivilsenates hoben dieses Urteil nun auf. Fazit: Der Kunde muss einen Teil des finanziellen Verlustes selbst tragen. Alle anderen Fragen hat der BGH zur Klärung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Urteil zwingt Kunden weiterhin zu Einzelklagen
Kunden, die aufgrund des sogenannten Widerrufsjokers, den die proConcept AG vor dem Europäischen Gerichtshof erstritten hat, ihre Lebensversicherung widerrufen können, bleiben also weiterhin auf professionelle Unterstützung bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche angewiesen. Zumindest dann, wenn sie tatsächlich die Summen aus ihren Verträgen erhalten möchten, die ihnen zustehen. „Für uns bedeutet die Entscheidung aus Karlsruhe, dass unseren Netzwerkanwälten die Arbeit nicht so schnell ausgeht.“, meint Jens Heidenreich. Von den unzähligen von der proConcept betreuten Kundenfällen befinden sich im Rahmen des Projektes LV-Doktor derzeit rund 10.000 Fälle in streitigen Verfahren (gerichtlich und außergerichtlich). Tausende weitere Kundenverträge werden für die streitigen Verfahren vorbereitet.
In den vergangenen Monaten und Jahren hat das Anwaltsnetzwerk die Rechtssprechung zum Themenkreis Lebensversicherungen maßgeblich beeinflusst. So wurden nahezu 90 % aller Entscheidungen (85 Verfahren), die der Bundesgerichtshof bislang zu dieser Thematik bereits getroffen hat, von den Netzwerkanwälten von LV-Doktor erstritten. Weitere 118 von proConcept betreute Verfahren warten in Karlsruhe derzeit noch auf Klärung.